KÖNIGLICH PREUSSISCHEN =
INHALT.
Warpurg: Über die Bildung des Ozons bei der are, in Sauerstoff .
O. Kauıscner: Über Grosshirnexstirpationen bei Papageien . \ ;
A. Lapengure und C. KrüceL: Über das Krypton. Zul Miteilung
A. Sıver: Geologische or im Aarmassiv .
Zwölf Briefe von Besser an OLsE
A. Bıcker und P. Jacog: Über neue ren intchen Kira inde ind binden Rückenmar kowıiräähe hinsichtlich der Bewegungsregulation beim Hunde . es
Muxk: Über die Ausdehnung der Sinnessphären in der Gioschirurinde. Eule Micheilung
W. Toxkorr: Experimentelle Erzeugung von Doppelbildungen bei Triton . .
' Köster: Der thukydideische Bericht über die oligarchische Umwälzung in Athen im Jahre 4
E. Gorosreım: Über die Phosphorescenz anorganischer chemischer Praeparate
L. Gruxmac#: Experimentelle Bestimmung von Capillaritätseonstanten condensirter Class
von Wıramowırz- MoELLENDORFF: Neue Bruchstücke der hesiodischen Kataloge (hierzu Taf. iv id v)
H. Kraarsen: Der kurze Kopf des Musculus biceps femoris. Seine morphologische und stammesge- schichtliche Bedeutung . a ee u ;
Weısnorp: Die Zeitpartikeln des ER Dialects- ;
vox Rıcuruoren: Über Gestalt und Gliederung einer Grnsleh in ie Mirchölogie Ost- Kikbni i
H. Rusens und F. Kurısaum: Über die Emission ne Wärmestrahlen durch den schwarzen Körper bei verschiedenen Temperaturen . . . re ee
W. Cröxert: Der Epikureer Philonides .
Adresse an Hrn. Tmeopor von SıckeL zum fünfzigjährigen Dostorjukiiäuei 4 am 16. Auge 1900°
Hersert: Zur Bestimmung kleiner Flächenstücke des Geoids aus Lothabweichungen mit Rücksicht auf
Lothkrümmung. Erste Mittheilung ; N
Harnack: Zu den Amherst-Papyri . ee
Könrer: Ein Nachtrag zum Lebenslauf den Erikarsers Philonides
Kourrauscn: Über das elektrische erg von Lösungen der Alkali Zodats, =. eine Formel zur Berechnung von Leitvermögen
L. Hoıgorn und A.Day: Über die Anbdchnunp von , Platin, Platiniridium, Palladium, "Silber, Nickel, Eisen, Stahl und Constantan in hoher Temperatur
van’r Horr und H. vox Eurer -Cuerrin: Untersuchungen über die Bildunigeverhältnlase de ee Salzablagerungen, insbesondere des Stassfurter Salzlagers. 2 une
M. Bauer: Beiträge zur Kenntniss der niederhessischen Basalte .
SchwEsDESER: Die Divergenzänderungen an den Blüthenköpfen der Sonnenbiainen im Verlanks rer
twieklung . . ee,
Fıscuer: Über die Ester der Kleinen \ .
E. E. Basen: Künstliche Darstellung des Polyhalit ‘
Harzıparıs: Umwandlung eines Potentialis in en "ind Porfecı et
önter: Zwei Inschriften aus der Zeit Antiochos’ IV. u Ne Tat. VD. Fischer: Synthese der a,3-Diaminovaleriansäure . . . ae
Inhalt.
E. Conex: Zusammenfassung der bei der Untersuchung der körnigen bis diehten Meteoreisen erhaltenen Resultate .
M. Lewanpowskr: Über die Auiomntie das uripmiälschen Essen une am hun angestellten "Beob- achtungen . .
van tr Horr und H. A, Wuson: "Untersuchungen Ss & Bidungsve hältnisse. der sehen Salz. ablagerungen, insbesondere des Stassfurter Salzlagers. X
KorniGsBerser: Über das erweiterte Nzwrox’sche Potential
Druckschriften -Verzeichniss
Namen -Register .
Sach - Register .
Seite
1122
1136
EUR a er re R 3 Ph 3 3 na . EN Ar 1 Re SE ee A En EEE Fre ta 5: a. 1. TAN Ba Le Me Tr En 1 A ne sa a A
SITZUNGSBERICHTE
KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
ZU BERLIN
XXX. XXX.
5. Juzı 1900.
BERLIN 1900.
VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
IN COMMISSION BEI GEORG REIMER.
Auszug aus dem Reglement für die Redaction der »Sitzungsberichte«.
& 7, 2. Diese erscheinen in einzelnen Stücken in Gross- Octav regelmässig Donnerstags acht Tage nach ämmtliehen zu einem Kalender-
Kategorien der Sitzungen fortlaufende römische Ordnungs- nummer, und zwar die nn über Sitzungen der physi- kalisch - mathematischen Clas erade, die über en der philosophisch - Shlörischen Classe ungerade Nummern
N 2: 1. Jeden Sitzungsberieht eröffnet eine Übersicht über die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit- n und über die zur Veröffentlichung geeigneten
n Sitzungsberichten über- Arbeiten, und zw
Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen Sitzungen gehö- rigen Stücken nieht erscheinen konnten.
85.
Den Bericht über jede einzelne Sitzung stellt der Secretar zusammen, welcher darin den Vorsitz hatte. Derselbe Secretar führt die Oberaufsicht über die Redac- tion und den Druck der in dem gleichen Stück erschei- nenden wissenschaftlichen Arbeiten.
6
1. Für die Aufnahme einer wissenschaftlichen Mit- theilung in die Sitzungsberichte gelten neben $ 41,2 der Statuten und $ 28 dieses Reglements die folgenden beson- deren Bestimmungen.
2. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in Oectav in der gewöhnlichen Sehrift der nee nicht übersteigen. Mittheilungen von Verfassern, welch der Akademie nicht Ra me sind auf die Hälfte Fe Umfanges beschränkt. Überschreitung dieser Grenzen ist nur nach ausdrücklicher Zuncmmuns der Ge demie oder der betreffenden Classe statthaft.
3. Abgesehen von sahen in den Text einzuschal- tenden Holzsehnitten sollen Abbildungen auf durcha aus
beschrän €
n i ig sind und von besonders Hesngebendn Tafeln die volle erforderliche Auflage eingeliefert ist.
$7. li. Eine für die Sitzungsberichte bestimmte wiss
nur auszugsweise oder auch in weiterer ee in deutscher Zrae veröffentlicht sein oder werden . Wenn der Verfasser einer aufgenommenen wisse
schaftlichen Mittheilung diese anderweit früher zu ver- öffentlichen beabsichtigt, als ihm dies nach den gelten- den Rechtsregeln zusteht, so bedarf er dazu der Ein- willigung der Gesammtakademie oder der betreffenden Classe.
wärts werden Coresiindi nur auf besonderes Ve a verschickt. r verziehten damit auf Erscheinen ihrer Mittheilungen nach acht Tagen.
den » Wissenschaftlichen ntgeltlich
. Der Verfasser einer unter
der nn mit Jahreszahl, ae, un e der Sitzung, darunter der Titel der Mittheilung und ia Name des Verfassers stehen.
Seiten füllen, fällt in der Regel der Umschlag fort.
Dem Verfasser steht frei, auf seine Kosten weitere gleiche Sonderabdrücke bis zur Zahl von noch zweihundert zu unentgeltlicher eigener Vertheilung abziehen zu lassen, sofern er hiervon rechtzeitig dem redigirenden Secre- tar Anzeige gemacht hat.
$ 28. Jede zur Aufnahme in die Sitzungsberichte be
scheinenden ger e zu überweise
Aus Stat. $41,2. — Für die Eilnlene bedarf e einer ausdrücklichen Genehmigung der Akademie oder einer der Classen. Ein darauf gerichteter Antrag kand s Manuseript druckfertig vorliegt gestellt und sogleich zur Abstimmung gebracht werden.]
9. l. Der redigirende Seeretar ist für den Inhalt des EEE Theils der Sitzungsberiehte, jedoch niebt e darin aufgenommenen kurzen Inhaltsangaben der iese wie
en- schaftliche Mittheilung darf in keinem Falle vor der Aus- nach ichtung nur die Verfasser verant- gabe des betreffenden Stückes anderweitig, sei es auch wortli a ——— kademie . ihre e » Sitzung “an diejenigen en sie im Schriftverkehr steht,
09
SITZUNGSBERICHTE 190. DER XXX
KÖNIGLICH PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
ZU BERLIN.
5. Juli. Sitzung der philosophisch -historischen Ulasse.
Vorsitzender Secretar: Hr. VAHLEN.
*], Hr. Dirrury las über Beziehung und Zusammenhang der Ideen SchLEIERMACHER's über Cultur und Staat.
Er legte den Einfluss Fıcnre’s auf das historische Denken dar, die Stellung SCHLEIERMACHER’s zur historischen Schule, den Zusammenhang der Ethik ScHLEIER- MACHER’S und seiner Staatslehre.
2. Herzog Lousar überreicht der Akademie durch Hrn. SacHAu seine Ausgabe des Manoscritto Messicano Vaticano 3738, genannt 'Codice Rios, in photochromographischer Reproduction, Rom 1900.
Ausgegeben am 12. Juli.
* erscheint nieht in den akademischen Schriften.
Sitzungsberichte 1900.
711
SITZUNGSBERICHTE 1900. DER XXXW.
KÖNIGLICH PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN |
ZU BERLIN.
5. Juli. Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe.
Vorsitzender Secretar: Hr. WALDEYER.
1. Hr. Wargure las: Über die Bildung des Ozons bei der
Spitzenentladung in Sauerstoff.
Bei dem maximalen Ozongehalt, welchen die elektrische Spitzenentladung in einem abgeschlossenen Sauerstoffvolumen hervorbringt, halten sich die ozonbildende und ozonzerstörende Wirkung des Stromes das Gleichgewicht. Beide Wirkungen lassen sich aus der Geschwindigkeit der Ozonisirung und dem maximalen Ozongehalt gesondert bestimmen. „Mit wachsender Temperatur nimmt der maximale Ozongehalt ab, weil die ozonzerstörende Wirkung der Entladung wächst, während die ozon- bildende Wirkung sich nur wenig ändert. Das Maximum des Ozongehalts ist bei der negativen Spitzenentladung grösser als bei der positiven, weil die ozonbildende Wirkung der negativen Entladung grösser ist als die der positiven, während die ozonzerstörende Wirkung beider Eollsdnssarien ungefähr die gleiche ist.
2. Hr. Munk legte eine Mittheilung von Hrn. Dr. Örro KALıscHer in Berlin vor über Grosshirnexstirpationen bei Papageien.
Partielle Grosshirnexstirpationen führen bei Papageien in Abhängigkeit von dem Orte des Eingriffs Störungen der Bewegung und der Empfindung an den Extremitäten herbei, entsprechend den bekannten Störungen bei Affen.
3. Hr. van’r Horr überreicht eine weitere Mittheilung der HH. LADENBURG und KrüseL in Breslau über das Krypton.
Die in der früheren Mittheilung ausgesprochene Vermuthung, dass das Krypton einen wesentlichen Bestandtheil der in flüssiger Luft schwebenden festen Substanz bilde, hat sich nicht bestätigt.
4. Hr. Hrımerr überreichte zwei Veröffentlichungen des Königlich Preussischen Geodätischen Institutes: » Astronomisch-geodätische Ar- beiten I. Ordnung« und »Das Mittelwasser der Östsee«.
65*
Über die Bildung des Ozons bei der Spitzen- entladung in Sauerstoft. Von E. WARBUR®.
81. Di. elektrische Entladung ruft in einem abgeschlossenen Sauerstoffvolumen Ozonisirung hervor, welche bei einem gewissen, von den Versuchsbedingungen abhängigen Betrage stehen bleibt. Es muss also zu der ozonbildenden Wirkung der Entladung eine ozonzerstörende Wirkung hinzutreten, welche bei einem gewissen Ozongehalt jener das Gleichgewicht hält. Da nun die spontane Desozonisirung, d.h. der Rückgang des Ozongehalts in dem sich selbst überlassenen Gasgemisch, für die Dauer der bis zur Sättigung fortgesetzten ÖOzonisirung ver- schwindend klein gemacht werden kann, so muss jene ozonzerstörende Wirkung der elektrischen Entladung selbst zugeschrieben werden, welche also auf den Sauerstoff im Gemisch ozonisirend, auf das Ozon des- ozonisirend wirkt.‘ Es fragt sich, ob man beide Wirkungen durch den Versuch gesondert bestimmen kann. Das ist möglich, wenn man nicht nur den Grenzwerth des Ozongehalts, sondern auch die Geschwin- digkeit seines Anwachsens in Betracht zieht.
$ 2. Seien in dem Gasgemisch n, Grammmoleküle Ozon, n, Sauer- stoff vorhanden. Wir nehmen an: ı. dass die Zusammensetzung des Gemisches überall die gleiche sei — eine Bedingung, welche zwar nie genau, aber bei der Spitzenentladung in kleinen Gefässen in Folge des elektrischen Windes vielleicht angenähert erfüllt ist —, 2. dass die Zahl der in der Secunde durch die Entladung gebildeten Ozon- moleküle der Zahl der im Cubikeentimeter enthaltenen Sauerstoffmole- küle, und die Zahl der in der Secunde durch die Entladung und durch spontane Desozonisation zerstörten Ozonmoleküle der Zahl der im Cubik- centimeter vorhandenen Ozonmoleküle proportional ist, d. h.
ul; (1) ®
dn, = b."2.dt—(a+a)).
! Siehe auch C. Ensrer, Historisch -kritische Studien über das Ozon. Aus Leo- poldina, Heft XV, Halle 1879.
Warsgurg: Bildung des Ozons bei der Spitzenentladung in Sauerstoff. 118
wo v» das Volumen des Gemisches bedeutet, 5b, a, a’ Constanten sind und a auf die ozonzerstörende Wirkung des Stromes, a’ auf die spon- tane Desozonisirung sich bezieht.
Nach der Constitution des Ozons, wenn n die Zahl der Sauerstoff- moleküle beim Ozongehalt ©:
2n = 3n, + 2n,. (2) Also, wenn b , eh Z=u u (3) ® ® ® , „38 an. = —-la+xX+ 5 .n,dt+B+ndi (4) oder endlich. wenn | 2 BELTER 2 ER. (5) Fr =: (6) 7 de = — .dt+B.dt. (7) Daraus PN. si er ee a (8)
wenn &, und &; bez. den Anfangs- und Endwerth von e bedeuten. Beginnt man mit reinem Sauerstoff, so ist 5 = 0.
Man bestimmt experimentell zusammengehörige Werthe von ? und eg sowie e, und findet dann
t-loge wo = rk F | Eu — 5 Endlich aus (5) und (7) B=7 at =”. (10) Ein Gemisch enthalte v,”" Ozon, v,'°“ Sauerstoff oder d, u = 106. -— ve, +0, Volumprocente Ozon. Es ist WW =ı:100> (1 1)
1-48
714 Sitzung der physikalisch - mathematischen Classe vom 5. Juli.
Fig. ı zeigt einen der benutzten Apparate in gebrauchs- fertigem Zustand." Das Ozonisirungsgefäss 0 ist mit dem Hülfsgefäss 7 durch das capillare Messrohr ABC verbunden. Vor der Füllung sind bei o und Ah dreimal recht- winklig umgebogene Biegröhren angesetzt; die Capillare ist bei 5 offen. Nachdem der Apparat sehr sorgfältig mit starken Säuren, Wasser, Alko- hol und Aether gereinigt ist, bringt man die Ge- fässe O und H in einem Luftbade auf 250- 300° und lässt aus dem mit chlorsaurem Kali beschick- ten Entwickelungskolben einen über Natronkalk und Phosphorpentoxyd geleiteten Sauerstoffstrom in das mit o verbundene Biegrohr eintreten. Das Gas entweicht theils aus dem mit % verbundenen Biegrohr, theils bei d unter Schwefelsäure. Nach einer Stunde lässt man den Apparat sich ab- kühlen, unterhält den Gasstrom noch eine halbe Stunde und schmilzt alsdann erst bei o, dann bei hab. Demnächst bringt man die Gefässe O und H in ein Bad von passender Temperatur, so dass die Schwefelsäure in dem U-förmigen verticalen Messrohr eine schickliche Höhe erreicht, notirt den Druck und die Temperatur des Gases und schmilzt bei 5 zu. Endlich befestigt man hinter dem Messrohr eine in Doppelmillimeter getheilte Scala und bringt die Gefässe O und H in ein Bad von der gewünschten Temperatur.
Wenn nach theilweiser Ozonisirung des Gases in O die Gefässe die Badtemperatur wieder an- genommen haben, ist die Schwefelsäure in dem O zugekehrten Schenkel des Messrohrs um y Dop- pelmillimeter gestiegen. Aus y findet man e bez. den Ozongehalt » (Gleichung ı 1) nach der Formel:
u A 13 y 2:8, (12) un a + Kr RT BAER (% BB n Hier bedeutet p, den mit der Temperatur veränderlichen Druck des Gases vor der Ozonisirung in Centimeter Quecksilber; y das Vo-
! Die hier gebrauchte Differentialmethode liegt auch einem Demonstrationsapparat von von Baeo zu Grunde (Differentialozonometer, Ann. d. Chemie u. Pharmacie, Suppl.- Band IIl, S. 283, 1863).
Warsgure: Bildung des Ozons bei der Spitzenentladung in Sauerstoff. 715
lumen der Capillare per Centimeter; V,, V! die Volumina der Gefässe OÖ, H; so, und o die BPSHHRERER Gewichte bez. der Schwefelsäure und des Quecksilbers.
$ 4. Das Verfahren bei den Versuchen war das folgende. Nach- dem die Einstellung des Meniscus in der Messröhre eonstant geworden ist, wird eine gewisse Zeit £, hindurch der Sauerstoff in O ozonisirt. Nach Unterbrechung des Stromes steht wegen der Stromwärme der Meniscus in dem O zugekehrten Theil der Messröhre tiefer als vor der Ozonisirung, steigt aber alsbald und steht nach dem durch Rühren beförderten Ausgleich der Temperatur um y, Doppelmillimeter höher als vor der Ozonisirung. So fortfahrend beobachtet man nach £, Secunden dauernder Ozonisirung eine Verschiebung %y, im Messrohr u.s.f. Man erhält so eine Reihe zusammengehöriger Werthe von t und y, nämlich t,95 b+t.,y,+y, u.s.f., welche zur Prüfung der Gleichung (8) oder zur Berechnung von # nach (9) benutzt werden können, wobei &,=0O zu setzen ist. Aus dem Grenzwerth von %,y., findet man gs, nach (12) und endlich aus (10) 8 sowie &+«. « wird durch besonderen Versuch bestimmt.
$5. Es ist hierbei angenommen, dass die spontane Desozoni- sation während des Ausgleichs der Temperatur nach jeder partiellen Özonisirung vernachlässigt werden kann. Ist das nicht der Fall, so verfährt man folgendermaassen. Aus (8) ergiebt sich mit ,=0
te (13)
Sei durch die Ozonisirung im Intervall 4, y von 4" auf y" ge- stiegen, während des Ausgleichs der Temperatur finde spontane Des- ozonisation entsprechend Ay statt. Man setzt alsdann in (13)
u tr a Ver y 2 dt &
und erhält so wiederum eine Reihe von Werthen für 9.
$ 6. Nach Beendigung einer Versuchsreihe setzt man die Ge- fässe O und H einige Zeit lang im Ölbade einer Temperatur von 200° aus, wodurch das Ozon zerstört und der Apparat zu einer neuen Ver- suchsreihe bereit gemacht wird. Dabei blieb nach der ersten Ozoni- sirung eine dauernde Volumverminderung, entsprechend 1-2 Doppel- millimeter, übrig, was wohl von einer kleinen Menge im Apparat zurückgebliebener oxydabler Substanz herrührt. Die folgenden Ozoni- sirungen liessen nach erfolgter Desozonisation das Volumen ungeändert.
$7. Für den in Fig. ı dargestellten Apparat ist V, = ı““"27, V, = 1.14, y= 0.00124, p,—= 72.3 bei 16°, q daher bei dieser Tem-
o
116 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 5. Juli.
peratur 0.00231. Die eine Elektrode e,, die Spitzenelektrode, ist ein o"”o5 dicker, die andere e,, die Erdelektrode, ein o””5 dicker, zur Vergrösserung der Oberfläche U-förmig umgebogener Platindraht. e, wurde mit der negativen Elektrode einer durch einen Elektromotor betriebenen Elektrisirmaschine verbunden, e, über ein Galvanometer zur Erde abgeleitet. Im Dunklen zeigten sich alsdann an dem dünnen Draht schwache Lichtpünktchen, während an dem dicken Draht kein Lieht bemerkt wurde. Diese Entladungsform fällt also unter die früher von mir untersuchte und charakterisirte Spitzenentladung.' Nur die negative Spitzenentladung war mit diesem Apparat erhältlich; wurde e, zur Anode gemacht, so trat stets Funkenentladung ein. Alle Ver- suche mit demselben Apparat wurden bei derselben, durch einen Spitzennebenschluss regulirten Stromstärke angestellt. Das an einem Elektrometer abgelesene Spitzenpotential ging mit zunehmender Ozoni- sirung etwas in die Höhe, was früheren Erfahrungen entspricht.’
$ 8. Die spontane Desozonisation wurde an diesem Apparat nach Beendigung der Versuche 135 Stunden lang bei 17-19° verfolgt. Es ergab sich, indem ? in Stunden ausgedrückt ist:
t Orr. 0.990205 7 eo 1130 7 a ee 14.2 ER ir 9.2 1 6.6 5.7
He 14.3 2:5 9158 90° 9,5 6.8 5.8 Aus (4) ergiebt sich für diesen Fall, indem Se N eo Vaay»e,
Die Werthe der letzten Zeile wurden mit & = 0.00703 Surde =
I . . . “ ze 0.000117 ya Y = 15 berechnet und stimmen einigermaassen mit
den beobachteten Werthen überein.
$ 9. Ich verzeichne hierunter zunächst die Mittelwerthe von drei nach $ 4 angestellten Versuchsreihen bei 17°. Die Gefässe O und H befanden sich in einem Petroleumbade. Der Ausgleich der Tempe- ratur nahm höchstens 4 Minuten in Anspruch, für welche Zeit die spontane Desozonisation nach $ 8 gänzlich zu vernachlässigen ist. Indem die Stromstärke auf 25 Mikroampere gehalten wurde, stieg das Spitzenpotential mit zunehmendem ÖOzongehalt von 7400 auf 3100 Volt. Die Zeit £ ist von jetzt an immer in Minuten angegeben.
0,8 I 2 4 8 16° 7.453 7,2 10.9 13,7 14.8 - 15.1 ‘ a Eee
Y A18. 732. 10,08 1408 100 16,1
! Ann. d. Physik (4) 2, 295. 2 A. 0. 8,312
ee ne al te ie RR RE EEE a ee EN a Ne
Warsur6: Bildung des Ozons bei der Spitzenentladung in Sauerstoff. 717
Nach der dritten Zeile wächst # mit wachsendem Ozongehalt; d.h. dass mit wachsendem Ozongehalt die Geschwindigkeit der Ozon- bildung langsamer abnimmt, als der Ansatz (1) verlangt. Dieses Ver- halten hat sich beinahe in allen Fällen gezeigt und rührt wohl davon her, dass die Annahme ı des $ 2, nach welcher die Zusammensetzung des Gasgemisches gleichförmig ist, nicht genau genug zutrifft. Gleich- wohl lässt sich mit dem Mittelwerth von # = 1.55 die Beobachtungs- reihe nach (8) leidlich darstellen, wie aus der vierten Zeile hervorgeht. Ich lege daher diesen Werth von 5 der weiteren Berechnung zu Grunde und finde e, = 0.00230-15.1 = 0.0347; ß = 0.0223 as a+a= 0.612 yo:
Nach $8S ist hier « gegen & gänzlich zu vernachlässigen. In Folge der aus $ 2 sich ergebenden Bedeutung der Grössen 8 und « lässt sich das Ergebniss so aussprechen, dass bei 17° durch die Ein- wirkung der Spitzenentladung von der benutzten Stärke in der Minute 2.2 Procent der im Apparat vorhandenen Sauerstoffmoleküle in ebenso viele Ozonmoleküle verwandelt, gleichzeitig aber 61 Procent der vorhandenen Ozonmoleküle desozonisirt werden.
$1o. Derartige Versuche wurden nun bei verschiedenen Tempera- turen zwischen —71° und -+93° angestellt.
Bei den höheren Fepgeen befanden sich die Gefässe O und H in einem Ölbade. Nur bei +93° musste nach $ 5 gerechnet werden, da die spontane Desozonisirung hier während des Ausgleichs der Tempe- ratur nicht ganz zu vernachlässigen war. x war = 0.0067, auch hier gänzlich verschwindend gegen «. Während der Stromdauer kommt also die spontane Desozonisirung gegen die desozonisirende Wirkung des Stromes auch hier nicht in Betracht.
Bei 0° und —71° befanden sich die Gefässe in einem Aetherbade. Bei 0° war bei einem Ozongehalt w = 4.19 der Grenzwerth der Ozoni- sirung noch nicht ganz erreicht. Als aber versucht wurde, die Ozoni- sirung fortzusetzen, ging die Spitzenentladung in die Funkenentladung über, was sofort einen Rückgang des Ozongehalts zur Folge hatte.' &, ist also hier ein wenig unterschätzt.
Bei —71° endlich, einer Temperatur, welche in bekannter Weise durch Kohlensäureschnee und Aether hervorgebracht wurde, hatte nach 4 Minuten Ozonisirung der Ozongehalt » den Werth 4.6 erreicht. Als- dann ging die Spitzenentladung in die Funkenentladung über, und es war, wie aus vielen Versuchen hervorging, nicht möglich, die Spitzen- entladung zu erhalten. Es blieb nichts übrig, als in Gleichung (8) 9 und &, als Unbekannte anzusehen, was bei der im $ 9 dargelegten
! Te. Anprews und P. G. Tarr, Phil. Trans. Vol. 150, I, 117, 1860.
718 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 5. Juli.
mangelhaften Übereinstimmung der Formel mit der Beobachtung nur zu einer Schätzung führen kann.
Um die Ergebnisse für die verschiedenen Temperaturen möglichst vergleichbar zu machen, wurde 9 überall aus den drei ersten Beob- achtungen abgeleitet.
Die folgende Tabelle enthält die bei den verschiedenen Tempe- raturen gefundenen Werthe von 9, w., ß, &.
Temperatur Woo 9 ß a +93? 1.23 0.690 0.0177 1.420 50 2:32 1.03 0.0214 0.939 17 4.53 1.54 0.0225 0.616 6) 4.19 1.87 0.0219 0.503 —71 5.74 2.41 0.0232 0.380
In Fig. 2 ist der Verlauf von 8, &, w„ als Function der Temperatur graphisch dargestellt.
Fig. 2. +10) v4 4 w4 10 ve X e£ A % -. mn 5 aan ER BEBe as“ mn ee a BORD Ben. -50° ef +50° +100°
Es sei noch daran erinnert, dass in Folge der Versuchsanordnung bei den verschiedenen Temperaturen die Dichtigkeit des Gases unge- ändert blieb.
Die Tabelle zeigt zunächst in der zweiten Columne die bekannte Thatsache, dass der zu erreichende maximale Ozongehalt mit steigender Temperatur abnimmt, ferner aber in den folgenden Columnen die Ur-
‚sache hiervon. Es ist nämlich 8 mit der Temperatur nur wenig ver-
Warsgurg: Bildung des Ozons bei der Spitzenentladung in Sauerstoff. ‘19
änderlich, während < von 0° bis +93° beinahe auf den dreifachen Werth steigt. Nun ergiebt sich aus (10), indem «= 0 gesetzt wird,
2
22 + 38
Mit steigender Temperatur nimmt also die maximale durch die Entladung zu erzielende Ozonisirung e, der Hauptsache nach nicht deshalb ab, weil die ozonbildende Wirkung des Stromes ab-, sondern weil die ozonzerstörende Wirkung des Stromes zunimmt.
$ı1ı. Fig. 3 zeigt das Ozonisirungsgefäss des zweiten von mir benutzten Differentialozonometers. +, ist die Spitzenelektrode aus o"”o5 Fig.3. diekem Platindraht, e, die Erdelektrode, ein halbeylindri-
f sches, an den Rändern umgebogenes Platinblech. Es war
—= V) = 7""s, q= 0.00168 bei 11°8. In diesem Gefäss war sowohl die negative wie die positive Spitzenentladung erhältlich; in beiden Fällen erschienen an dem dünnen Draht im Dunkeln schwach sichtbare leuchtende Pünktchen, wäh- rend die Erdelektrode dunkel blieb.
Die spontane D ti indigkeit fand ich nach frischer Reinigung jedes Mal verändert. In dem Zustande, auf welchen die folgenden Versuche sich beziehen, war die spontane Desozonisation allerdings bei —7 1° in einer halben Stunde noch nicht merklich, konnte aber schon bei o° nicht vernachlässigt werden. Es wurde daher nach $ 5 gerechnet. Die Beobachtungen wichen von der theoretischen Formel in demselben Sinne und etwa in demselben Maasse ab wie bei dem ersten Apparat (S 9).
Die Stromstärke wurde immer auf 33 Mikroampere gehalten. Die Ergebnisse sind in der folgenden Tabelle verzeichnet.
oo
4 nat. Gr.
Negatives Spitzenpotential.
Temperatur Woo 9 ß ara! +48° 2.41 2.90 0.00824 0.332 19 3.38 4.102 0.00807 0.231
6) 4.45 4:73 0.00924 0.198
Positives Spitzenpotential.
Temperatur Woo 9 ß ara +48° 0.81 3.34 0.00243 0.297 19 1.06 4.22 0.00258 0.233
16) 1.42 5.08 0.00278 0.193
Bei 48° wurde «’ = 0.014 gefunden, d. h. 4-5 Procent von «. Also auch in diesem Apparat ist die spontane Desozonisation noch klein gegen die desozonisirende Wirkung des Stromes.
Im Übrigen ergeben sich aus der Tabelle folgende Schlüsse:
720 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 5. Juli.
I. Der maximale Ozongehalt ist in dem benutzten Apparat für die negative Spitzenentladung ungefähr dreimal so gross als für die positive."
Wurde das durch die negative Entladung bis zur Sättigung ozoni- sirte Gasgemisch der positiven Entladung ausgesetzt, so ging der Ozon- gehalt auf den durch die positive Entladung zu erzielenden Maximal- werth "zurück; eine Bestätigung der im $ ı gegebenen Darstellung.
2. Die Ursache davon, dass durch die negative Spitzenentladung ein höherer Ozongehalt als durch die positive erzielt wird, liegt darin, dass die durch 8 gemessene ozonbildende Wirkung des Stromes für die negative Entladung ungefähr dreimal so gross ist als für die po- sitive, während die durch & gemessene ozonzerstörende Wirkung für beide Entladungen ungefähr den gleichen Werth hat.
3. Der Temperatureinfluss ist ungefähr derselbe für die positive wie für die negative Entladung.
$ ı2. Leitet man Sauerstoff durch einen der gebräuchlichen Ozo- nisirungsapparate von SIEMEns, von BABo, KoLBE-BERTHELOT u. A., so hängt der Ozongehalt des austretenden Gases von den beiden Con- stanten # und 8 ab und kann zu allgemeineren Schlüssen in der Regel nicht verwerthet werden. Doch ist dieser Fall von praktischem Inter- esse für die Ozonbereitung.
Wir wollen annehmen, dass das Gas auf seinem Wege durch den Apparat der ozonisirenden Wirkung der Entladung gleichförmig aus- gesetzt sei. Ist / die Zeit, während deren es im Apparat verweilt, und werden die für die Spitzenentladung gefundenen Gesetze auch hier als gültig angenommen, so ist für das austretende Gas angenähert
t .1= st —— ).
t Ist nun r} sehr klein oder die Geschwindigkeit des Gasstromes sehr gross, so ist nahezu t might (14)
Es ist also in diesem Fall der OÖzongehalt » des austretenden Ge- misches nur von der Constante 8 abhängig, welche nach $ 10 bei con- stanter Dichte von der Temperatur zwischen 0° und + 50° nahezu.,un- abhängig ist. Während nun gewöhnlich angegeben wird, dass die Ozonisation des Sauerstoffs mit abnehmender Temperatur zunimmt, fand von Baso” bei einem derartigen Versuch die Ozonmenge in 250°" des
! Siehe auch A. Hovzeau, Ann, chim. et phys.(4) T. 22, 154, 1871; Bienar und Gunrz, Ann. chim. et phys. (6) T. 19, 135, 1890. 2 vos Baso a.a.0.
Warsurg: Bildung des Ozons bei der Spitzenentladung in Sauerstoff. 721
aufgefangenen Gases zwischen —21° und +50° von der Temperatur der Ozonisationsröhre unabhängig. Dieses auffällige Ergebniss kann nach dem Vorstehenden erklärt werden, wenn man annimmt, dass bei den von Bago’schen Versuchen die Geschwindigkeit des Gasstromes hinreichend gross war und dass auch bei constantem Druck innerhalb der hier in Betracht kommenden Temperaturgrenzen 8 mit der Tem- peratur nur wenig sich ändert.
Ist % die Geschwindigkeit des Stromes am Eingang der Röhre, q deren Querschnitt, so ist das in der Secunde gelieferte Ozonvolumen N, gemessen bei dem Druck des eintretenden Gases
2= gu... Für grosse Geschwindigkeit u wird nach (14) 2 = g-u-Bet. Vernachlässigt man die Geschwindigkeitsänderung des Gasstromes in Folge der Dichtigkeitsänderung bei der Ozonisirung, so ist = n wo
/ die Länge des Rohres, und man findet für grosse ieh des Gasstromes
2=g: ß» e unabhängig von der Geschwindigkeit u.
OÖ. Frörıcn' fand in der That bei solehen Versuchen, dass »die Ozonbildung mit der Geschwindigkeit, mit welcher der Sauerstoff durch die Röhre geführt wird, steigt und mit steigender Durchleitungs- geschwindigkeit asymptotisch einen Maximalwerth erreicht, welcher auch bei den grössten praktisch anwendbaren Geschwindigkeiten sich nicht mehr zu ändern scheint«.
! Elektrotechn. Zeitschr., Jahrg. XI, 342, 1891.
I IND ID
Über Grosshirnexstirpationen bei Papageien.
Von Dr. Orro KALIiscHER
in Berlin.
(Vorgelegt von Hrn. Mvsk.)
Wänrena bei den bisher genauer untersuchten Vögeln nach Entfer- nung einer Grosshirnhemisphaere keine Störungen der Bewegung be- obachtet sind, habe ich bei Papageien, denen ich entweder eine Grosshirnhemisphaere oder Theile derselben exstirpirte, deutlich aus- gesprochene Störungen der Bewegung auftreten sehen. Die ersten Beobachtungen dieser Art machte ich bei zwei Papageien (einer Ama- zone und einem Sittich), bei welchen ich zwecks Ermittelung des Sprach- centrums eine ganze Grosshirnhemisphaere entfernt hatte. Es war bei diesen 'Thieren nach der Operation in der gegenseitigen Körperhälfte eine vollständige Lähmung zu constatiren. Leider nahmen die Thiere keine Nahrung zu sich, tranken auch nicht, so dass das eine nach drei Tagen, das andere nach fünf Tagen (trotz künstlicher Zufuhr von Milch) zu Grunde ging. In diesen fünf Tagen war bei dem Thiere keine sichtliche Besserung der Lähmung erfolgt. Es konnte dasselbe nicht auf der Stange sitzen, aber auch auf dem Boden verlor es leicht das Gleichgewicht und fiel nach der gelähmten linken Seite hin um: es stand meist mit der gelähmten Seite an die Wand gelehnt. Die Zehen des gelähmten Fusses waren eingeschlagen: Bewegungen wurden mit dem Beine fast gar nicht ausgeführt. Die Störungen der Flügel- bewegung traten hervor, wenn man das Thier aufscheuchte. Während dabei der rechte Flügel wie vorher ausgebreitet wurde, nahm der linke an der Bewegung nur in unbedeutendem Umfange Theil; nur eine Andeutung von Mitbewegung war erkennbar.
Nach diesen beiden Versuchen ging ich dazu über, Theile von der Oberfläche des Gehirnes zu entfernen, in der Hoffnung, nach solehen minderen Eingriffen die Thiere länger am Leben erhalten zu können. Die in dieser Weise operirten Thiere (eine Amazone und drei Kakadus) nahmen kurze Zeit nach dem Eingriff (nach etwa zwei Tagen) von selbst Nahrung zu sich, waren alsbald ganz munter und konnten beliebig lange am Leben erhalten werden.
O. Karıscher: Über Grosshirnexstirpationen bei Papageien. 123
Die Operation selbst, um das kurz zu erwähnen, bietet keine be- sonderen Schwierigkeiten. Die Thiere wurden mit Aether betäubt, der Schädel in genügender Ausdehnung trepanirt, die Dura gespalten und zurückgeschlagen und danach die oberflächlichen Hirnpartien flach abgetragen, nachdem sie durch Einschnitte mit dem Messer isolirt worden waren. Blutungen, die fast niemals erheblich waren, wurden in kurzer Zeit gestillt.
Bei allen Thieren entstanden im Anschluss an die Operation Stö- rungen der Bewegung, welche sich nur entsprechend der Ausdehnung des exstirpirten Gehirnbezirkes von einander unterschieden. Die Stö- rungen betrafen stets die der Operationsstelle entgegengesetzte Körper- hälfte und waren besonders an Flügel und Bein deutlich zu erkennen. Nehmen wir an, dass Theile der rechten Grosshirnhemisphaere ent- fernt waren, so wurden das linke Bein und der linke Fuss schlecht und ungeschickt bewegt. Abgesehen davon, dass der Fuss nicht mehr zum Schnabel geführt werden konnte, wie es vor der Operation ge- schah, so wurde die Stange, auf der der Papagei alsbald nach der Operation zu sitzen vermochte, von dem linken Fusse nur mit unbe- deutender Kraft festgehalten, was besonders die Vergleichung mit dem rechten Fusse lehrte. Hob das Thier den rechten Fuss in die Höhe, so verlor es leicht das Gleichgewicht, da der linke nicht hinreichend fest die Stange zu umklammern vermochte. Die Störungen, die am linken Flügel zur Beobachtung kamen, bestanden darin, dass der Flügel nicht mehr gleichmässig mit dem anderen Flügel bewegt und ausge- breitet wurde. Scheuchte man das Thier auf, so trat diese Asymmetrie in der Flügelausbreitung deutlich hervor. Die bestehende Störung machte sich dann weiter bemerkbar, wenn das Thier die Flügel wieder einzuziehen suchte. Während der rechte Flügel mit Kraft und Schnellig- keit seinen Platz an der Seite des Thieres erreichte, verharrte der linke ausgebreitete Flügel noch einige Zeit in dieser Stellung, und man konnte erkennen, dass es dem TThiere grosse Schwierigkeit machte, den gelähmten Flügel wieder in seine gewöhnliche Lage zurückzu- bringen. Aber auch nachdem dies gelungen war, salı man, dass der Flügel weniger dicht dem Körper sich angelegt hatte als der rechte. Versuchte man die Flügel vom Körper mit einem Stabe abzuziehen und auszubreiten, so gelang dies leicht mit dem linken geschädigten Flügel, während man bei dem rechten auf erheblichen Widerstand stiess.
Aber nicht nur Störungen motorischer Natur kamen in Folge der Hirnexstirpationen zur Beobachtung; mit ihnen waren vielmehr gleich- zeitig stets Störungen sensibler Natur verbunden; und es liess sich feststellen, dass ein und dieselbe Hirnpartie Functionen besitzt, welche zum Theil motorischer, zum Theil sensibler Art sind. Berührte man
124 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 5. Juli.
oder drückte man leicht bei dem, sagen wir rechts operirten 'Thiere den linken Fuss oder seine Zehen, so reagirte das Thier nicht; erst bei stärkerem Druck wurde der Fuss weggezogen, nachdem das Thier sichtlich Schmerz empfunden hatte. Dagegen hatte bei dem rechten Fusse schon eine geringfügige Berührung das Wegziehen und Hoch- heben des Fusses zur Folge.
Die Empfindlichkeit war jedoch nicht nur im Bereiche des Fusses, sondern auch an dem linken Flügel verändert. Berührte man diesen Flügel vorsichtig und suchte man ihn, ohne das Thier im Ganzen zu erschüttern, vom Körper abzuziehen, so wehrte sich das Thier zu- nächst dagegen nicht, während beim rechten Flügel dieser Versuch alsbald Abwehrbewegungen hervorrief. Erst bei stärkerem Druck traten solche Bewegungen auch beim linken Flügel ein. Es waren somit an der linken Seite die Tast- und Druckempfindungen gestört.
Auch die Lageempfindung dieser Körpertheile, des Beines und des Flügels, hatte gelitten. Besonders am Beine liess sich dieser Ver- lust gut demonstriren. An dem rechts operirten Papagei konnte man, wenn er auf der Stange sass, das linke Bein von der Stange weg- nehmen und in verschiedene Stellungen bringen, ohne dass Abwehr- bewegungen erfolgten. Liess man es vor der Stange herunterhängen, so verging einige Zeit, bis das Thier eine Änderung bewirkte. Ein Vergleich mit dem anderen Beine, bei welchem diese Versuche un- ausführbar waren, bestätigte das abweichende Verhalten des geschö- digten Beines. Bei dem Bemühen des Thieres, den herunterhängenden Fuss wieder auf die Stange zu bringen, griff es erst mehrmals vorbei, ehe es ihm gelang, dieselbe sicher zu fassen. Aber auch die Art und Weise, wie der Fuss aufgesetzt wurde, war zu beachten. Während normalerweise die Stange von dem Fuss in der Weise festgehalten wird, dass die zwei mittleren Zehen nach vorn, die zwei äusseren nach hinten hinübergreifen, fand sich bei dem geschädigten Fuss ein ganz wechselndes Verhalten; bald sahen wir zwei, bald drei Zehen vorn, ohne dass eine Regelmässigkeit bestand. Kletterte das Thier am Drahtkäfige in die Höhe, so bereitete ihm das Zugreifen mit dem geschädigten Fusse sichtlich Schwierigkeiten, es griff häufig vorbei und zwischen den Drahtstäben hindurch; hatte es alsdann mit dem Fusse glücklich zwei Drahtstäbe umfasst, so konnte man häufig be- obachten, dass das Thier in Folge mangelnder motorischer Kraft dieses Fusses an den Drahtstäben herunterglitt.
Es ist nun besonders bemerkenswerth — und ich werde später darauf nochmals ausführlicher zurückkommen —, dass all die beschrie- benen Erscheinungen, die motorischen wie sensiblen Störungen, vor- nehmlich deutlich waren und ausgeprägt bestanden bei einem älte-
ee ae A a a Fe Ka aa ann er nah
O. Karıscher: Über Grosshirnexstirpationen bei Papageien. 125
ren Papagei (Kakadu), welcher vor der Operation seinen linken Fuss bestens zu benutzen gewusst und z.B. bei dem Erfassen von darge- botenen Zuckerstücken und in der Art, wie er dieselben zum Schnabel führte, eine grosse Geschicklichkeit bewiesen und zierliche Bewegun- gen der Zehen gezeigt hatte. Hier bot das linke Bein alsbald nach der Operation weit stärkere Störungen dar, als bei den jüngeren in gleicher Ausdehnung operirten Thieren, die noch nicht gelernt hatten, den Fuss in so geschickter Weise zu gebrauchen.
Von Tag zu Tag machte sich bei den beschriebenen, im Anschluss an die Operation entstandenen Störungen eine Besserung bemerkbar. Es kam zu einer Wiederherstellung der geschädigten Function, und die Besserung nahm bei den jüngeren Papageien so schnell zu, dass die wesentlichsten Folgen der Operation sich nach etwa drei bis vier Wochen fast ganz zurückgebildet hatten und nur bei aufmerksamer Beobachtung sich noch ein Rest der ursprünglichen Störung erkennen liess. Dabei ist zu erwähnen, dass die Störungen der Flügelbewegung sich schneller ausglichen als die Störungen des geschädigten Beines. Bei dem oben erwähnten älteren Kakadu waren im Gegensatz zu den jün- geren Thieren die Störungen der Bewegung und Empfindung auch nach drei Wochen noch deutlich erkennbar; es war wohl auch eine Besserung eingetreten. aber es liessen sich, als das Thier nach drei Wochen ge- tödtet wurde, die Störungen doch noch deutlich demonstriren.
Bei den verschiedenen Exstirpationsversuchen wurden verschie- dene Stellen der Grosshirnoberfläche entfernt, und es zeigte sich, dass die Störungen des Flügels und des Beines bez. Fusses an die Exstir- pation verschiedener Bezirke gebunden waren. Unschwer kann man an dem verhältnissmässig grossen Gehirne der Papageien einen Frontal-, einen Parietal- und einen Oceipitallappen unterscheiden; dieselben sind bei jüngeren Thieren durch seichtere, bei älteren Thieren durch besser ausgeprägte Furchen von einander geschieden. Systematische Versuchs- reihen habe ich noch nicht ausgeführt; soviel lehren aber die bis- herigen Versuche, dass Störungen der Flügelbewegung mehr in den Vordergrund treten nach Exstirpation weiter vorn (in der Gegend des Frontallappens) gelegener Hirnpartien, während Exstirpationen eines weiter hinten (im Parietallappen) gelegenen Bezirkes Störungen der Bein- und Fussbewegung nach sich ziehen. Ich habe einen Papagei gehabt, bei welchem sich die Bewegungsstörung auf den Flügel, einen anderen, bei welchem sich die Bewegungsstörung auf das Bein be- schränkte. Je grösser die Exstirpation, um so auffälliger tritt die Störung hervor.
Beiläufig sei erwähnt, dass nach Verletzung des Oceipitallappens Sehstörungen eintraten; weitere Untersuchungen müssen darüber Auf-
Sitzungsberichte 1900. 66
726 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 5. Juli.
schluss geben, ob, wie es den Anschein hatte, beim Papagei eine unvollkommene Kreuzung der Nn. optiei besteht.
Hr. Prof. H. Munk, welehem ich für die Erlaubniss, diese Unter- suchungen in seinem Laboratorium ausführen zu dürfen und für das dem Fortgange der Untersuchungen gewidmete Interesse meinen Dank hier aussprechen möchte, machte mich wiederholentlich auf die grosse Übereinstimmung aufmerksam, welche zwischen diesen Versuchsergeb- nissen bei Papageien und den von ihm bei Hunden und Affen nach Abtragung der Extremitätenregionen erzielten Operationsresultaten' bestände. |
Die erwähnten, im Anschluss an die Exstirpationen der Gross- hirnoberfläche auftretenden Bewegungsstörungen liessen das Vorhanden- sein von Pyramidenbahnen, wie sie bei Säugern bestehen, erwarten. Bei der zur eventuellen anatomischen Feststellung dieser Bahnen an einem nach drei Wochen und an einem nach fünf Wochen getödteten Kakadu mittelst der Marcnr’schen Methode vorgenommenen Unter- suchung des Rückenmarks und der Medulla oblongata wurde eine Strangdegeneration nicht gefunden. Doch werden darüber, ob eine Pyramidenbahn besteht oder nicht, sowie über den Verlauf der sonst in Betracht kommenden Bahnen erst weitere Untersuchungen zu ent- scheiden haben.
! Hermann Musk, Über die Fühlsphaeren der Grosshirnrinde. Sitzungsber. d. Königl. Preuss. Akad. d. Wiss., Mittheilung 1-5, 1892— 1896.
127
Über das Krypton.
Von Prof. A. Lapengure und Dr. C. Krüger
in Breslau.
Zweite Mittheilung.
(Vorgelegt von Hrn. vaw’r Horr.)
Im Anschluss an die vör Kurzem eingereichte Abhandlung über dieses seltene Element wollen wir heute mittheilen, dass es uns nicht ge- lungen ist, eine ergiebigere und kürzere Darstellungsmethode für das Krypton aufzufinden.
Wenn man nämlich, wie dies in der vorigen Mittheilung ange- deutet ist, 3 Liter flüssige Luft einige Tage in versilberten Drwar- schen Flaschen stehen lässt und dann von dem halbfesten Brei, der sich unten abgesetzt hat, vorsichtig abgiesst, den Rückstand ver- dunsten lässt und das Gas auffängt, so erhält man ein Product, wel- ches auffallend wenig CO, enthält und, wie eine nähere Untersuchung zeigte, ausserdem nur aus Sauerstoff, etwa 70 Procent, Stickstoff, etwa 28-29 Procent, und Argon, etwa ı Procent, besteht.
Dieses Gas wurde, um es von Sauerstoff und Stickstoff zu be- freien, nach dem Trocknen über vorher von Wasserstoff und Stickstoff befreites glühendes Magnesium und dann über erhitztes Kupferoxyd mehrfach geleitet. Um die letzten Reste von Stickstoff zu entfernen, wurde es wieder, mit Sauerstoff gemengt, über Kalilauge gefunkt. Als- dann wurde es vom Sauerstoff befreit, getrocknet und über Quecksilber aufgefangen, wodurch noch etwa ı Procent des ursprünglichen Gasvolu- mens erhalten wurde. Dasselbe ward nun in flüssiger Luft verdichtet, wodurch eine ganz klare Flüssigkeit, ohne eine Spur von Kry- stallen, entstand. Der Siedepunkt derselben lag etwa bei —ı81?2 bis —ı74°, es war also nahezu reines Argon, das höchstens mit Spuren von Krypton gemengt war.
Die Untersuchung des Rückstandes der am Lmwpe’schen Apparat befestigten Dewar’schen Flasche lieferte keine anderen Resultate. Auch hier entstand bei der Verdichtung nur eine Flüssigkeit ohne Spuren von Krystallen, und der Siedepunkt lag unter —ı70°.
66*
128 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 5. Juli.
Daraus geht hervor, dass das ganze Krypton der Atmosphaere in der flüssigen Luft gelöst enthalten ist und dass also nicht wesent- lich mehr darin vorkommt, als wir daraus isolirt haben. Da wir von 850 Liter flüssiger Luft ausgingen und nach unseren früheren Bestim- mungen' ı Liter flüssiger Luft etwa 1“% wiegt, so betrug das Ausgangs- material 850000°. Erhalten wurden daraus etwa 32° Krypton, d.h. 0°083, oder 0.0000001 des Ausgangsmaterials, d.h. 0.00001 Procent. Nimmt man an, dass bei der Verarbeitung die Hälfte verloren wurde (was übrigens nicht wahrscheinlich ist), so kommt man schätzungsweise zu einem Gehalt von 0.00002 Procent Krypton in der Atmosphaere.
Nachdem durch diese Versuche die grosse Seltenheit des Kryptons nachgewiesen und keine Aussicht vorhanden war, zunächst grössere Mengen dieses Körpers zu gewinnen, schien es uns von Wichtigkeit, unser Product, das durch nochmaliges Funken (s. erste Abhandlung) und durch Herstellung einer grösseren Anzahl von Speetralröhren auf 23° herabgedrückt worden war, noch weiter auf seine Einheitlich- keit zu untersuchen. Dazu schien uns eine neue Fractionirung der beste Weg. Deshalb ward das Gas wieder in flüssiger Luft verdichtet (vergl. die erste Abhandlung), wobei die Condensationsröhre sich mit einem krystallinischen Überzug bedeckte, aber keine Flüssigkeit ent- stand. Dann wurde durch Verminderung des Drucks und Temperatur- erhöhung die Verdunstung ermöglicht und das Product in zwei ver- schiedenen Gasometern aufgefangen, so dass in dem ersten etwa ein Drittel, in dem zweiten der Rest aufgefangen wurde. Von dem Gas der ‚ zweiten Flasche wurde nun wieder eine Dichtigkeitsbestimmung aus- geführt.
Die erhaltenen Daten waren die folgenden: Gewicht des Gases 0?0183, Volumen der Kugel 7°55, Temperatur 18°C., redueirter Baro- meterstand 745””4. Daraus berechnet sich die auf O = 32 bezogene Dichte oder das Moleculargewicht zu 59.01, in auffallender Überein- stimmung mit den früher gefundenen Zahlen 58.81 und 58.67.
Wir glauben daraus schliessen zu sollen, dass unser Gas frei von Stickstoff und Argon ist oder jedenfalls nur Spuren davon enthält, und es gewinnt zweifellos durch diese Versuche unsere Hypothese über die Stellung des Kryptons in der periodischen Reihe eine gewisse Be- rechtigung. Vielleicht könnte unser Gas Xenon enthalten, dann aber müsste die Dichte des Kryptons zu hoch gefunden worden sein.
! Ber. chem. Ges. 331415,
129
Geologische Beobachtungen im Aarmassiv.
Von Prof. Dr. A. SAvER in Heidelberg.
(Vorgelegt von Hrn. Kreıs am 14. Juni [s. oben 8. 635].)
1.
Allgemeine Bemerkungen über Gneisse und der sogenannte Gneiss von Innertkirchen.
MVorstshende, mit Unterstützung der Königlichen Akademie der Wissen- schaften ausgeführte Untersuchungen stehen in einem engen Zusammen- hange mit schon vor langer Zeit begonnenen Gneissstudien. Den ersten Anstoss, die Gneissfrage eingehender zu studiren, gab mir im Jahre 1877 die Auffindung praecambrischer, in Gneiss übergehender Con- glomerate, jener Bildungen, die jetzt als die archäischen Conglomerate von Ober-Mittweida im sächsischen Erzgebirge in der Litteratur be- kannt sind. Wenn man damals noch von Seiten einiger hervorragen- der Petrographen und Geologen geneigt war, die Richtigkeit der von mir gemachten Beobachtungen über das Vorkommen allothigener Ab- lagerungen im normalen Verbande alter Grundgebirgscomplexe anzu- zweifeln, weil es im Widerspruch stand mit gewissen herrschenden Anschauungen über die Entstehung des Grundgebirges, so lieferten doch die fortgesetzten geologischen Aufnahmen im Erzgebirge so viele weitere Belege für eine geradezu in grosser Verbreitung auftretende Einschaltung klastischer Ablagerungen als integrirender Bestandtheile der Gneiss- und Glimmerschieferformation dieses Gebietes, dass man sich dieser Thatsache gegenüber auf die Dauer nicht verschliessen konnte. Man wird zugeben müssen, dass mit dem Nachweis von der grossen Verbreitung archäischer Grauwacken und Conglomerate im Erz- gebirge eine feste Basis gewonnen war für die Erklärung des Grund- gebirges überhaupt, besonders im Lichte der Lyerr-Hurrov’schen An- schauung, welche in der modernen Geologie immer mehr zur Geltung gelangt. Bis dahin fehlte aber der striete Nachweis klastischer Sediment- bildungen im praecambrischen System und damit auch die Brücke zu
730 Sitzung der phys.-math. Classe v. 5. Juli. — Mittheilung v. 14. Juni.
den ältesten palaeozoischen Sedimentbildungen. Dass man nunmehr Grauwacken und Conglomerate, also zweifellos echte Sedimente, weit verbreitet und in verschiedenen geologischen Horizonten sich wieder- holend, in engster Wechsellagerung mit hochkrystallinen Gneissen ken- nen lernte, alle wünschenswerthen Übergänge zu diesen verfolgen und nach Maassgabe dieses engen Verbandes eine alte, ursprüngliche Schich- tung nachweisen konnte, alles dieses musste nothwendigerweise das Urgebirge unserem Verständniss näher bringen, als es bis dahin mög- lich war. Die Erkenntniss der angeführten Erscheinungen erwuchs auf dem Boden der reinen thatsächlichen Beobachtung, ohne irgend welche, sei es auch nur theoretische Einwirkung von aussen her, was hier ausdrücklich zu betonen kaum nöthig wäre, da jene zwei bedeu- tenden Arbeiten, welche für die Deutung und Erklärung des Grund- gebirges in vielfacher Hinsicht Richtung gebend werden sollten, Jo- HANNES LEHMANN’ s Entstehung des altkrystallinen Schieferge- birges, Bonn 1884, und H. Reusch, Silurfossiler og pressede Konglomerater i Bergensskifrene, Kristiania 1882, erst einige Jahre später erschienen, als bereits verschiedene Erzgebirgsblätter mit der kartographischen Darstellung der archäisch-klastischen Bildungen im Druck vorlagen, während der bereits in die Geologie eingeführte geistvolle Erklärungsversuch, die Gümger’sche Diagenese, welcher als die Frucht der Erforschung des krystallinen ostbayerischen Grenzge- birges berufen schien, die Deutung des Grundgebirges zu fördern, ganz und gar nicht mit den erwähnten Thatsachen im Erzgebirge in Ein- klang zu bringen war. Jeder Erklärungsversuch über die Entstehung der alten krystallinen Schiefer muss meines Erachtens an die Verhält- nisse im Erzgebirge anknüpfen, muss mit der 'T'hatsache rechnen, dass hier eine deutliche Dieigliederung des archäischen Systems vorliegt in Gneissformation, Gli ieferf: tion und Phyllitformation, dass alle drei Formationen durch allmählichste Übergänge mit einander ver- knüpft sind und nach oben in das Cambrium übergehen. Klastische Sedimentärbildungen gehen bis in die Gneissformation hinab und sind charakteristisch für gewisse Horizonte derselben; für andere Horizonte sind es zahlreiche Einlagerungen von Quarzitschiefer und krystallinem Kalkstein, so dass allein schon hierdurch, von gewissen Structurmerk- malen abgesehen, die sedimentäre Entstehung mächtiger Complexe ar- ehäischer Gneisse im Erzgebirge bewiesen wird. Die Frage, ob sich daneben noch eruptive Bildungen an der Zusammensetzung der Gneiss- formation betheiligen, darf a priori nicht verneint werden, wenn man nicht die sehr unwahrscheinliche Annahme machen will, dass in dem seiner Bildungszeit nach einen ungeheuren Zeitraum umfassenden ar- chäischen System, das stratigraphisch der Erstarrungskruste der Erde
A. Sauer: Geologische Beobachtungen im Aarmassiv. 731
am nächsten liegt, zum Theil wahrscheinlich in sie eingreift, Intru- sionen von sauren Eruptivmassen nicht stattgefunden haben sollten. Richtungslos struirte archäische Granite kennen wir aber aus dem Erz- gebirge nicht, sondern nur Gneisse mit primärer Parallelstruetur; unter diesen müssten also die alten Eruptivmassen zu suchen sein. Ihre Fest- stellung begegnet hier grossen Schwierigkeiten und scheint nur mög- lich zu werden unter Berücksichtigung gewisser structureller Merkmale, denn weder zeigen sie durchgreifende Lagerung, wie BERNHARD VON ÜOTTA dies an den von ihm für eruptiv gehaltenen rothen Gneissen wollte beobachtet haben, noch besitzen sie in der chemischen Zusammen- setzung allein ein Charaktermerkmal, das ScHEERER für ihre Unter- scheidung glaubte in Anspruch nehmen zu müssen.
Für die Discussion dieser Frage ist es von grosser Bedeutung, dass B. Stuner den mächtigen Gneissmassen des Finsteraarmassivs eine eruptive Entstehung und zugleich ein jüngeres Alter zuschrieb. Nach diesem Forscher haben dieselben sich als emporquellendes eruptives Magma activ an der Bildung der Alpen betheiligt, sind als Lager- gänge in die nördlich angrenzenden Jurakalke eingedrungen und haben Schollen von diesen eingewickelt. Cart FRIEDRICH NAUMANN, der be- kanntlich auch die eruptive Entstehung der Granulitgneisse und Granu- lite des sächsischen Mittelgebirges vertrat, theilte Stuper’s Auffassung über die Finsteraargneisse; von anderen Geologen wurde dieselbe be- kämpft, zuletzt und in mehrfacher gewisser Hinsicht erfolgreich von A. BaLtzer in seinem bedeutenden Werke: Der mechanische Con- taet von Kalk und Gneiss im Berner Oberlande. Beiträge zur geol. Karte der Schweiz. 20.Lieferg. Bern 1880. Bartzer widerlegt einwandfrei eins von Stuper’s wichtigsten Argumenten, indem er dar- thut, dass die Gneisskeile am Gstellihorn mit ihrer fünffachen Verschrän- kung im Jurakalk keinesfalls als eruptive Lagergänge betrachtet werden können, weil sie eine ganz regelmässige Umsäumung mit Zwischen- bildungen (Verrucano u. s.w.) nachweisen lassen. Der Contact zwischen Jura und Gneiss könne daher nach nur auf rein mechanischen Vor- gängen beruhen, auf einer Ineinanderknetung, einer sehr langsam unter hohem Seitendruck und starker Belastung vor sich gehenden Zusammen- faltung, welche an Stellen stärksten Druckes die Jurakalke marmori- sirte, den Gneiss fältelte, zum Theil sogar in ein granitisches Gestein um- wandelte. BaLtzer fasst l.c. S.230 das mit Bezug auf Alter und Tektonik charakteristische Verhalten der eentralmassivischen Gneisse in elf Sätze zusammen, mit welchen ı. das hohe Alter der Gneisse, 2. der rein mechanische Contact zwischen diesen und dem Jura bewiesen werde. Wie bemerkt, ist die Umsäumung der Gneisskeile mit Zwischenbildun- gen am Gstellihorn und an anderen Orten allein schon ein vollgültiger
132 Sitzung der phys.- math. Classe v. 5. Juli. — Mittheilung v. 14. Juni.
Beweis für den mechanischen Contact, aber von den elf namhaft ge- machten Argumenten auch zugleich das einzige, welches sich gegen die Annahme eines primären Eruptiveontactes zwischen Gneiss und Jura am Gstellihorn anführen lässt. Die übrigen beweisen weder etwas gegen die eruptive Natur der centralmassivischen Gneissmassen, noch gegen deren jüngeres Alter; denn die mechanische Über- und Einfaltung der Jurasedimente kann durch einen geologisch langen oder auch geologisch kurzen Zeitraum von der Entstehung der Central- gneisse getrennt sein, oder dieser unmittelbar gefolgt sein, ohne dass dadurch die Art und Weise des mechanischen Contactes mit all den interessanten Nebenerscheinungen, die wir durch die scharfsinnigen Beobachtungen Bartzer’s von dort kennen gelernt haben, beeinflusst würde. Und so muss die überaus wichtige Frage über das Alter der centralmassivischen Gneisse und Granite und der auf’s Engste mit ihnen verbundenen Protogine, und über die Art ihrer Entstehung und ihrer eigenartigen strueturellen Entwickelung als einer Function derselben noch als eine offene betrachtet werden. Verfasser hofft mit seinen Beobachtungen im Finsteraarmassiv, die allerdings von einem Abschluss noch weit entfernt sind und noch vieler Ergänzungen bedürfen, Einiges zur näheren Kenntniss dieses Gebietes beitragen zu können. Der nach- folgende kurze Bericht kann nur als ein vorläufiger betrachtet werden; er wird in seinem ersten Theile Mittheilungen über den »Gneiss« von Innertkirchen bringen, in einem später folgenden zweiten Theile die Protogine behandeln. Es mögen demselben einige allgemeine Bemer- kungen über charakteristische Strueturen und Verbandverhältnisse bei analogen krystallinen Gesteinen aus dem Verfasser seit Langem genau bekannten Gebieten voraufgeschickt werden, aus denen man zu er- kennen vermag, welche Gesichtspunkte bei diesen Untersuchungen maassgebend waren.
Wenn man die Bezeichnung Gneiss beibehalten will und dieselbe in vorwiegend petrographischem Sinne fasst, ohne damit eine be- stimmte Entstehungsweise und ein bestimmtes geologisches Alter prae- Judieiren zu wollen, und unter Gneiss ein vollkrystallines Quarz- Orthoklasgestein mit Glimmer bez. Hornblende oder anderen Bisili- caten versteht, ausgestattet mit einer durch lagenweise Vertheilung besonders der farbigen Mineralien bedingten primären Parallelstruetur, dabei einerseits alle notorischen Eruptiveontactgesteine ausscheidet, wie z.B. die Feldspath führenden Glimmerhornfelse, andererseits alle nachweislich durch rein dynamische Vorgänge schieferig gewordenen Granite, so bleibt für die Hauptgliederung der Gneisse in genetischer Hinsicht immer noch die Zweitheilung in Eruptivgneisse und Sedi- mentärgneisse. Dass diese Zweigliederung für gewisse Gebiete vor-
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A. Saver: Geologische Beobachtungen im Aarmassiv. 733
handen und auch durchzuführen ist, haben mich die geologischen Aufnahmen im Schwarzwald gelehrt, die ich seit zehn Jahren im Auftrage der Direction der Grossherzoglichen Geologischen Landes- anstalt dort auszuführen in der Lage war. Es gelang mir, die Merk- male für beide Gneissgruppen mit einer wenigstens für die zonenweise kartographische Darstellung befriedigenden Sicherheit makroskopisch und mikroskopisch festzulegen. |
Den vorbildlichen Untersuchungen H. Rosenguscn’s über: »Die Steiger Schiefer und ihre Contactbildungen an den Granititen von Barr-Andlau und Hohwald Strassburg 1877« verdankt die geologische Wissenschaft wichtige grundlegende Feststellungen über die Struetur der metamorphen krystallinen Schiefergesteine. Die Hornfelsstruetur ist ein wichtiges Kriterium zur Erkennung derselben geworden.
Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Bedingungen der Umkry- stallisation, welche die Contaetmetamorphose hervorriefen — erhöhte Temperatur, Wasserdampf, Abschliessung des Eruptivmagmas durch eine darüber lastende mehr oder weniger mächtige Gebirgsdecke —, ganz ähnlich gewesen sein müssen, wenn auch graduell etwas verschieden, für die alten praecambrischen Sedimente, sobald diese in grosser Tiefe unter bedeutender Belastung einer langsamen, vorwiegend statischen Metamorphose unterlagen. Wir haben demnach in alten Sedimentär- gesteinen eine ähnliche Hornfelsstructur zu erwarten, wie sie für die Eruptiveontaethöfe charakteristisch ist. Thatsächlich ist eine solche auch vorhanden. Doch ist sie im Allgemeinen nur eine ähnliche, wie auch die Entstehungsbedingungen in beiden Fällen nur ähnliche und vielleicht nur ausnahmsweise annähernd gleiche waren. Beim Eruptiveontact war eine bis zur Erzeugung von Glaseinschlüssen im Nebengestein sich steigernde hohe Temperatur der praevalirende Factor der Meta- morphose, bei der Umbildung der praecambrischen Sedimente muth- maasslich hoher Druck; dort vollzog sich die Umbildung relativ stür- misch, oftmals unter völliger Vernichtung der ursprüngliehen Schich- tung, hier äusserst langsam, meist unter Erhaltung dieser und mit der Tendenz zu einer schieferigen Entwickelung. Das charakt Gestein des Eruptiveontactes ist daher der massige Hornfels, der Typus der archäischen Sedimentärgneisse ein körnig-flaseriges bis schieferig-flaseriges, auch schieferig-schuppiges Gestein. Für die Se- dimentgneisse ist oft bezeichnend ein häufiger schichtweiser Wechsel von grob- und feinkörnigen, glimmerreichen, quarzitischen, feldspath- reichen Lagen, die Einschaltung von Quarzitschieferlagen, von Kalk- massen, das Vorkommen kohliger Substanzen von der Beschaffenheit des Graphitoides (vergl. A. S., Die Renchgneisse des Schwarzwaldes in den Erläuterungen zu Blatt Gengenbach S.5-ı9 1894). Die Eruptiv-
istische
734 Sitzung der phys.- math. Classe v. 5. Juli. — Mittheilung v. 14. Juni.
gneisse (Schapbachgneisse des Schwarzwaldes, vergl. A.S., Erläuterungen zu Blatt Gengenbach S. 19, zu Blatt Oberwolfach -Schenkenzell S. 24-36, und gewisse grobflaserige Gneisse des Erzgebirges) zeichnen sich zunächst mehr durch negative Merkmale aus, nämlich durch das Fehlen der Horn- felsstructur und das Fehlen all der genannten Einlagerungen; sie besitzen eine mehr hypidiomorph-körnige Structur bei gleichzeitiger Entwickelung einer durch Glimmerlagen hervorgerufenen Parallelstreifigkeit und einen im Allgemeinen mehr gleichartigen Habitus, nicht die unruhige, schnell wechselnde Zusammensetzung der Sedimentärgneisse und, gehen mit Zu- rücktreten des glimmerigen Minerales in oft ganz granitartige Abänderun- gen über. In Folge mechanischer Deformationen erleiden beiderlei Gneisse zum Theil tiefgreifende Veränderungen, welche oftmals ihre Unterschei- dung ganz illusorisch machen. Vielfach ist es nicht leicht, das Maass dieser Einwirkungen festzustellen, doch scheint man dieselben im Allge- meinen eher zu überschätzen; und wenn z.B. J. Leumann die Biotitlagen mancher Augengneisse, die er von Graniten ableitet, für Neubildungen erklärt, so ist das nach der gesammten Erscheinungsform solcher Gneisse einfach unverständlich. — Undulös auslöschende Quarze oder selbst zer- brochene Feldspathe (man beobachtet diese auch in vollkommen richtungs- los körnigen Graniten oder in sauren Ergussgesteinen) sind ohne Zweifel der Ausdruck für mechanische Pressungen, aber doch noch kein Beweis dafür, dass ı. diese Pressungen nothwendigerweise in starrem Zustande stattfanden, und wenn, dass 2. die gesammte Parallelstruetur damit behaf- teter gneissartiger Gesteine dadurch erklärt werden müsse. Derin solchen lagenförmig-streifigen Gneissen oftmals auftretende, vielfach gewundene Verlauf der groben Glimmerlagen, offenbar eine Verkörperung der inner- halb der Gesteinsmasse stattgehabten Stauchungen und Biegungen , ist schon eine solehe Erscheinung, welche meines Erachtens der Erklärung dieser Parallelstructuren als reiner Kataklase widerspricht. Die primäre Parallelstructur echter palaeozoischer Tiefengesteine bietet ferner ein Analogon. Ich habe darauf bezügliche Beobachtungen schon in dem sye- nitischen Randmassiv des Meissener Massivs gemacht (vergl. Erläuterun- gen zu Sect. Meissen S. ı5. 1889), dann eine ausgezeichnete Parallel- structur in der Durbachitzone des Nordschwarzwälder Granitmassivs constatiren können, besonders in den sauren Schlieren, die einen so voll- endet parallelstreifigen Wechsel von glimmerreichen und glimmerarmen Lagen darbieten, dass eine Unterscheidung von den echten alten Eruptiv- gneissen — z.B. den Schapbachgneissen des Schwarzwaldes — weder makroskopisch noch mikroskopisch durchführbar ist und Ähnliches auch‘ im südlichen Schwarzwalde, im Wehrathale gesehen.
Nach den Untersuchungen Bröcser’s ist Parallelstructur in den norwegischen syenitischen Gangmassen eine recht verbreitete Erschei-
A. Sauer: Geologische Beobachtungen im Aarmassiv. 735
nung und bemerkenswerth dadurch, dass dieselbe in Combination mit mechanischen Deformationen tritt, die zuweilen einen hohen Grad von Vollkommenheit erreichen. BrössEr nennt diese Erscheinung der me- chanischen Beeinflussung, die in den Zustand der noch nicht völligen Verfestigung des Gesteins fällt, Protoklase', zum Unterschied von der Kataklase, der mechanischen Zertrümmerung am bereits voll- kommen starren Gesteine. Ich muss gestehen, die geologische Bedeutung dieser merkwürdigen Structurform Anfangs nicht recht erkannt und ge- würdigt zu haben. Jetzt und seit einer Reihe von Jahren bin ich darüber jedoch anderer Ansicht geworden, besonders seit ich kurz nach meiner Übersiedelung nach Heidelberg die eigenthümlichen im Allge- meinen wenig mächtigen Ganggesteine von Grosssachsen näher kennen gelernt habe. Diese Gesteine sind intensiv gepresste und prächtig de- formirte Granitporphyre. In der bekannten Abhandlung vonK. Furrerer, Die »Ganggranite« von Grosssachsen und die Quarzporphyre von Thalim Thüringer Wald. Mitth. d. Gr. Bad. Geol. Landesanstalt Bd.I, S.21-64,-1890, haben dieselben eine sehr eingehende Be- schreibung erfahren und interessante Druckphaenomene ee gelehrt. Mein verehrter College FUTTERER hält die Schief: an diesen Ganggesteinen für reine Kataklase, also für e eine Druckwirkung am völlig starren Gestein. Meiner Ansicht nach spricht Folgendes dagegen:
I. Die Schieferung des Ganggesteines verläuft immer parallel zum Saalband, was auch FUTTERER schon hervorhebt.
2. Dieser Parallelismus ist ein so vollkommener, um, wie bei einer normalen Fluidalstruetur, selbst kleinen Ein- und Ausbie- gungen der Saalbandfläche zu folgen.
3. Dieser Parallelismus bleibt auch da gewahrt, wo nicht weit von einander auftretende Gänge etwas abweichendes Strei- chen besitzen.
4. Die Pressungserscheinung beschränkt sich auf den Gangraum, während das angrenzende Hauptgestein, der Amphibolgranitit, ganz intact erscheint. Endlich ist
5. die Vertheilung des Biotit zum Theil eine so auffällig eigen- artige, nämlich streifenweise in kurzschuppigen Aggregaten, dass «as Ganggestein mit einem kleinkörnig-schuppigen Gneiss verwechselt wer- den könnte. Diese parallel-streifige Anordnung des Glimmers kann
ei ! E. Weınscuenk (Beiträge zur Petrographie der östlichen Centralalpen II. Abh. d. K. bayr. Akademie der Wissenschaften XVIN. Bd. München 1894, S.741) will die treffende Bezeichnung »Protoklase« durch »Piezokrystallisation« ersetzt wissen, wobei aber ganz ausser Acht gelassen ist, dass durch einfache »Krystallisation unter Druck « — das bedeutet doch wohl: »Piezokrystallisation« — Protoklase gar nicht entsteht.
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aber nur eine primäre sein. Ich kann mir wohl vorstellen, dass in einem in festem Zustande durch Gebirgsdruck schieferig gewordenen Eruptivgestein der Glimmer zerfetzt und auf den Schieferungsflächen durch Gleitung verrieben wird, aber nicht, dass derselbe ohne eine wesentliche Einbusse in seiner Grösse zu erfahren unter Einfluss der Pressung im Gestein wandert und lagenförmig streifig sich anreichert. Dass die angeführten Erscheinungen und die, wie gesagt, von FUTTERER treffend beschriebene Kataklase unter der Wirkung eines bedeutenden einseitig sich äussernden Gebirgsdruckes zu Stande gekommen sein müssen, daran ist keinen Augenblick zu zweifeln. Meines Erachtens trat aber der Gebirgsdruck schon vor der Erstarrung, wahrscheinlich gleichzeitig mit der Eruption der Gangmassen in die Erscheinung — es ist bezeichnend, dass die für gleichalterig angesehenen Alsbachite des Odenwaldes genau die gleiche Parallelstruetur zeigen —, fand seine Auslösung in den Gangspalten ohne das angrenzende Hauptgestein zu affieiren, bewirkte in der viscosen Gangmasse Protoklase und über den Verfestigungszustand hinaus, mehr oder minder umfangreich, auch Kataklase. Primäre Parallelstructur, Protoklase und Kataklase ver- einigen sich übergreifend, um diese Gesteine zu so eigenartigen Vor- kommnissen zu stempeln, dass sie wie gesagt theilweise dünnstenge- ligen Gneissen in Gangform gleichen.
Meine Untersuchungen in den Alpen haben mich nun gelehrt, dass dieser gleichen Combination von Strueturformen eine hervorragend generelle Bedeutung zukommt, dass sielı die Erscheinungen der Gänge von Grosssachsen in ganz grossartigem Maassstabe an den central- massivischen Eruptivmassen wiederholen und dass diese ähnlichen Vor- gängen ihre besondere Ausbildung zu Protogin verdanken. Hierbei spielt demnach die primäre Parallelstructur eine ebenso grosse Rolle wie die Protoklase und zuletzt die Kataklase, und es wird darum auch sehr verständlich, wenn wir bei den verschiedenen Autoren die Bezeichnung für diese Gesteine, die geologisch grosse Einheiten bilden, schwanken sehen zwischen Bankgranit, Granitgneiss, Gneiss u. s. w. Die reine Kataklase hat, ebenso wenig wie die Schieferung an den Gängen von Grosssachsen auch den Protogintypus in den Alpen ge- schaffen, denn diese äussert sich ganz anders, auch an alpinen Gra- niten anders und gerade in der schieferigen Ausbildung der sogenann- ten Innertkircher Gneisse lernen wir sie in ihrer reinen Form kennen.
A. Saver: Geologische Beobachtungen im Aarmassiv. 137
Der Gneiss von Innertkirehen.
In seinem Hauptprofile, dem Grimseldurchschnitte von Meiringen bis Oberwald, Rhonethal (Livret-guide für den internationalen Congress in Zürich Taf. IX), unterscheidet BALtzer von Nord nach Süd:
I. körnigen Innertkircher Gneiss bis zur äusseren Urweid, von da
2. Muscovit (Serieit)-Gneisse zum Theil biotitführend bis nahe vor (Guttannen;
3. serieitische zum Theil biotitführende Gneisse, Schiefer und Phylliteinlagerungen;
4. Bankgranit von der Tschingelbrücke bis zur Schwarztannen- brücke mit
5. einer schmalen Einschaltung von jüngeren sericitischen Gneissen, Feldspathschiefern im Bankgranit. Dann folgt
6. bis zum Rhonethale die mächtige Zone der centralen Granit- gneisse, welche sich zusammensetzt aus einem vielfachen Wechsel von Bankgranit, Granitgneiss, Augengneiss und serieitischen Schiefern.
Der Innertkircher Gneiss gehört der nördlichen Gneisszone an. Ich untersuchte dieselbe im westlichen Theile in den Aufschlüssen des Ur- bachthales bis zum Gauligletscher, nach Osten bis gegen Färnigen hin.
BArtzer hält den Innertkircher Gneiss für einen echten alten Schiefergneiss mit primärer Parallelstruetur. 'Thatsächlich kommt ihm eine solche, theilweise wenigstens, zu. Der »Gneiss« ist jedoch kein sedimentäres Gestein, sondern zweifellos eruptiven Ursprunges. Die Beweise dafür finden wir schon in der unmittelbaren Umgebung von Innertkirchen ', aber auch noch an verschiedenen anderen Punkten der nördlichen Zone, im Urbach- wie im Gadmenthale.
In frischem Zustande und typischer Ausbildung — wie z.B. in den Aufschlüssen an der neuen Strasse nach Urbach, an der Grimsel- strasse bei der äusseren Urweid, in den Anschnitten des Gadmen- thales dicht vor der Lammbrücke — stellt das Innertkircher Gestein einen klein- bis mittel- und ganz richtungslos körnigen Granitit dar, der hier und da etwas zu porphyrartiger Structur neigt, nicht selten Pinit als Pseudomorphose nach Cordierit in fleckigen Ansammlungen enthält, ähnlich wie manche Granite der Triberger Gegend oder auch bis über 2°” grosse prismatische Krystalle dieser Pseudomorphose (Gad- menthal).. Der Granitit nimmt Flatschen von Biotit auf, wohl Re-
! Den ersten fremden Einschluss im gepressten »Gneiss« von Innertkirchen constatirte ich am 4. September 1894 als Theilnehmer an der Barrzer’schen Excursion in dem kleinen Aufschluss bei der Kirche (Innertkirchen); auf weitere solche Ein- schlüsse machte ich selbigen Tages beim Überschreiten der Gneissschwelle in das Urbachthal aufmerksam, wo jetzt durch die Sprengungen für die neue Strasse der Innertkircher Gneiss sehr schön und reich an fremden Einschlüssen entblösst ist.
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sorptionsreste von Schiefereinschlüssen, auch bis nussgrosse unregel- mässige Quarzbrocken, und gleicht dann gewissen unreinen, fremdes Material führenden Graniten der sächsischen Lausitz zum Verwechseln.
Im mikroskopischen Bilde bekundet der Feldspath Neigung zu idiomorpher Ausbildung — Orthoklas herrscht über Plagioklas vor —, während der Quarz als Gemengtheil weniger hervortritt und mehr die Zwischenräume zwischen Glimmer (nur Biotit) und Feldspath ausfüllt.
Schon äusserlich lassen sich die mechanischen Wirkungen des Gebirgsdruckes auf dieses Gestein in allen nur wünschenswerthen Sta- dien bis zur Herausbildung grünlicher Glimmerschiefer und phyllitähn- licher Gesteine verfolgen. Zuerst erscheinen Klüfte vereinzelt; diese wer- den häufiger und schaaren sich spitzwinkelig; auf diesen kommen dann glimmerige, mehr chloritisch grünliche oder schmutzigfarbige als silber- glänzende serieitische Häute zum Vorschein. Die Klüfte durchziehen das Gestein in immer engeren Zwischenräumen und leiten eine Art Flaserung oder Lentieulärstructur ein, wobei bemerkenswerth ist, dass die von chloritischen Häuten, glimmerigen Verwitterungs- und Zer- malmungsprodueten eingeschlossenen Linsen oft noch einen rein gra- nitischen Habitus bewahrt haben. Kırmm hat auf das Charakteristische dieser Erscheinung in seinen »Bemerkungen über Kataklas- und Pro- toklas-Struetur in Graniten« (Notizblatt des Vereins für Naturkunde und der Grossherzoglichen Geologischen Landesanstalt zu Darmstadt 1897) aufmerksam gemacht; ich habe dieselbe ebenfalls und schon früher im deformirten Bobritzscher Granit (Erläuterungen zu Blatt Freiberg S.57 1886) beobachtet. Das mikroskopische Bild gestaltet sich ent- sprechend charakteristisch. Der auf die undulöse Auslöschung des Quarzes folgende Zerfall in einzelne Körner ist meist begleitet von einem reichlichen Eindringen chloritischer Substanzen auf den mikro- skopischen Klüften dieser, wodurch die Gleitbarkeit erhöht wird; zwischen den zerborstenen Feldspathen stellt sich dieselbe Erscheinung ein. Diese unterliegen gleichzeitig einer sehr vollkommenen Verglim- merung und liefern reichliche serieitartige Producte. Der Biotit ver- schwindet bald, verfärbt sich und liefert chloritische Substanzen, wäh- rend im Protogin der Biotit sich conservirt und selbst in den dünn- schieferigsten Abänderungen desselben und in den feinsten Schüppehen eine ungewöhnliche Frische zur Schau trägt. Epidot entsteht im All- gemeinen wenig, was weiter einen auffälligen Unterschied gegen den Pro- togin bedingt. Das Endproduet der Druckmetamorphose an dem Innert- kircher Granit ist ein grünlich grauer Schiefer mit einzelnen klastischen Quarzkörnehen und stark verwitterten Feldspathfragmenten. Aus der sächsischen Lausitz kennt man in ziemlicher Verbreitung die gleiche Umbildung des Granits durch gleiche Vorgänge im Bereiche weit fort-
. D . |. A. Sauer: Geologische Beobachtungen im Aarmassiv. 139
streichender zum Theil mächtiger Quetschzonen. Von Blatt Pulsnitz lernte ich die Erscheinung zuerst kennen. Bei der Aufnahme desselben durch O. Herrmans wurde das Vorhandensein einer bis 200” mächtigen, das Granitmassiv geradlinig durehsetzenden Phylliteinschaltung eonstatirt. Zu einer näheren Prüfung dieser eigenartigen Erscheinung veranlasst, konnte ich den Nachweis liefern, dass diese zum Theil allerdings recht phyllit- artige Bildung lediglich eine Schieferungserscheinung des angrenzenden massigen Granites darstelle und sich aus Zermalmungs- und Verwitte- rungsproducten desselben zusammensetze, was denn auch im Verlaufe der weiteren Aufnahme in der Lausitz von anderen Punkten bestätigt gefunden wurde. Diesen »Phylliten« der Lausitz gleichen also die schieferigen Gneisse von Innertkirchen in hohem Grade; nur nimmt die Schiefe- rungszone am Nordrande des Aarmassivs bedeutendere Dimensionen an, entsprechend den gewaltigeren Druckkräften, die hier in Action traten. Ich vermuthe, dass die Schiefer bis nahe vor Guttannen den gepressten Innertkircher Graniten angehören, habe indess meine Be- obachtungen hier noch zu ergänzen.
Mit diesen Schiefern der nördlichen Zone dürfen die primär parallel struirten, gneissartig streifigen Abänderungen des Innertkircher Gra- nites nicht verwechselt werden, denn diese gehen, wie es an ver- schiedenen Punkten der von mir studirten Profile der unmittelbare Augenschein lehrt, primär aus der normalen massigen Ausbildung her- vor (äussere Urweid, Hinteres Urbachthal, Gadmenthal in der Nähe der Lammbrücke u. s. w.):; sie stellen also eine echte Structurfacies des Granites dar. Beide Abänderungen dürfen nieht von einander getrennt werden, beide sind gleich sicher eruptiven Ursprunges, was sich an zahlreichen Punkten der Zone aus der Führung eckiger fremder Einschlüsse .ergiebt.
Die fremden Einschlüsse sind Brocken von Fettquarz, kleine Fetzen von granat- und biotitführendem Schiefer, Schollen von Mar- mor und von Kalksilicathornfels der Mineraleombination: Granat, Augit, Amphibol, Skapolith, Caleit, Titanit mit Beimengung von Quarz und Plagioklas. Am Sustenpass. gegen das Maienreussthal hinüber stellte ich das Vorkommen von Wollastonitfels von mit Vesuvian, bräun- lichen Pyroxen und Granat.
Eine Analyse dieses Gesteins wurde mit folgendem Resultat aus- geführt:
Wollastonit 75.11 Procent ‚ Galeit 8.05 v Eisenoxyd 1.4 »
In HCl unlösliche Silieate 13.64 »
* 100.20 Procent
740 Sitzung der phys.-math. Classe v. 5. Juli. — Mittheilung v. 14. Juni.
Besonders zahlreich sind fremde Einschlüsse im Granit bei der äusseren Urweid. In einer Entfernung von noch nicht 200” schnitt hier die Grimselstrasse fünf bis mehrere Meter grosse Schollen von Marmor und charakteristischen Eruptivcontactgesteinen im Granit an; bei der starken Strassenbiegung beobachtet man zahlreiche kleinere Bruchstücke dieht gedrängt in diesem, wie das Fig. ı von einem Theile des ca. 4” hohen Anschnittes wiedergiebt. Fig. 2 zeigt das Vorkommen
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fremder bis 2"” grosser Einschlüsse in der gneissartig-streifig gewun- denen Modification des Innertkircher Granits im Urbachthal bei der »Mauer«., rs
Wo in diesen Profilen der Granit mechanisch mehr oder weniger stark deformirt ist, sind es in gleichem Maasse auch die eingeschlossenen Schollen, so einige der Marmoreinschlüsse, besonders in ihren rand- lichen Theilen, was ganz selbstverständlich im Einklange steht mit deren Verband, der auf Eruptivcontact beruht. Bei Schaftelen und an der Feldmoos im Gadmenthale treten grössere Marmoreinlagerungen in die Gneisszone. BALTZER ist geneigt, dieselben mit der mechanischen Einfaltung der mesozoischen Kalksedimente längs des Nordrandes des Massivs in Verbindung zu bringen l.c. S.ı84. Ich theile gern diese Auffassung, muss aber dann darauf aufmerksam machen, dass diese Marmoreinlagerungen eine bedeutende, zum Theil hochgradige Pressung und Schieferung erfahren haben wie das angrenzende Gestein und darin ganz mit den Marmoreinschlüssen im theilweise geschieferten Granit der Urweid übereinstimmen. Die Schieferung ist der Marmorisirung des Kalksteins gefolgt. Es wären also auch hier wie bei .den zweifel- losen Marmoreinschlüssen mit Eruptiveontaet und deren späterer mecha- nischer Pressung zwei verschiedene Bildungsacte der Metamorphose zu
unterscheiden. Unter der Annahme eines lediglich mechanischen Con-
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A. SAUER: Geologische Beobachtungen im Aarmassiv. 741
tactes gelangt man dagegen zu der Vorstellung, dass der Jurakalk, der durch den gebirgsfaltenden Druck marmorisirt wurde, darauf- folgend durch dieselbe Kraft auch die mechanische Schieferung erhielt. Diese Vorstellung birgt aber einen gewissen Widerspruch in sich. Diesem Widerspruch gegen die Annahme rein mechanischer Einfaltung be- gegnen wir z.B. auch in dem Erhaltungszustande des Marmors der Jurafalte von Andermatt, wo sich mit der Marmorisirung eine gleich ausgezeichnete secundäre Schieferung eombinirt.
»Was während des Druckes und durch den Druck sich bildete, wird durch ihn nicht deformirt. Keine Kraft zerstört das, was sie schuf, so lange die Existenzbedingungen des Geschaffenen fortdauern. « (H. RosenguscH: Zur Auffassung des Grundgebirges. N. Jahrb. f. Min. ete. 1889. I. S. 97.)
Ausgegeben am 12. Juli.
Berlin, gedruckt in der Reiehsdruckerei.
Sitzungsberichte 1900. 67
VERZEICHNISS »DER WISSENSCHAFTLICHEN MITTHEILUNGEN «
zu St. XXXIH und XXX. ER Warsurs: Über die Bildung des Ozons bei der Spitzenentladung in Sauerstoff . . 2.2... 72 O. Kauıscaer: Über Grosshirnexstirpationen bei Papageien . . 22m nn u m nn nn. 7 A:linrimung und 0, Kadası! ‚Über das Krypton cc. one wer ee nee Bi SAveB: Geologische Beobachtungen im Aarmasaiv . .. 2... 2 nen rn er er u
ABHANDLUNGEN DER AKADEMIE.
Arm
Aklendhimsen aus dem Jahre 1898. 2. ne 5 ee na a a REN
Daraus Physikalische Abhandlungen . . ee ee 3 ee » Philosophisch -historische Kitunäieneee: ET N, Einzelne Abhandlungen aus den Jahren 1897, 1898, 1899, 1900, Weisnorp: Die mystische Neunzahl bei den Deutschen . . . . cc 2 Ermäx: Bruchstücke köptischer Volkslitteratur . . :» . . en ee nn ne Könter: Gedächtnissrede auf Ersstr Currus . . . .. = 080 Harnack: Berichte des Seeretars der RETTET Socierät der Wemsdues J. Ta. F sLoxskı an den Präsidenten G. W. Leianız (1700-1715) . » 2 2 2 2 Hrn nn WeisnorLp: Die V erehrung der Quellen in Deutschland . . 3— Vırcnow: Über die ethnologische Stellung der prähisterischen Er proikisaischen Äeypier acht Bemerkungen über Entfärbung und Verfärbung der Haare. . . \ 3 Dümurer: Gedächtnissrede auf Wırseım WATTENBACH . » » 2. 2 2 2 2 nn en. er lo Eneermann: Gedächtnissrede auf Esır pu Bois-Reymonn . . » 2 2 2 nme en er Lo Dauna: Godächtnissredle: auf Kasar Bersen.. . u nein rien ae Scauze: Hexactinelliden des Indischen Oceanes. IL, ... . .... Zu 2 202 a 00 8 0n m Korscu: Dies RäsksamarE von Biephas indseus ; 2... 7, 0.0: me FrinkeL: Epigraphisches aus Aegina . ee Kayser: Die Bogenspectren der Elemente der Bintihasnppe Bee ee ee Brenner: Mars- Beobachtungen 1896-97 in Lussin pieccolo . -» I Rıcrarz und Krıcar-Meszer: Bestimmung der RENTE und 2 isiklaren Dichigkei der Erde durch Wägungen. . .. » 11. Scaumans: Die Verbreitung der dei: im , Verhälniss zu ıühre PFERDE Bin Glndirung ER ScHAupisn: Untersuchungen über den Generationswechsel von Tric jum sieboldi Sc. . » 7 Krause: Untersuchungen über den Bau des RERELEERENERNE der Affen . i 31
SITZUNGSBERICHTE DER AKADEMIE.
DR
Preis der einzelnen Jahrgänge, 1882—189 . . , . ». 2.2... 2. 2 2. nm. 2» 2. , AR Daraus besonders zusammengestellt: Mathematische und Naturwissenschaftliche Mittheilungen. 1882—1897. Preis des Jahrgangs . . M 8—
GESCHICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
Im ee = Akademie bearbeitet = Anorr HarsAck. i Bände. — Berlin 1900. —
Sonderabdrücke aus den Sitzungsberichten. I. Halbjahr 1900.
Harsack: die beiden Recensionen der Geschichte der Prisea und des Aquila in Act. Apost. 18, 1—27 L. Borcuarpr: Bericht über einen Einsturz im Amonstempel von Karnack am 3. October 1899 Fucas: über eine besondere Gattung von rationalen Curven mit imaginären Doppelpunkten
F. Körter: Stertow’s und Liarunow’s Fälle der ee in einer Flüssigkeit . Harsack: Bericht über die »Geschichte der Akademie« . Te Kexvre von Straponitz: Ausgrabungen in Milet . . ...2...
Fiscuer: über aromatische Derivate der Harnsäure i ScHEFFER-BoicHorst: das Gesetz Kaiser Friedrich’s II. »De a urteilen
Mösıvs: über die Grundlagen der aesthetischen Beurtheilung der Säugethiere en EnsLer: über die Vegetationsverhältnisse des Ulugurugebirges in Deutsch - Ostafrika .
A. Lapesgure und C.KrücerL: über das Krypton . Harnack: Festrede zur Zweihundertjahrfeier in der Tee am ©. März 1900 Ä Toter: der provenzalische Sirventes ‚Senher n’enfantz, {il vos platz’ (Bartschs Grundriss 461, 219) Kıeıx: das Krystallpolymeter, ein Instrument für kiyskallogrsghiggh.s Ba en M. Krause: Differentialgleichungen mit elliptischen Integralen . ; le. H. Vater: einige Versuche über die Bildung des marinen Anhydrits
G.Laxpsgers: zur Theorie der algebraischen Functionen zweier Veränderlicher.
C. Schuchuarpr: das Römercastell bei Haltern an der Lippe . car
Ermax: die Flexion des aegyptischen Verbums
vox Bezorp: zur Thermodynamik der Atmosphaere
Voser: Fortschritte der Bestimmung der eng in er Gisichislicie
Quixcke: über Volumenänderungen durch magnetische Kräfte .
voN Wılsmantis: Moschmakrs: die sechste Rede des Antiphon
Harzınarıs: zur Betonung der griechischen en :
E. Scuuipt: deutsche Reimstudien.
F. Rınse: Beitrag zur Petrographie der Mionbassh in Kurt: Gelches
O. Lummer: complementäre Interferenzerscheinungen im reflectirtem Lichte
Frosesıus: über die Charaktere der symmetrischen Gruppe.
ARNACK: das Magnificat der Elisabet (Luc. 1, 46-55) nebst einigen Beniliingen’ = zu Los, 1 und 3 van’t Horr und E. F. Anustroxe: Bildungsverhältnisse der oceanischen ee AS: H. BaumsaAver: über die en ae Verhältnisse des Jordanit ih WEBER: mass Beiträge h C. F. Lenmans: Ergebnisse = ee F Grnliniigreise Baier: anni .
G. Fersen: HEBT Untersuchungen menschlicher Augen : \
Sonderabdrücke aus den Sitzungsberichten. I. Halbjahr 1900.
Warsurs: über die Bildung des Ozons bei der Spitzenentladung in Sauerstoff. O. Kauıscher: über EEE bei Papageien .
A. Lapespuns und C. KrüseL: über das Krypton. I.
A. Saver: geologische Beobachtungen im Aarmassiv .
SITZUNGSBERICHTE
KÖNIGLICH PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
ZU BERLIN
AXXV.
12. Juri 1900.
BERLIN 1900. VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
IN COMMISSION BEI GEORG REIMER.
Auszug aus dem Reglement für die Redaction der »Sitzungsberichte«.
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47. I. Eine für die Sitzungs! bestimmte wissen- Mittheilang darf in keinem Falle vor der Ans- betreffenden Stückes anderweitig, sei es auch
gabe dien
nur auszugsweise oder auch in weiterer Ausführung, in tlicht sein oder werden.
auf besonderes
auf Erscheinen ihrer Mittheilungen nach acht Tagen.
$ 11, 1. Der Verfasser einer unter den » W * kten Arbei
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$28. 1. Jede zur Aufnahme in die Sitzungsberiehte be Zmee Minen tum. \n_ einge lebenden ENTE
einer der Clamsen ‚wo kat sie der romimende
Seereiar selber oder durch zum
Vorträge zu bringen. Mittheilungen Verfanser der
Akademie nieht angehören, hat er einem zunächst geeignet Mitgliede au
einer der Clasen. Antrag sobald das Mannseript druckfertig vorlieet gestellt und sogleich zur Abstimmung gebracht w
743
SITZUNGSBERICHTE 1900. DER AÄXXV.
| KÖNIGLICH PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
ZU BERLIN.
12. Juli. Gesammtsitzung.
Vorsitzender Secretar: Hr. VAuLen.
1. Hr. vox Bezoro sprach “über klimatologische Mittelwerthe für ganze Breitenkreise‘. (Erscheint später.)
Der Vortragende hat vor wenigen Monaten darauf hingewiesen, dass man bei tabellarischen oder graphischen Zusammenstellungen von Mittelwerthen für ganze Brei- tenkreise anstatt der geographischen Breite selbst zweckmässigerweise den Sinus dieser Grösse als Argument wählt. Diesen Gedanken führt er diesmal weiter aus, indem er ihn auf verschiedene klimatologische Factoren anwendet und allgemeine Folgerungen daraus zieht.
2. Die akademische Sammlung der Besser’schen astronomischen Correspondenz hat zwei besonders werthvolle Zugänge erhalten durch Erwerhung der Bzsser’schen Briefe an Schumacher (536 Briefe, 1809 bis 1846) und an Encke (172 Briefe, 1817—ı846). Ferner sind derselben zwei kleinere Reihen einverleibt worden. Als Festgabe zur Zweihundert- jahrfeier wurden der Akademie 9 Briefe Besser’s an J. J. v. Lirtrow von den drei Enkeln: Dr. Artuur vox Littrow, Frau Baronin Dora DoBLHorFF geb. v. Lrrtrrow und Frau EırA v. Lane geb. v. Lırrrkow zum Geschenk gemacht und durch Hrn. Prof. v. Lane überreicht; und 10 Briefe von BzsseL an OLsers, die der Königsberger Sternwarte übergeben, durch eine Reihe von Irrungen aber schliesslich unter die Briefe an H. ©. Scnv- MACHER gerathen waren, sind nunmehr mit Zustimmung des Hrn. Prof. H. Struve ebenfalls zu der akademischen Sammlung genommen worden. _—_ Da diese 10 Briefe an OLBers in der Erman’schen Ausgabe des Brief- wechsels zwischen OLgers und Besser nicht vorkommen, werden sie mit 2 weiteren in Pulkowa aufgefundenen bisher nicht gedruckten Briefen zur Ergänzung jener Ausgabe unten mitgetheilt.
3, Hr. Auvwers überreichte zwei weitere Stücke des Catalogs der Astronomischen Gesellschaft: XII. Zone 10° bis 15°, und XII. Zone 5° bis 10°, beide beobachtet auf der Sternwarte Leipzig.
Sitzungsberichte 1900. 68
744 Gesammtsitzung vom 12. Juli.
4. Hr. Auwrrs überreichte ferner den jetzt im Druck fertigge- stellten Bericht über die Zweihundertjahrfeier der Akademie. Die Ver- sendung an die bei der Feier vertretenen Körperschaften und ihre Dele- girten sowie an die Mitglieder der Akademie ist im Gange.
5. Hr. Enerrmann legte eine Mittheilung der HH. Dr. Anour BıckeL und Dr. Pau Jacos vor über neue Beziehungen zwischen Hirn- rinde und hinteren Rückenmarkswurzeln hinsichtlich der Bewegungsregulation beim Hunde‘.
In Folge der Ausschaltung der Sensibilität der Hinterbeine beim Hunde treten atactische Bewegungsstörungen auf, welche sich mit der Zeit mehr und mehr aus- gleichen. Werden nunmehr, nachdem die Compensation sich eingestellt hat, die zu den Hinterbeinen in Beziehung stehenden senso-motorischen Hirnrindenzonen aus- geschaltet, so treten die verschwundenen atactischen Bewegungsstörungen von Neuem auf und gleichen sich langsam und zögernd, aber nicht mehr in dem Umfange wie früher aus.
6. Die physikalisch-mathematische Classe hat bewilligt: Hrn. Privatdocenten Dr. Kırır Horrermann in Berlin zu einer Reise nach Ceylon zum Studium der Mangrove-Vegetation 4000 Mark; Hrn. Prof.
Dr. LuvoLr Kress in Greifswald zur Ausführung von Respirationsver-
suchen 1500 Mark; Hrn. Prof. Dr. JuLıus Tarer in Würzburg zur Fort- setzung seiner Arbeiten über die elektrolytische Reduction 1000 Mark;
Hrn. Dr. Benno Wanporzeck in Dresden zu Untersuchungen über das
Abdomen der Dipteren 800 Mark.
Die Akademie hat ihr Ehren -Mitglied den Staatsminister D.Dr. Anat- ;
BERT Fark in Hamm (Westfalen) am 7. Juli durch den Tod verloren.
Nachträglich ist zur Kenntniss der Akademie gelangt, dass das cor- | respondirende Mitglied ihrer philosophisch -historischen Classe Hr. F£uıx
Ravaısson in Paris am 18.Mai verstorben ist.
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Zwölf Briefe von BESSEL an OLBERS.
Die der Akademie im vergangenen Jahre von Hrn. B. Lorck übereignete Sammlung der astronomischen Briefe aus Besser’s Nachlass hat un- längst eine sehr werthvolle Ergänzung erhalten, indem die Akademie die Besser’schen Briefe an H. C. ScuunacHuer erworben hat (während gleichzeitig die gesammten übrigen an ScHumacHER gerichteten Briefe in den Besitz der Königlichen Bibliothek in Berlin übergegangen sind). Bei diesem Anlass sind 10 von Lilienthal aus an OLgers gerichtete, durch eine Kette von Irrungen schliesslich zu der Scnumacaer’schen Briefsamm- lung gelangte Briefe BesseL’s zum Vorschein gekommen, welche in dem von A. Erman 1852 herausgegebenen » Briefwechsel zwischen W. OLBErs und F.W. Besser« fehlen. Sie sind nicht vollständig bis jetzt unbekannt geblieben, vielmehr ersichtlich von dem verstorbenen Minister-Residenten Dr. H. A. SchnumacHer in Bremen bei seiner Darstellung der Geschichte der Lilienthaler Sternwarte! benutzt, sind aber bisher nicht veröffent- licht. Dr. SchumacHer hatte sie nach gemachtem Gebrauch der Königs- berger Sternwarte übergeben, wohl in der Meinung, dass dort der litte- rarische Nachlass Besser’s aufbewahrt werde. Da diess bezüglich der Briefe nicht zutrifft, hat der gegenwärtige Director der Königsberger Sternwarte Hr. Prof. H. Struve die in Rede stehenden ıo Briefe von Besser an OLgers — nebst einigen denselben beiliegenden Familien- briefen — bereitwilligst der Akademie als der nunmehrigen Sammel- stelle für die Besser’sche Correspondenz überwiesen. Die Mittheilung dieser Briefe wird eine den Astronomen willkommene Vervollständigung der Erman’schen Ausgabe des OLsers- Besser’schen Briefwechsels ab- geben, denn wie überhaupt der ittelbare Gedan] tausch zwischen allen den grossen Meistern, welche während der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts an der Spitze der astronomischen Entwicke- lung gestanden haben, beansprucht jener Briefwechsel heute noch unverändert im nämlichen Maasse wie vor fünfzig Jahren ihr Interesse.
! Die Lilienthaler Sternwarte. Ein Bild aus der Geschichte der Himmelskunde in Deutschland. Von Hermann A. Scnumacner. (Abhandlungen herausgegeben vom naturwissenschaftlichen Vereine in Bremen. Bd. XI, Heft ı. Bremen 1889.)
65*
746 Gesammtsitzung vom 12. Juli.
Es hatte verlautet, dass sich zwischen den aus OLsers’ Nachlass an die Pulkowaer Sternwarte gelangten Büchern einige gleichfalls nicht in der Erman’schen Ausgabe vorkommende Mittheilungen von BesseL an ÖLBERS vorgefunden hätten. Eine anlässlich des jetzigen Fundes der 10 Lilienthaler Briefe an den Director Hrn. Wirkl. Staatsrath BAackLunn ge- richtete Anfrage bestätigte dieses: es befindet sieh in Pulkowa ein Brief Besser’s an OLBers aus Königsberg vom Jahre 1814, und ein Blatt von Besser’s Hand mit einer mathematischen Ausrechnung, ohne Datum und sonstigen Text, auf der Rückseite an OLgeErs adressirt, von welchem leicht zu ermitteln war, dass es Besser’s Antwort auf OLsers’ Brief vom 6. Februar 1809 ist. Beide Stücke werden hier, um die Lücken der Erman’schen Ausgabe des Briefwechsels möglichst vollständig auszu- füllen, ebenfalls mitgetheilt, nachdem Hr. Backıunp dazu gütigst seine Zustimmung ertheilt, und Hr. J. Seysoru die Gefälligkeit gehabt hat von denselben Abschriften zu nehmen, welche nach genauer Collatio- nirung durch die Pulkowaer Astronomen für den Abdruck eingesandt wurden.
Am Kopf der Briefe sind hier links die laufenden Nummern an- gegeben, unter welchen die einzelnen Stücke in die Erman’sche Aus- gabe des Briefwechsels einzureihen sind, mit Beifügung der Seite, über- all des I. Bandes, auf welcher die Einschiebung vorzunehmen ist. Rechts steht die einzuschaltende Specialnummer der Reihe »Besser an OLgers«.
L. Nr. 58a [I S. 72]. - [B. an O. Nr. 28%.
Lilienthal ı Feb. 1807.
Für die gütige Mittheilung Ihrer Nachrichten über den Kometen bin ich Ihnen unendlich verpflichtet. Meine Beobachtung ist nicht sehr genau, ohne Zweifel wegen der beweglichen Galerie des 27f. Teleskops; jetzt habe ich bessere Anstalten getroffen, und wenn noch einmal ein wolkenfreier Himmel uns zu Theil werden sollte, so werde ich den Kometen gewiss genauer ob- serviren können. Auch existirt wegen des Orts des verglichenen Sterns No. 29 ein wesentlicher Zweifel; La Caıtre weicht hier von dem Stern, der Pag. 561 der Hist. Cel. vorkommt, merklich ab. La Carzır hat nach Bopr’s Verzeichniss für 1800 A.R. = 19°20' 21!5 [Deel. =] —28° 9’ 24'9. Dagegen hat der Stern der Hist. Cel..... 19°39' 073 » —28° 9' 15"3. Kaum zweifle ich an der Identität beider Sterne, denn ich habe dort nur einen, nicht zwei Sterne gesehen; der Unterschied zwischen 29 und 35 ist von La Caıtxe richtig ange-
eben. — Es scheint also entweder ein Druckfehler in der Hist. Celeste oder ein Reductionsfehler bei Bope zu existiren, allein mich dünkt, dass eine so starke Veränderung der La Carrr’schen Configuration gewiss dem Augenmaasse
Zwölf Briefe von BEsseL an ÖLBERS. 747
nicht hätte entgehen können, um so viel mehr da ich die Sterne sämmtlich . vorher auf eine Karte gezeichnet hatte. Nach La Care finde ich für 6"40"s1°MZ. A.R.= 19° 19" 44" Deecl. 28° 19' 11" Das Wetter scheint wieder besser werden zu wollen, und dann hoffe ich, morgen Abend diesen Zweifel zu heben; der Komet wird sich sehr gut mit
Ü vergleichen lassen. Unveränderlich
Besser.
L. Nr.1348 [I S. 161]. [B. an ©. Nr. 703. Lilienthal 4 Feb. 1808.
Ich nehme mir die Ehre, Ihnen hier eine Abschrift meines Catalogs der 14 Braprrvr’schen Fundamentalsterne zu überreichen, durch welchen nun der erste Theil der Arbeit vollendet ist. Die Rectascensionen habe ich nur auf die Beobachtungen mit dem neuen Quadranten gründen können, und von den sämmtlichen mit dem alten angestellten habe ich zu diesem Zwecke nichts gebrauchen können, weil es sich nach vollbrachter Rechnung fand, dass dieses Instrument zu wenig Festigkeit besass, und im Frühjahr einen andern Theilungsfehler annahm als im Herbst. Freilich sind durch diese Schwierigkeit vier volle Jahrgänge verloren gegangen, indess gereut es mich nicht, sie so wie die anderen sieben berechnet zu haben, denn sie werden mir für die Declinationen, die mit diesem Quadranten beobachtet wurden, von grosser Wichtigkeit sein; zudem sind die noch übrig bleibenden Beobachtungen noch zahlreich genug, um den Rectascensionen alle zu wün- schende Genauigkeit zu geben.
Neulich schrieb ich Ihnen doch, dass meine Rechnungen mir ein von dem Bürg’schen total verschiedenes Resultat gegeben haben; hier theile ich Ihnen nun die Correetionen mit, die man den Rectascensionen der Sonne in Zeit hinzufügen muss, wenn man sie aus den mit der Braprey'schen Re- fraetion und der Polhöhe 51° 28'40" reducirten Declinationen berechnet. Beim Herbstaequinoetio erhalten diese Zahlen das verkehrte Zeichen.
Decl. © —ı4° bis —ı2° —0:093 96 Beob. „oo —-12 » —Io —0.095 106 ”»" 10. —8 —0.150 65» „8 » —6 —0.062 108 » » —6b -—4 —0.174 107: :» ” -— 4 r —2 —0.038 4:8 „0 —_-2 » o +0.224 145 » ” = 2 +0.005 320 4 » Em 4 +0.067 186 = » 4 » 6 —0.100 3% » DB: 9 8 +0.026 i » » 5.» 10 —0.114 143 » » 10.5: 12 —0.060 38 - 13...,% 14 —0.168 130»
Der Umstand, dass die Correetionen auf beiden Seiten des Aequators negativ werden, scheint auf eine unrichtig angenommene Schiefe der Ekliptik hinzudeuten; auch diesen Punkt werde ich nun unabhängig von aller Hypo- these über Refraction und Polhöhe untersuchen können. Ob die kleinen Un-
748 Gesammtsitzung vom 12. Juli.
regelmässigkeiten in dieser Tafel von Theilungsfehlern des Quadranten her- rühren, oder ob sie den Beobachtungen zuzuschreiben sind, kann ich nicht entscheiden, glaube aber lieber das erste. Vermöge dieser Correetionen habe _ ich alle Reetascensionen benutzen können, und auch solche Sterne haben ein sicheres Resultat gegeben, die hauptsächlich nur bei einer Nachtgleiche be- obachtet wurden. Der beste Beweis der Unstatthaftigkeit des Büre’schen Resultats bei diesen Beobachtungen ist also wohl die separate Angabe der Rectascensionen, so wie sie aus beiden Nachtgleichen und den Correctionen der Tafel folgen; aus ihrer Übereinstimmung wird man aın besten beurtheilen können, in wie fern diese Tafel als richtig angesehen werden kann. Ich setze Ihnen diese Vergleichung, die auch noch in anderm Betracht interessant
ist, her: Frühlingsnachtgl. Herbstnachtgl.
Aldebaran ge 21" 5384705 53°3644 79 u. 25 Beob. Capella 4 58 37.9676 38.0370 Re N Rigel 5 2 46.4750 46.3896 ee er, a Orionis 5 41 54.9128 54.8220 83 40.93.28 Sirius 6 34 20.9825 20.9652 80 » 106 » Castor 7 ı8 55.5695 55.5041 63 » 70 Procyon 7 26 27.7790 27.7730 96 » 115 » Pollux 7 30 17.3963 17.3890 88 » 107 » Regulus 9 55 17.9656 17-9342 K.n.1I908..% Arcturus 14 29.6186 29.6801 7. a Lyrae 18 28 38.7564 38.7801 36 » 136 » a Aquilae 19 38 49.5733 49.6091 60 » 185 a Cygni 20 ‚2112 re
Es scheint mir, dass man schon aus dieser Zusammenstellung ein Urtheil über die Richtigkeit der Reetascensionen fällen kann, und ich glaube man würde Braprey Unrecht thun, wenn man noch einen möglichen Fehler von einer Bogensecunde zugeben wollte, ausser bei Spica Virg., deren Position vielleicht 2" oder 3" fehlen kann. Mich freut es sehr, dass ich so gut har- monirende Resultate erhalten habe, bei einer Untersuchung, die ohne Zweifel das Wichtigste der ganzen Arbeit ist; ich sollte denken, dass dieser Catalog den neuesten Maskeryse’schen und Prazzı’schen wenigstens zur Seite ge- setzt werden kann.
ch bitte um Verzeihung meines eiligen Schreibens; ein Zufall ist Schuld daran.
Ihnen mich hochachtungsvoll empfehlend, bin ich
der Ihre F. W. Besser.
L. Nr.143@ [T S. 176]. [B. an ©. Nr. 75%.
Lilienthal 7 April 1808.
Ich bedauere es unendlich, dass ich Ihnen die Vergleiehung meiner elliptischen Elemente mit den Beobachtungen nicht schicken kann. Bei der Unsicherheit, womit die grosse Axe der Bahn der Natur der Sache nach bestimmt werden konnte, würde selbst die beste Harmonie mit den Beob- achtungen nichts für die Wirklichkeit des ihr gegebenen Werths beweisen,
2 denn durch Fehler von 10" bis ı 5" kann man eine völlige Harmonie mit der
Zwölf Briefe von Besser an ÖLBERS. 149
Parabel erkaufen. Mein Resultat gebe ich daher nicht als das wirklich in der Natur stattfindende, sondern nur als das die Beobachtungen bestmöglich darstellende. Aus diesem Grunde habe ich die Bahn nur an drei Oerter, die selbst durch die parabolische Bahn als ein Mittel aus allen in die Zeit des Anfangs, der Mitte und des Endes fallenden Beobachtungen bestimmt wurden, angeschlossen; also ein Verfahren gewählt, welches mich in den Stand setzte, die Übereinstimmung meiner Rechnung auch ohne nachfolgende Vergleichung zu beurtheilen. Zwar ist es mein Vorsatz, diese Vergleichung, die wenigstens dazu dienen kann, unseren Beobachtungen den Rang vor den anderen zu verschaffen, noch nachzuholen; aber bis jetzt habe ich sie noch nicht vor- genommen, weil ich ungern von meiner Arbeit über die Refraetion einige Tage abbrechen wollte, denn die sind, bei der grossen Menge der vorhan- denen Observationen, dazu erforderlich. Will man die Wahrscheinlichkeit der Fehler von 10" bis 15" nicht zugestehen, so kann man aus meiner Rechnung den Schluss ziehen, dass der Komet wirklich elliptisch ist.
Die Bedeckung 1®Tauri habe ich sehr genau beobachtet:
ı808 31. März Eintritt qB 159 27°%97 MZ. Austritt 8 22 41.24 »
Von unserm trefflichen Gauss habe ich eine neue Bestimmung der Vesta-Bahn erhalten, die sich auf die letzten Orıanı'schen Beobachtungen gründet, und aus 4 Längen nebst 2 Breiten berechnet wurde. Sie haben, wie Gauvss schrieb, diese Bahn noch nicht; ich theile sie Ihnen daher mit:
Epoche [Anf.] 1807 Paris 168° 10" 45:6 ägl. trop. Bewegung 978:8588 6
2 r ne — 51 ‘3 für die Epoche, siderisch ruhend Neigung Be Bahn 7 Excentricitä Basar: 58 Log. des m. abet 0.3728980
Diese Elemente geben für den Mai die A.R.9' grösser, die Decl. 2' nördlicher als die «dritten; sie wurden als ein Beispiel zu Gauss seinem Werke berechnet, und deshalb nicht auf eorrigirte, sondern auf wirkliche Beobachtungen ge- gründet.
Über die Refraetionen hoffe ich Ihnen am Montag das Finale schicken zu können; sie haben wieder eine ganz andere, noch mehr abweichende Ge- stalt erhalten, und werden gewisse Forderungen die die Theorie macht er- füllen — übrigens die erste Tafel geben die auf riehtige Gründe gebaut ist. Die beiden Sonnen-Beobachtungen die SvangEr6 in Torneä anstellte:
Refr. er
89° 43" a5"7 Z.Dist. 37'47'68 0.73156 Bar. u. —ı3°2 Centes.-Therm.
9 5.00 m 2 14.93 0.714344 * » —29.0 » habe ich erst gestern aufgefunden; alle Tafeln weichen bei diesen Observa- tionen enorm ab, Brapıey 5'0!0 und 5'59"4; meine Tafel wird sie bis auf Fehler darstellen, die in so grossen Zenithdistanzen sehr verzeihlich sind. Die Correction wegen der Wärme ist ganz anders als man annahm, und nichts weniger als danbinik: auch die Ursache weshalb ich den Coeffieienten zu gross fand, werden Sie sehen.
Die Nachricht von der gefährlichen Krankheit des guten Herre hat mich sehr traurig gemacht; Sie lassen mir wenig Hoffnung ihn wieder zu sehen und bereiten mich auf einen Verlust vor, den ich tief fühlen werde. Eine
750 Gesammtsitzung vom 12. Juli.
tröstende Überzeugung ist es mir, ihn in so guten Händen zu wissen, die ihn gewiss noch hier halten werden, wenn die Möglichkeit es erlaubt. Hochachtungsvoll Ir ganz eigener
F. W. Besser.
L. Nr. 1448 [I S. 176]. [B. an O. Nr. 758.
Lilienthal 14 April 1808'.
Nun sind meine Untersuchungen über die astronomischen Strahlen- brechungen beendigt, und ich habe das Vergnügen, Ihnen einliegend die Resultate davon zu überreichen. Sie bestehen in der Tafel selbst und in der auf ihrer Rückseite befindlichen Vergleichung mit den Beobachtungen. Die Form der Tafel weicht von der bisher angenommenen etwas ab, und man berechnet die wahre Strahlenbrechung aus ihr, nach der Formel
(R + (t'- 50)A + (t- 50)’B) (1 + ee c)
wo R die mittlere Strahlenbrechung, A und B die in der Tafel enthaltenen Coefficienten, C den ebendaselbst in der letzten Columne befindlichen Factor, und d' die auf 50° Therm. gebrachte Barometerhöhe bedeutet. Bei Höhen über 5° kann man ohne Bedenken © — ı setzen. Diese Form musste die Tafel haben, weil die Anderungen wegen des Thermometer- und Barometerstandes ganz anders sind als man bisher annahm; beide sind grösser, und so wie sie in der Tafel angesetzt sind, folgen sie aus der zu Grunde gelegten Theorie, unter der Voraussetzung, dass die Brechungskraft der Luft sich wie ihre Dichte verhält; eine Voraussetzung die alle meine Vorgänger irriger- weise auf die Strahlenbrechungen selbst ausdehnten. Die Formel, nach welcher die Tafel construirt wurde, ist
e” Tante Wi Refr. — er 2 * ring? ine “run oe 1-2 Fr sine! 3.0 Tine yıy3 re ER wo die Zeichen dieselbe Bedeutung haben, wie bei Larracr; und wo Ytyn das von t= ”" cotang 9 bis {= oo genommene und durch e ultie
plieirte Integral von e-'*dt bedeutet. Diese Formel gründet sich auf die
ns, ; Voraussetzung, dass die Dichte der Luft sich wie e ° 7-% verhält, wo ich h nach pe Luc = 4161.5 (1-+ 0.0020833 ... (t— 50)) angenommen, und g aus den beobachteten Refractionen = 83838.2 bestimmt habe. Den Coefficienten
! Orig. irrthümlich 1807.
Zwölf Briefe von BssseL an ÖOLBERS. 51
der Thhermometereorreetion fand ich vorher viel zu gross, weil ich es nicht wusste, dass diese Correetion bei grossen Zenithdistanzen in weit stärkerm als dem einfachen Verhältnisse wirkt; nach der vollständigen Entwickelung dieser Theorie hatte ich nun das Vergnügen, meinen Coeffieienten dem La- prace’schen so nahe gebracht zu sehen, dass der kleine Unterschied weit geringer war als die Unsicherheit, die die astronomischen Beobachtungen dabei übrig lassen, und die wohl auf !/2o des Ganzen steigt; ich legte dalıer den Lartacr’schen Coefficienten zu Grunde.
Die Grösse a habe ich auch etwas verändern müssen; ihre Verbesserung beträgt +0!140, sie selbst also 57'538. Die Horizontalstrahlenbrechung ist noch grösser geworden, und nun auf 36' 6'51 gestiegen. Ich hoffe, dass die Vergleichung meiner Tafel mit den Beobachtungen den Kenner befriedigen, und ihr einen Vorzug vor den bisherigen Tafeln versichern wird; eine Ver- gleichung mit Deramsre’s Tafel habe ich beigefügt, damit man es desto besser beurtheilen kann, dass die Refraetionen in sehr kleinen Höhen wirklich viel zu klein angenommen waren. Bei den Sternen, die unter 3° Höhe in Greenwich culminirten, habe ich jede Beobachtung einzeln verglichen, um dadurch die Sicherheit kennen zu lernen, die man meiner Tafel in so grossen Zenithdistanzen zuschreiben darf; es scheint aus dieser Vergleichung hervor- zugehen, dass man sich auf die Refractionen über 2'/,° Höhe schon mit voller Sicherheit verlassen kann, indem die Fehler die unvermeidlichen Unregel- mässigkeiten der Beobachtungen kaum übersteigen; — um Sie in den Stand zu setzen, dieses selbst zu beurtheilen, habe ich diese Vergleichung auf die Rückseite der Tafel geschrieben.
Angenehm war es mir, meine Tafel auch mit einigen fremden mir be- kannten Beobachtungen vergleichen zu können. Zwei davon sind von MeEcnaın in Carcassonne bei der unteren Culmination des 7 Ursae maj. gemacht, und geben mir, wenn ich die Deeclination des Sterns im Mittel aus Maskzıyxe's, Pıazzr's, Lerrangaıs’ und Cassını’s (letzterer beobachtete mit einem Cerele repetiteur) Beobachtungen annehme:
1798 Jan. ı8 86° ı5' 48'534 ZD. ı2' 3"96 29.19 Z.Engl. 47°75 Fahr. Fehler +0'8; Derausre = “7 “45 = 45°2027 78 1242.35 30.156 "= .46.68 2° . 0-21, » 2.5
Die beiden anderen sind die Sonnenbeobachtungen, die ich Ihnen neulich mittheilte: bei der ersten fehlen meine Tafeln —86!1; Deramsre —5'I bei der anderen —32’6, DeLAmBRE —3' 35'0. Ich hoffe, man wird die Fehler die hier noch stattfinden gern entschuldigen, wenn man einen Blick auf die Unregelmässigkeiten wirft, die sich bei den Greenwicher Beobachtungen der Wega zeigen, und die es beweisen, dass so sehr nahe am Horizont Störungen existiren, die wir nicht dem Caleül unterwerfen können.
Die Berechnung der Refractionen und ihrer Änderungen nach obiger Formel ist äusserst henchiveilich: allein einige Erleichterungen die ich an- gebracht habe, vorzüglich die Construction sehr bequemer Tafeln für Yi, haben mir den beträchtlichsten Theil der Mühe erspart, und mich in den Stand gesetzt, diese Formel selbst für grosse Höhen, und für diese mit ausserordentlicher Leichtigkeit, anzuwenden.
Ich habe die Ehre mich Ihnen zu empfehlen und bin
gehorsamst
F. W. Besser.
752 Gesammtsitzung vom 12. Juli.
Ein dem Brief beiliegendes Blatt enthält eine »Refractionstafel, auf Brapey’s Beobacht- ungen gegründet«, und die Vergleichung derselben mit den Braprey’schen Beobachtungen. Die Tafel ist nach weiterer geringfügiger Modification der Constanten ausführlicher Fund. p. 45-5 ne die verglichenen Beobachtungen sind die Fund. p. 53-54 ‚zusammengestellten. Die
Vergleichung gibt, wie die noch ältere Brfw. I S.1ı67, neben den Fehlern der vorläufigen Besser’schen Tafel auch die, in Fund. nicht wieder aufgeführten, Fehler der Drr.Aauere’selen Refraetionstionstafeln.
L. Nr. 160a [I S. 196]. [B. an ©. Nr. 8ıa.
Lilienthal 24 Nov. 1808.
Was Sie, hochzuverehrender Freund, mir wegen Bexzexgerg’s Vorschlag schreiben, ist mir so aus der Seele geschrieben, Bias ich meine Antwort an ihn gewiss nach Ihrem Willen eingerichtet habe. Ich erkenne es allerdings, dass B. es gut mit mir meint, ünd ich überzeuge mich gern, dass ich m in meinem letztän Briefe an Sie etwas Unrecht "gethan Babe BENZENBERG’S Brief war mir also auch deshalb angenehm, weil er mein etwas schiefes Ur- theil berichtigte und mich von seinem Eifer für diese Sache versicherte, den ich nach den Umständen bezweifeln zu müssen glaubte. Ich gestehe es auf- richtig, dass eine solche Arbeit wie die in Düsseldorf wenig Reiz für mich hat, a dass ich eine astronomische unendlich viel angenehmer finde; von der Gradmessung scheint überall nicht mehr die Rede zu sein, und dann sehe ich es nicht ein, was ich eigentlich in Düsseldorf soll. Bei allem guten Willen wird es dann REN nicht gelingen, eine so unnütze Person wie ich dort sein würde anzubringen; die Direetion der Messungen hat BrxzEx- BERG, zu den Operationen im grossen werden die Trigonometer gebraucht; es fehlt also wie es scheint nur Einer der die Controlen führt, und den wird man nicht mit 1000 ®%f besolden. Meine Hoffnung, die Sache noch ausge- führt zu sehen, ist daher sehr schwach, und ich kann es nicht läugnen, dass eine Verzichtleistung auf die Anstellung, wenn die Gradmessung nicht aus- geführt werden sollte, mir wenig Aufopferung kosten wird.
Noch einmal habe ich am 19. unsere Fernrohre auf die Gegend richten können, wo der Komet stehen musste, allein es war wieder nichts da, und die Stelle des 9. war noch immer leer. Halten Sie es der Mühe werth, ein- mal zu versuchen, ob es möglich ist, den Ort des 9. mit den Beobachtungen vom vorigen Jahre zu vereinigen? — ich glaube es nicht, da meine zweiten Elemente von den ersten nur 4'38'9 in A.R. und 43'7 in Deel. abweichen, und der beobachtete Fehler fast sechsmal so gross ist.
ie mag es zugehen, dass Kröszr’s Zahlen für die achromatischen Gläser nicht mit der Praxis übereinstimmen, wie Rersorn gefunden hat? — Da die englischen Gläser andere Verhältnisse befolgen, so scheint es fast, als wenn die Theorie unrichtig entwickelt wäre; der Grund dieses Wider- spruchs muss sich doch auffinden lassen.
ch habe an einigen heiteren Abenden Bestimmungen unserer Polhöhe gemacht, und gefunden
53° 8’ 29'2 3 Sterne 23-7 ..»
.31.0 yih
Zwölf Briefe von BesseL an ÖOLBERS. 153
unter nicht sehr vortheilhaften Umständen; ich werde diese Beobachtungen fortsetzen, da sie gewiss das beste Mittel gewähren, die Polhöhe mit unseren Instrumenten auf einige Secunden zu bestimmen. Es empfiehlt sich Ihnen gehorsamst Ihr ganz eigener F. W. Besser.
L. Nr. 160b [I S. 196]. [B. an ©. Nr. 8ıb, Lilienthal 7 Dec. 1808.
Die Veranlassung meines heutigen Schreibens ist die Bitte um gütige Mittheilung der beiden letzten Bände der Conn. des Tems (1808 und 1809), auf acht bis vierzehn Tage. Schon lange habe ich diese beiden Theile ver- gebens bestellt; ich bin sehr um eine Recension davon gebeten und erbitte sie mir zu diesem Behuf von Ihrer Güte, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass die Erfüllung dieser Bitte Sie nicht belästige.
Noch vor Weihnachten werde ich meine Untersuchungen über die Parallaxen der Fixsterne beendigen, und damit alle Materialien zum ersten Theile des Werks über Branpıer’s Beobachtungen beisammen haben. Zwar wird sich noch mancherlei nachzuholen finden, indess glaube ich sicher, diesen Theil gegen Ostern völlig ausgearbeitet zu haben. Die Resultate, die ich über die Parallaxen finden werde, hoffe ich Ihnen persönlich einzu- händigen, und eher werde ich wohl das Glück nicht haben Sie dort zu umarmen.
Sie haben mir von der Herausgabe einer neuen Umarbeitung Ihres Werks über die Kometentheorie nichts weiter geschrieben — vermuthlich, weil Sie erst die Erscheinung des Werkes unseres lieben Gauss abwarten wollen; — ich glaube Sie sind es sich selbst und der Wissenschaft schuldig diesen Plan auszuführen. Die Mühe, die Sie dadurch haben werden, wird ihren Lohn in der Gewissheit finden, dass nur durch Ihr Werk der Nutzen herbeigeführt werden kann, den Sie von der ersten Ausgabe rechtmässig erwarteten, und der nur deshalb nicht völlig allgemein war, weil die deutsche Sprache ihre Verbreitung hinderte.
Ich empfehle mieh Ihnen gehorsamst und bin
der Ihrige F. W. Besser.
L. Nr.166a [I S. 204]. B. an ©. Nr. 838, [Lilienthal . . Febr. 1809.] = je-e(t Ve elle (1 -V5) +yV5 3-V2
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1754 Gesammtsitzung vom 12. Juli. «8-V2) = }(3-V2-(1-V3) )a-V3-1-V3-y} VE -Veraiy-ß-7dyl' + JU-VE)arlie] = 3-3) + Wa) Hl) =; sn 2 ’+(5-3V5 s)ay+(4 are 3) y G Vz 3) » +(5-7V; >E “= -10Y5) h (3-2V;)> -(1-2V5) +: s - (3-3V5)2’+(5-8V ,)ay+ (3 -11V5)y
s.975 5-8/; 2Y5 #8) = oa ®* LT
Die Gleichung der Ellipse für Abseissen aus dem Mittelpunkte, und auf der Axe, ist
oder
ag
Allein x ; :
= re ee SINP=X7COSPE+YySINYp
= (y-ztgo) cosp =yc0SpP —zsingp folglich
y° cosp’— 2ry sing Cosp+2’ sing’ = ua c0Sp’— 2ry sinp COSpP—y’singp'| oder er i Gay jeos P+Zr sing’) — 2rysing cosp I +2” !sin p’+ 5 cosp \ oder sinp’ cosp 3 cosp’ sing’ l1=#° a - 22y sing cosp = Eu + Gi Sa
Man hat also
sinp' cosp x er _—_ rt = 15-3V5|: a (3-72) a Ä)
—2sinp c0sp 5-89}: » 2} mo B-1Yd: >»... (3)— (I) geben ea jcos p’ -sing la) cos 2p = 5- sy}: a’ (3-2)
und da GO... 0000 az sin 29 =- }5-8Y5}: a’ (3-V2)
Zwölf Briefe von BesseL an OLBERS. 755
so ist tg 2p=-—l, oder 2p = 135° (der andere Werth, —45°, darf nicht ge- nommen werden, weil die Gleichungen für X und Y ein positives p voraus- setzen, so wie es in der Figur! ist), folglich
o= 075° und sing’ = eh ge cosp’= =;-;/2 (1) gibt daher
347} 4-198 ahı,: ee -3V5 | : a (3—V2)' 14/5 bwl EA here ev 3-1105: : Summe ner = }14- 14Yzt: a :(3_.y3)’
Vz_); Unterschied we a 5+8/, Sr :
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a(3—V2)
= y(ıı-ı2Y,) %
L. Nr.167a |I S. 205]. [B. an ©. Nr. 84a.
Lilienthal 2 März 1809.
Am Montag entledigte ich mich meiner Schuld, durch Zurücksendung der mir gütigst geliehenen Bücher; ich hoffe Sie werden sie richtig erhalten haben. Den einliegenden Brief vom H. v. Linpenau habe ich mit voriger Post empfangen, und eile ihn Ihnen mitzutheilen. Er ist mir interessant, wegen des von den Beobachtungen des Polarsterns darin gesagten, indem er mich wegen der kleinen Differenz in den Braprry'schen Beobachtungen völlig be- ruhigt, und mich überzeugt, dass eine zufällige Ursache die oft erwähnte Anomalie leicht erklären kann; zugleich zeigt er mir, dass die Braprer'schen Beobachtungen eine Superiorität vor den von v.L. redueirten behaupten
I „Briefwechsel ..« I S. 202.
756 Gesammtsitzung vom 12. Juli.
können. Der Grund, warum ich Ihnen den Brief communieire, liegt in der Äusserung in Betreff meiner, aus welcher ich eine Idee, mich nach Seeberg zu bringen, zu errathen glaube. Die edelmüthige Freundschaft, die ich so oft in Ihren Handlungen erkannt habe, hat Sie früher veranlasst, Schritte die dahin führen können zu thun; vielleicht haben diese weiter geführt als ich weiss, und es ist möglich, dass Sie von Lınpexau’s Meinung errathen können. Auf jeden Fall erbitte ich mir Ihre Anweisung über die an H.v.L. zu ertheilende Antwort, die ich, obgleich ich wohl einsehe, dass sie ohne weitere Beziehung abgefasst werden muss, doch nicht ohne Ihren Rath ab- senden wollte. Es ist allerdings sehr möglich, dass v. L. eine ganz andere Idee hat; allein aus dem was er wohl früher geäussert hat, scheint zu folgen, dass er nicht immer auf Seeberg bleiben wird.
Unser guter Lvrper hat seinen jüngsten Bruder verloren; er starb bei einem Besuche in Göttingen. Mir ist das traurige Geschäft zu Theil geworden, ihm diesen Verlust bekannt zu machen.
Unsere Sternwarte wird jetzt ausgebessert — wenigstens so weit, dass man wieder ein Teleskop herausfahren kann. Wenn das Wetter günstig ist, so hoffe ich die Bedeckung der Spica am Sonntag, trotz des schlechten Zu- standes unserer Gebäude, gut zu beobachten.
Gauss hat mir durch Harvına eine Abschrift des Maskeryxe’schen Sterncatalogs für 1770 geschickt; — eine Vergleichung mit dem meinigen gibt mir folgende Unterschiede, die, mit ihrem Zeiehen an meine Örter an- gebracht, die Maskeryxe’schen geben.
Aldebaran +0:004 ı22 Beob. von Mask.
—0.563 22.8 »
a —0.178 n3::» . »
a Orionis —0.046 156 » » »
jirius +0.080 ES, » »
Castor —0.253 » „ „
Procyon +0.005 106 » ”
lux —0.159 95 >» » »
Regulus —0.216 9 » » „
pi —0.087 95 » » »
Areturus —0.049 174 >» » »
a l,yrae —0.120 » » „
a Aquilae —0.011 184 » . „
a Cygni —0.102 4 » » » Den räthselhaften Unterschied bei Capella ausgenommen, sind die anderen nicht sehr beträchtlich; — im ganzen scheint MAskELyneE 1770 die Ascen-
sionen etwas kleiner gefunden zu haben als Branrey 1755. Der mittlere Fehler oder Unterschied beträgt kaum eine Secunde, und beruhigt mich einigermassen über einen vor einiger Zeit gefundenen etwas problematischen Umstand. Früher habe ich Ihnen geschrieben, dass der alte Greenwicher Quadrant sehr thermometrisch war, und dass die damit gemachten Obser- vationen eine von der Temperatur abhängende Correetion erfordern; dieser Ursache schrieb ich es zu, dass die in den ersten Jahren (mit diesem In- strument) beobachteten Zenithdistanzen der Sonne den Fundamentalsternen eıne etwa 7" kleinere Rectascension geben, als mein sich auf den neuen Quadranten stützender Catalog. Viele Zenithdistanzen von Sternen geben mir, nach einer wiederholten, sehr sorgfältig geführten Untersuchung, die Correetion
der Zenithdistanzen — — 7 — }20:65 — 0!30 (t- 50°)!. Diese brachte ich bei a
den Sonnenbeobachtungen, die den Fundamental-Sternen zur Grundlage a q
Zwölf Briefe von BesseL an ÖLBERS. 757
dienten, in Rechnung und fand, für die beiden am vollständigsten observirten Sterne:
Procyon a Aquilae AR. nach dem Üataloge 1269273776 19838” 49°600 Beob. mit dem alten sö g- 27.418 49.279 » ohne Üorreetion 27.256 49.153 Anzahl der Beob. o 110 ; 2 Ä .: IORSER Also gibt, selbst nach der Correetion, der alte Quadrant die Ascension 5 : *
in Zeit kleiner als der neue. Dagegen geben eben diese Sonnenbeobacht- ungen die Polhöhe =351° 28' 39!55, nur o!I von der vorher gefundenen ver- schieden. Mehr Sterne habe ich nicht berechnet, weil ich voraussehen
konnte, dass sie ähnliche Resultate geben würden. — Mich hat diese starke Differenz manchmal über ihre Ursache nachdenken lassen, allein ich gestehe, dass sie mir völlig unbegreiflich geblieben ist; — nun hat die Vergleichung
mit MaskeLyse mich wenigstens überzeugt, dass der neue Quadrant, wie ich es auch erwartete, obgleich ich eigentlich nicht recht deutlich einsehe warum, Recht behalten muss. Behalten Sie in Ihrem gewogentlichen Andenken Ihren ganz eigenen
F. W. Besser.
L. Nr. 1698 [I S. 207]. [B. an ©. Nr. 84».
Lilienthal 9 März 1809.
Recht herzlichen Dank für Ihren gütigen Brief, der mir in jeder Hin- sicht so angenehm sein musste! — Die Bücher, womit ich Ihre Verfügung befolgt habe, werde ich Ihnen so bald als möglich wieder zurückschicken; sie enthalten manche interessante Aufsätze. Obgleich ich nicht glaube, dass der über die Spiegelteleskope etwas Neues enthält, so wird er mir wenigstens das Vergnügen gewähren, ein dem hiesigen sehr ähnliches Verfahren daraus kennen zu lernen. Poxp’s Polhöhe von Greenwich 51°28' 39"4 stimmt nahe genug mit der meinigen 51°28' 39!65.
Herrn v. L. habe ich heute das was Sie wünschen geantwortet; — ungeduldig erwarte ich nun was er darauf erwidert. Mit der Bedeckung der Spica ist es mir, zwar nicht eben so, aber doch eben so schlecht ge- gangen. Einen grossen Theil der drei heiteren Tage vor der Bedeckung hatte ich angewandt, eine Menge von correspondirenden Sonnenhöhen zu nehmen; die Nächte um die gute dadurch erhaltene Zeitbestimmung auf den Sonnabend zu transportiren. Am Sonnabend Abend bewölkte es sich bei Sonnenuntergang, allein gegen acht Uhr heiterte es sich wieder auf; um zehn Uhr wurde es zum zweiten Mal wolkig, und gegen Mitternacht wieder heiter; ich stand am Fernrohr um den Austritt zu erwarten, aber als der Mond hinter den Wolken hervorblickte, war Spica schon ausgetreten, und stand etwa eine Minute vom dunkeln Mondrande. — Einen ärgern Possen konnte mir das Wetter nicht spielen, denn die ganze Nacht und die darauf folgenden blieben heiter.
as gute Wetter hat den Justizrath S. veranlasst, schon jetzt das Dach und die obere Decke des Observatoriums abbrechen zu lassen; — wir haben
-
758 Gesammtsitzung vom 12. Juli.
also alle Instrumente und Bücher herunter schaffen müssen. Hoffentlich werden wir nicht lange delogirt bleiben; die Arbeiter befleissigen sich der Eile, und wir unterlassen das Antreiben nicht.
Es freut mich sehr, dass nach Ihrem Urtheil die Unpässlichkeit unseres guten Justizraths von keiner Bedeutung ist.
wig der Ihrige F. W, Besser.
L. Nr. 1712 [I S. 209]. [B. an O. Nr. 852.
Lilienthal 15 Juni 1809.
Seit dem Montag, da ich das Vergnügen hatte einige glückliche Stunden bei Ihnen zu geniessen, wofür ich Ihnen nochmals meinen wärmsten Dank bringe, habe ich den beikommenden kleinen Aufsatz für das neue Jahrbuch verfertigt. Grosses Interesse kann er für Sie nicht haben; ich schicke ihn Ihnen daher nur, weil ich wünsche, dass Ihr heller Blick die darin etwa noch befindlichen Fehler bemerken, und mir ihre Verbesserung möglich machen möge. Wenn Sie es erlauben, so wollte ich wohl bei Gelegenheit der drei Petersburger Beobachtungen etwas von Ihrer schönen Idee, den Kometen wieder aufzusuchen, im Jahrbuche erwähnen, und auch meine fruchtlosen Versuche in der Kürze anführen.
Ich empfehle mich Ihnen gehorsamst als
der Ihrige F. W. Besser.
L. Nr.1zıb [I S. 209]. [B. an ©. Nr. 85b.
Lilienthal 24 Juni 1809.
Die wichtige Nachricht in Ihrem gütigen Briefe hat mich sehr in Er- staunen gesetzt; ich eile Ihnen Harpına’s Brief zurückzuschieken und Ihnen meinen Dank für die Mittheilung desselben zu bringen. -—— Es gibt doch so manche Dinge, von welchen unsere Philosophie sich nichts träumen lässt! — und doch scheint mir die stetige Abnahme des Sonnendurchmessers ein Ding zu sein, welches vielleicht eher im Traume als in der Wirklichkeit existiren könnte; ich wenigstens werde ungläubig sein, so lange bis v. Linpexau’s Zahlen mich bekehren. Ich vermuthe, dass H.v.L. nicht zwei, sondern mehrere Epochen der Sonnendurchmesser bestimmt hat, sonst würden seine Schlüsse offenbar wohl etwas zu gewagt sein. Die verschiedene Deutlichkeit der Fernröhre scheint auch mir zu einer wahrscheinlichen Erklärung dieses Phänomens zu führen, allein sie würde dann etwas von ihrer Wahrscheinlich- keit verlieren, wenn die Durchmesser auch in der Zwischenzeit eine regel- mässige Abnahme erlitten haben sollten. Unter den möglichen Erklärungs- arten der periodischen Ungleichheit ist vielleicht auch folgende: der Quadrant kann solche Fehler gehabt haben (ich setze nämlich voraus, dass die Be- stimmungen sich auf Zenithdistanzen und nicht auf Culminationen der beiden _ Ränder gründen) wie Tosıas Mayer am Göttinger Mauerquadranten entdeckte — Biegungen des Gradbogens, die den senkrechten Stand des Horizontal-
Zwölf Briefe von BesseL an ÖLBeErs. 759
fadens auf der Ebene des Meridians affieiren und den Parallelismus dieses Fadens mit der Bewegung der Sterne stören; diese Ungleichheit wird auf den Sonnendurchmesser wirken, weil beide Zenithdistanzen nicht in einem Momente beobachtet werden können; die Wirkung wird für jede Zenith- distanz anders sein, und die Greenwicher Astronomen, die vielleicht immer denselben Rand zuerst beobachten, können aus dieser Ursache, verbunden mit der Bewegung der Sonne in Declination, wirklich eine von der Declination abhängige Ungleichheit gefunden haben, die aber für gleiche Declinationen nicht gleich zu sein braucht, weil die von der Veränderung der Deelination herrührende Correetion im Frühjahr ein anderes Zeichen hat als im Herbst; je länger die zwischen beiden Messungen verflossene Zeit war (sie betrug vielleicht 1”), desto grösser kann der erwähnte Fehler werden. So weit ent- fernt ich bin, diese Erklärung für wahrscheinlich zu halten, so glaube ich doch, dass sie unter den Möglichkeiten eine Stelle verdient. Eine genauere Anzeige der Sache selbst wird uns hoffentlich in den Stand setzen, gegrün- detere Muthmassungen darüber zu wagen.
Nun noch etwas, was mich angeht und mir sehr am Herzen liegt: Sie haben H. v. Linpenau’s Brief in Betreff des Seebergs gelesen, dass die kriegerischen Umstände für jetzt ein Hinderniss der Ausführung seiner Idee sind. Sind Sie auch dieser Meinung? — oder würden Sie es vielleicht lieber sehen, wenn schon jetzt einige dahin abzielende Massregeln getroffen werden könnten? — könnten diese hicht durch eine Verwendung von Ihnen oder Gauss bei H.v.L. bewirkt werden? — ich begreife zwar wohl, dass der Herzog jetzt Sachen zu bedenken hat, die ihn weit näher angehen, allein mir schöne es doch immer, dass eine kleine Einleitung der Sache nicht schaden könnte; nur glaube ich nicht, dass es passend sein würde, wenn ich selbst
darum anhielte. — Ich fühle sehr deutlich, wie viel von meinem künftigen Glück an der Ausführung der Idee des H. v. L. hängt, und es ist mir wohl nicht zu verargen, wenn ich diese Idee etwas zu fixiren wünsche; — Ihre
Meinung hierüber, um deren gelegentliche Mittheilung ich bitte, wird mir sagen, ob etwas und was jetzt bei dieser Sache zu thun ist.
Die Bemerkung über den Übereilungsfehler in meiner kleinen Abhand- lung werde ich dankbar benutzen. Ihr Schweigen über die neulich erbetene Erlaubniss, etwas von Ihrer Idee, den Kometen von 1807 wieder aufzusuchen, an Bope mittheilen zu dürfen, nehme ich für eine Einwilligung, wenn Sie es nicht noch anders erklären.
Die Becrer’sche Buchhandlung in Gotha hat mir einen Wechsel von 50 As für einige zur Monatlichen Correspondenz gelieferte Beiträge geschickt; — auch für diehe kleine Einnahme gebührt Ihnen der Dank!
Mit H. Unrnorn habe ich hier einen sehr angenehmen Tag verlebt; er scheint mir ein Mann von sehr hellem Verstande zu sein; darf ich um eine Mittheilung seines Werks auf einige Tage bitten? — ein von mir bestelltes Exemplar wird hoffentlich bald ankommen. Die schadhaften Stellen im Gauss’schen Werke werden sich, wie der Buchbinder mich versichert. sehr fein ausbessern lassen.
Es umarmt Sie hochachtungsvoll
der Ihrige ' F. W. Besseı.
Sitzungsberichte 1900. 69
760 Gesammtsitzung vom 12. Juli. L. Nr. 2202 [I S. 396]. [B. an ©. Nr. 1152,
Königsberg den ı Dee. 1814. Verehrter Olbers.
Da ich heute Ihren lieben, mir so sehr angenehmen Brief vom 19 No- vember empfangen habe, so bin ich noch voll lebhafter Freude, einmal wieder etwas von Ihnen gelesen zu haben; und ungern würde ich eine Gelegenheit, Ihnen sogleich zu schreiben, vorbeilassen. — Da ich äusserst gern jetzt für meine Bradleyana einen Verleger hätte, und da ich mich ungern zu dem Mittel, welches Sie mir vorschlagen, verstehen möchte, so habe ich heute noch den Versuch gemacht, mein Werk den Herren Perthes und Besser anzubieten. Da diese Handlung fast die einzige in Deutschland ist, die be- deutenden ausländischen Verkehr unterhält, so wird sie am besten die Ver- breitung ihrer Verlagsartikel besorgen können. Die Bedingungen theilte ich Ihnen früher einmal mit.
Im Verlauf dieser Arbeit bin ich auf sonderbare Resultate gestossen; ich habe nämlich die Untersuchung der Parallaxen der Fixsterne noch einmal umgearbeitet; jede einzelne Beobachtung nach der Methode der kleinsten Quadrate behandelt, und auch die Verbesserung der Aberration zu bestimmen gesucht. So habe ich zu Endresultaten erhalten:
a Canis maj. u. aLyrae 207 Beob. a Canis min. u/ a Aquilae 200 Beob. m+7'1.227 = 0'044; €’ = 0!2430 +m':1.005 = +0'9313; e€' = 0.2085 Aberrat. = 20'255 +0'6247 0"1417 Aberrat. = 20'255 +0'0466 01703
a Ursae min. 254 Beob. oder ı17 Bestimmungen m = —0'1477; €’ = 0!0802. Aberrat. = 20'255 +0'5001 0.0928
e" bedeutet hier den wahrscheinlichen Fehler des gefundenen Resultats. Oder die Grenze, auf deren beiden Seiten, der Wahrscheinlichkeitsrechnung zufolge, gleich viele Fehler liegen. Es ist durchaus kein Grund vorhanden, zu glauben, dass das Gefundene der Wahrheit näher kömmt. — Sie sehen hieraus, dass das, was ich schon früher fand, vollkommen bestätigt wird: näm- lich nur a Canis min. und a Aquilae zeigen eine merkliche, sehr kleine Parallaxe. Der Polarstern gibt sogar eine negative. — Allein die Aberration muss, nach dem einstimmigen Zeugniss dieser drei Rechnungen, vergrössert . werden, und zwar, wenn man auf gehörige Weise das Mittel nimmt, um +-0'4530; und das dieser Bestimmung zugehörige e' ist = 0!07063. Nun ist es gewiss äusserst wenig wahrscheinlich, dass die Beobachtungsfehler allein diese Vergrösserung erzeugt haben sollten, denn sie ist 6"/,Mal grösser als e', und man kann leicht zeigen, dass so grosse zufällige Fehler äusserst selten vorkommen. Indessen habe ich mich bemüht, für dieses Resultat Bestäti- gungen zu erhalten; da Branrer’s Seetorbeobachtungen in Wanstead nicht detaillirt bekannt sind, so habe ich die in Greenwich gemachten, die hierzu dienen können, berechnet. Allein nur eine Reihe (nämlich y Draconis) konnte benutzt werden. Sie enthält 64 Beobachtungen, und gibt die Verbesserung der Aberration = -++0'5423, und e' ist — 0'1103. Schliesst man drei Beobachtungen, die der Vergrösserung der Aberration am günstigsten sind, aus, so wir
diese doch noch —+0'220; allein diese ist höchst wahrscheinlich viel zu klein. Ferner habe ich, mit minderm Erfolge, meine eigenen Polarsternbeobachtungen berechnet. Sie finden die Resultate auf dem einliegenden Blättehen. Nach den kleinsten Quadraten habe ich diese Beobachtungen noch nicht behandelt; in-
Zwölf Briefe von Besser an OLsers. 761
dessen sehe ich doch, dass sie die Parallaxe = 0 und die Vermehrung der Aberration äusserst klein geben werden. Nimmt man drei Mittel:
15 Beob. März —Mai 35"”48°53 + 2 Corr. Aberr. 11 Juni Juli 48.40 +0 » ” 18 » Sept. —Dec. 48.47 —2 » „
wo der Coeffieient der Vermehrung der Aberration nur ungefähr angesetzt ist, so stimmt alles, ohne irgend eine Correction, aufs beste überein. Dennoch magich diese Beobachtungen nicht gegen die zahlreicheren Braprey’schen setzen, und ich bitte Sie, in dieser Hinsicht noch weitere Beobachtungen abzuwarten. Vielleicht ist meine Bestimmung im Frühjahre zu gross; wenigstens verdient sie, mehrerer Ursachen wegen, nicht so viel Vertrauen als die anderen Be- stimmungen. Dagegen erklärt meine Vergrösserung der Aberration die Unter- schiede, die Poxp in den Declinationen des Polarsterns im Sommer und Winter gefunden hat, vollkommen; — und sogar meine eigenen Zenithdistanzen dieses Sterns stimmen mit der grösseren Aberration besser, was aber freilich nicht viel sagen will. — Auf die elliptische Gestalt der Erdbahn wird bei der Aberration dadurch Rücksicht genommen, dass man mit der wahren Sonnen- länge die Aberration berechnet; übrigens fügt die Excentrieität nur ein con- stantes Glied hinzu, welches daher nicht berücksichtigt zu werden braucht. Die tägliche Aberration ist für verschiedene Sternwarten so wenig verschieden, dass man sie für Europa ganz vernachlässigen kann; allein für Beobachtungen ausser dem Meridian hätte ich sie freilich anführen sollen. — Was Pıazzı be- obachtet hat, verstehe ich gar nicht; — eben so wenig wird mir Zacn’s A.R. erklärlich. Die eigene Bewegung finde ich jetzt 1755 = +0! 075068; 1815 — —+-0:090381. Natürlich, Be lnlend. ist der Einfluss dieser eigenen Be- wegung auf den Coefficienten von #. Meine Formel, die meine eigene A.R. voraussetzt, und übrigens mit der grössten Schärfe entwickelt wurde, ist für 1815 +t und 1755 +1
ON 55" 481387 +2» 14815354 ON 43" 42%292 +. 10'38094 + 1” - 0.0405998* +1? ». 0.0241243 +1? »0.000126115 Er . 0.000063932 + t! »0.00000038501 + t' .0.00000016866 +’ .o0. 1395 + £° . 0.0000000004 367 + t? . 0.000000000003237 + £° . 0.000000000001 103
Herzlichen Dank für Ihre Mittheilungen über die Schiefe der Ekliptik. — Über den Kometen habe ich, bei der grossen Masse auf mir liegender Ar- beiten, nichts thun können. Die Wıssıewskr’schen Sterne habe ich aber bestimmt; bis auf zwei, die bei ihrer äussersten Lichtschwäche (obgl. W, sie von der 8'" Gr.notirt, da sie doch kaum die 11“ haben) nur am Mittags- fernrohr beobachtet werden konnten. — Sobald mein Bradley unter der Presse ist, hoffe ich aber Zeit für diese Untersuchung zu gewinnen. — Wollen Sie nicht auf No. 3 °P (für 1755 23°20' 5"6 +16° I0' 32"4) aufmerksam sein? — er ist gewiss veränderlich. Frausrern bat ihn von der 8" und 6" Grösse; Zaıcn hat ihn auch: nach Pıazzı fehlt er.
Ich habe eine Gelegenheit gefunden, die Sachen für ALsers durch einen Reisenden bis Berlin oder Hamburg zu senden, von wo sie ihm mit der Post zukommen werden. — Linpexau und Gauss haben mir, zu meiner grossen Freude, geschrieben. — Frau und Kind sind bei mir wohl. Die erstere dankt herzlich für Ihren freundlichen Gruss, den sie eben so herzlich erwidert. Sobald ich Zeit gewinne (die heutige Post übereilt mich) schreibe ich Ihnen
69*
762 Gesammtsitzung vom 12. Juli.
mehr; indessen hoffe ich auf Ihre gütige Antwort, und bringe auch meine Frage wegen der Correetionstabelle des Greenwicher Quadranten wieder in Erinnerung. — Ewig der Ihrige!
F. W. Besser.
[Beilage ::] Polarstern-Beobachtungen in Königsberg. 1815 1815 1815 1813 Nov. 13 55 .. 1814 Mai 21 55" 5111 1814 Sept. 21 55"47:01 Dee. %1; ”.::.02 .41 23 48.34 ı814 März 22 Er Juni ı 45.59 n..24 47-74 23 45.05 nr 50.76 "26 47-97 April 10 50.09 „ 7 46.30 0 49.93 5 50.12 a 49.25 » 28 45.72 » 12 48.99 » 9 48.85 Oct. 6 49.91 » 48.33 te, 48.88 a 46.62 „14 47-64 WERE 47-92 ir 47.88 Eh 47.25 4 47.66 m... 82 49.26 » 16 49.01 Juli 3 50.72 Nov. ı 49.50 :» 9 46.69 49.51 ee, 50.49 " 47-27 a . 46.99 x 3 49.21 Mai 16 48.95 Sept. 13 48.06 ” 4 47-32
763
Über neue Beziehungen zwischen Hirnrinde und hinteren Rückenmarkswurzeln hinsichtlich der Be- wegungsregulation beim Hunde.
Von Dr. Avorr Bicker und Dr. PAun JAcoR.
(Aus dem Physiologischen Institut der Universität Berlin. Vorgelegt von Hrn. EngEeLmAnn.)
Wenn man einem Hunde lediglich die sensibelen Rückenmarkswurzeln intradural für die Hinterextremitäten in beiderseits gleicher Ausdehnung durehschneidet, so beobachtet man nach dieser Operation gewisse Störungen in der Bewegung dieser beiden Extremitäten, die man als sensorische Ataxie bezeichnet.
Die sensorische Ataxie wurde von Panızza im Jahre 1834 ent- deckt und ist dann späterhin von SrıLLıng, BROWN-SEQUARD, SCHIFF, CLAUDE BERNARD, LEYDEN, BaLpı, CuauvEau, Lanpoıs, Tıssor und Cox- TEJEAN, MoTT und SHeERRINGToON, wie von Herıng, BıckeL, KoRNILOFF und Muskens studirt worden. Es stellte sich durch diese Untersuchun- gen heraus, dass die in der Bewegung einer Extremität nach Unter- brechung ihrer sensibelen Bahn auftretenden Störungen eine doppelte Ursache haben. Sie sind erstens zu beziehen auf den Ausfall des von Bronverest entdeckten reflectorischen Muskeltonus. Derselbe kommt im normalen Thierkörper derart zu Stande, dass auf dem Wege der sensorischen Bahn einer Extremität dem Rückenmarke Reize zuströmen, welche hier die der Musculatur des betreffenden Gliedes zugehörigen motorischen Nervenkerne erregen und die Musculatur selbst in einen leichten Contractionszustand versetzen können. Zweitens beruht die sensorische Ataxie darauf, dass in Folge der Unterbrechung der sen- sibelen Bahn das Centralnervensystem derjenigen Organe beraubt wird, die es über die jeweilige Lage der Gliedmaassen im Raum und da- mit auch über die Erfolge der in die Musculatur gesandten Bewegungs- impulse jederzeit unterrichten können.
Die Bewegungsstörungen, welche man beim Hunde nach der obengenannten Operation der Durchschneidung der hinteren Rücken- markswurzeln beobachtet, sind in der ersten Zeit nach der Operation am schwersten, ja sie sind häufig so hochgradig, dass sie eine mo-
764 Gesammtsitzung vom 12. Juli.
torische Lähmung vortäuschen könnten, obgleich die Musculatur selbst und der ganze motorische Nervenapparat an und für sich vollständig funetionstüchtig sind. Es war nun schon in früheren Jahren einigen Autoren, die sich mit diesen Versuchen befassten, aufgefallen, dass, wenn die Thiere längere Zeit nach der Operation der Nervendurchschnei- dung am Leben blieben, die Intensität der ataktischen Störung nachliess.
Aber erst im Jahre 1897 nahm der Eine von uns, A. BickEL, das Studium dieses Ausgleichs der Bewegungsstörung in systema- tischer Weise auf und zeigte, was auch Muskens später vollauf be- stätigte, dass es möglich ist, bei Hunden, die an beiden Hinterex- tremitäten, wie am ganzen Hinterkörper durch die Wurzeldurch- schneidung anaesthetisch und in Folge dessen hochgradig ataktisch gemacht waren, einen fast vollständigen Ausgleich dieser Bewegungs- störungen zu erzielen. Eine Regeneration der hinteren Wurzeln und . eine Wiederherstellung der Sensibilität hatte nicht stattgefunden, und es ergab sich in Folge dessen die neue Fragestellung, welehe Organe für die untergegangenen sensibelen Nerven in die Schranken getreten waren und welehe Nerventheile den Ausgleich der ataktischen Phae- nomene bewirkt hatten.
J. R. Ewarn hat den eigenthümlichen Einfluss kennen gelehrt, den die Labyrinthe auf die Skeletmusculatur ausüben und der als Labyrinthtonus der Musculatur bezeichnet werden darf. Es war m Folge dessen der Gedanke naheliegend, dass, wenn nach Durchschnei- dung der hinteren Wurzeln der Broxperzst’sche Muskeltonus aufge- hoben und nach allmählicher Compensation der Ataxie nunmehr durch Labyrinthexstirpation auch der Labyrinthtonus ausgeschaltet wurde, die verschwundene Ataxie wieder von Neuem hervorbrechen müsste. Die Versuche, die der Eine von uns, A. Bicker, seiner Zeit hierüber angestellt hat, haben diese Hypothese vollauf bestätigt.
Die Labyrinthe sind aber nieht nur Tonusorgane, sie tragen auch in vornehmster Weise zur allgemeinen Orientirung des Körpers im Raume bei. Eine ähnliche Thätigkeit entfaltet der Gesichtssinn.
Durch Labyrinthexstirpation oder durch Ausschaltung des Gesichts- sinnes wird daher auch das Orientirungsvermögen des Körpers über- haupt geschädigt; und so wird es verständlich, dass gerade die un- empfindlichen Gliedmassen, die auf solch allgemein orientirende Organe, wie das Labyrinth und den Gesichtssinn, in ganz besonderer Weise angewiesen sind, in der Sicherheit ihrer Bewegung nothleiden, wenn eins derselben ausser Function tritt. So beobachtet man auch, dass bei Hunden mit anaesthetischen Hinterbeinen die Ataxie dieser Extremi- täten, wie fast alle Autoren übereinstimmend angeben, stärker hervor- tritt, wenn man den Gesichtssinn ausschaltet. Der Grund hierfür liegt
A. BickeL und P. Jacog: Bewegungsregulation beim Hunde. 765
offenbar darin, dass bei den anaesthetisch und damit ataktisch gemachten Thieren die Coordinationscentren des Gehirns sich behufs Ausbildung der Compensation in der Weise allmählich umstimmen, dass sie, statt mit der allgemeinen Sensibilität der einzelnen Gliedmaassen, nunmehr mit Hülfe anderer Sinneswerkzeuge die Regulation der Bewegungen zu Stande bringen.
Es war die Annahme wohl gerechtfertigt, dass unter den hier in Frage kommenden Coordinationscentren die sensomotorischen Zonen der Hirnrinde eine hervorragende Rolle spielen. Wir wandten uns daher bei unseren experimentellen Untersuchungen zunächst dem Studium der Wechselbeziehungen zwischen diesen Centren und den sensibelen Rückenmarkswurzeln zu.
Die Versuche wurden in doppelter Weise angestellt. Wir durch- schnitten entweder Hunden zuerst die sensibelen Nerven für die Hinter- extremitäten und trugen, nachdem sich die Compensation der atak- tischen Phaenomene in grossem Umfange eingestellt hatte, die senso- motorischen Zonen der Hirnrinde ab, oder wir exstirpirten erst diese Zonen und durchschnitten, nachdem sich die Bewegungsstörungen, welche dieser Operation nachfolgen, so weit als möglich ausgeglichen hatten, dann nachträglich die hinteren Wurzeln.
I. Gruppe. Durcehschneidung der sensibelen Rückenmarkswurzeln für beide Hinterextremitäten und später Abtragung der senso- motorischen Rindenzonen.
Entweder wurde bei Hunden eine totale oder eine partielle — aber dann auf beiden Seiten gleichmässige — Anaesthesirung der Hinter- extremitäten durch intradurale Durchschneidung der sensibelen Rücken- marksnervenwurzeln ausgeführt. Bezüglich der ataktischen Störungen kann man die Zeit nach der Operation in drei verschiedene Stadien eintheilen: ı. das pseudoparaplektische Stadium, 2. das Stadium der ausgesprochenen Ataxie, 3. das Stadium der Compensation. Die beiden ersten Perioden dauern bei den einzelnen Thieren verschieden lange Zeit an und gehen ohne scharfe Grenze allmählich in einander sowie in das dritte Stadium über. Bei Hunden mit partieller Anaesthesie ist ein pseudoparaplektisches Stadium nach der Operation fast über- haupt nieht zu erkennen, dagegen dauert das Stadium der ausge- sprochenen Ataxie ausserordentlich lange an.
Wenn man nun Hunden, die sich einige Wochen nach der Ner- vendurehsehneidung in dem Stadium der Compensation befinden, die sensomotorischen und Rindenzonen für alle vier Extremitäten abträgt,
r > - . . 166 Gesammtsitzung vom 12. Juli.
so zeigen die Thiere in den ersten Tagen nach der Gehirnoperation an den in der Sensibilität geschädigten hinteren Gliedmaassen die- selben Störungen, die sie in der ersten Zeit nach der Wurzeldurch- schneidung allein dargeboten hatten; d.h. die Hinterbeine sind von Neuem pseudoparaplektisch, sie werden bei der Loeomotion des 'Thie- res, die ausschliesslich von den Vorderbeinen ausgeführt wird, fast bewegungslos auf dem Boden nachgeschleift, oder das T'hier stützt sich bei der Locomotion überhanpt nur auf die Vorderbeine allein und geht, den Kopf zur Erde gesenkt, mit hocherhobenem Hinter- körper, an dem die Beine, ohne den Boden zu berühren, in der Luft fast bewegungslos herabhängen.
Allmählich aber bessert sich der Zustand der Hinterextremitäten. Es folgt, wie seiner Zeit nach der Wurzeldurchschneidung, ein Sta- dium der ausgesprochenen Ataxie, und dem schliesst sich ein Stadium der Compensation an. Aber diese Compensation erreicht bei Weitem nicht mehr die Höhe, zu der sie vor der Rindenabtragung angestiegen war. Es rollt sich also nach der Abtragung der sensomotorischen Zonen von Neuem die ganze Folge der Erscheinungen auf, die man an dem- selben Thiere nach der Durchschneidung der hinteren Wurzeln schon einmal beobachtet hatte,
Neben diesen Vorgängen aber sieht man an den Hinterextremi- täten dieser Hunde noch ein Symptom, das gleichfalls dauernd be- stehen bleibt und das ganz besonders auffällt, wenn man zum Vergleich die Vorderextremitäten heranzieht, die nicht anaesthetisch gemacht worden sind, deren sensomotorische Zonen’ aber dieselbe Schädigung erfahren haben wie diejenigen der Hinterbeine. Nach der Rinden- abtragung allein bemerkt man bei den Bewegungen der Thiere höchstens ein eigenthümliches leichtes Anschlagen der Füsse gegen den Boden. Nach der Durchschnejidung der hinteren Wurzeln sind, wie oben er wähnt, im zweiten Stadium der ausgesprochenen Ataxie die Bewe- gungen schleudernd. Aus der Combination der beiden Operationen resultirt gewissermaassen aus diesen beiden Symptomen eine dritte, neue Art der Bewegungsstörungen, deren hauptsächlichstes Merkmal der äusserst explosive Charakter der Bewegung ist.
Aus diesen Versuchen folgt, dass, wenn man einem Hunde, der sich nach Durehschneidung der sensibelen Rücl } venwurzeln für beide Hinterbeine im Stadium der Compensation der hierdurch gesetzten Bewegungsstörungen befindet, die sensomotorischen Zonen für alle vier Extremitäten abträgt, an den Vorderbeinen diejenigen Störungen auftreten, die für die Rindenabtragung charakteristisch sind, dass aber in den Hinterbeinen 1. alle die Erscheinungen in den Be- wegungen sich von Neuem abspielen, welche dureh die Anaesthesirung
A. Bıcker und P. Jacos: Bewegungsregulation beim Hunde. 767
seiner Zeit hervorgerufen waren und sich bis zur Gehirnoperation ausgeglichen hatten, und dass 2. Störungen in den Bewegungen der Hinterbeine auftreten, welche auf die Combination beider Operationen zu beziehen sind.
II. Gruppe.
Abtragung der sensomotorischen Rindenzonen und später Durehschneidung der sensibelen Rückenmarkswurzeln für beide Hinterextremitäten.
Wenn man einem Hunde die sensomotorischen Rindencentren abträgt, so ist der Charakter der hierdurch auftretenden Störungen in der Bewegung ein etwas anderer, als wenn man die sensibelen Nerven durchschneidet. Die Störung nach Rindenabtragung giebt sich dadurch kund, dass der Gang der Thiere Anfangs leicht paretisch, später mehr spastisch-ataktisch wird. Auch in diesen Störungen tritt, wenn das Thier längere Zeit am Leben bleibt, ein ziemlich weitgehender Ausgleich ein.
Dieser Ausgleich kann sich nur derart vollziehen, dass an Stelle der abgetragenen Rindencentren die anderen intacten Coordinations- centren nach Möglichkeit compensatorisch eintreten und zwar unter Benutzung der gleichfalls unversehrten Sinneswerkzeuge des Körpers. Unter diesen wird naturgemäss die Sensibilität der betreffenden Glied- maassen selbst die vornehmste Rolle spielen.
Es war daher die Annahme wohl gerechtfertigt, dass, wenn man bei Thieren, welche nach Abtragung der Rindencentren allmählich in das Stadium der Compensation getreten waren, eine Anaesthesie der Ex- tremitäten durch intradurale Durchschneidung der hinteren Rücken- markswurzeln vornimmt, ganz ähnliche Störungen auftreten müssen, wie sie bei der in der I. Gruppe beschriebenen Combination der Operationen ‚geschildert worden sind.
Das Ergebniss unserer in dieser Richtung ausgeführten Versuche hat diese Hypothesen durchaus bestätigt.
Aus allen diesen Versuchen geht also hervor, in wie inniger Wechselbeziehung die sensomotorischen Rindencentren mit den sen- sibelen Organen des Körpers stehen.
Die vorliegenden Versuche wurden in der speciell-physiologischen Abtheilung des Physiologischen Instituts zu Berlin ausgeführt; wir hatten uns dabei der dankenswerthen Unterstützung des Hrn. Pro- fessor Dr. I. Munk zu erfreuen.
Ausgegeben am 19. Juli.
5 Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei, Sitzungsberichte 1900, 70
VERZEICHNISS »DER WISSENSCHAFTLICHEN MITTHEILUNGEN.« zu St. XAXV.
Seite Zwölf Briefe von Besser an OLgers . 2748 A. Bıcker und P. Jacor: Über neue Bezichüngen kan Hirnrinde und Aral Rückeiınek ER hinsichtlich der Bewegungsregulation beim Hunde . . ». » 2.2.2 nn nn nn nn 768 er der Akademie. Abhandlungen aus dem Jahre 1898. . ; a IE a u Pie TERN Daraus: Physikalische Kiasdhiige n. a ee er a FEN » Philosophisch - historische Kbkandbenzie , N ee Einzelne Abhandlungen aus den Jahren 1898, 1899, 1900. Werssorp: Die Verehrung der Quellen in Deutschland . M 3.— Vircrnow: Über die ethnologische Stellung der EREERTEGE en roiohiirichen Äeypier BR merkungen über Entfärbung und Verfärbung der Haare. . ; ; Fe Dünnrer: Gedächtnissrede auf WırueLm WATTENBACH . . ee ee ee pe er Enezımann: Gedächtnissrede auf Emı pu Bois-Reyuos . . 2» 2 2 2 2 2. nn. Lo Danmzs: Gedächtnissrede auf Ersstr Berrıcn ER ee wie ee Sc#urze: Hexactinelliden des Indischen One. II. en re en ee, er
Rıc#arz und Krıoar-Mexzer: Bestimmung der Gravitationsconstante und der mittleren Dichtigkeit
der Erde durch Wägungen, . .. ANl— Scuumann: Die Verbreitung der TER im , Verhältnis zu Tree teils Gliederung a Scaaupınx: Untersuchungen über den Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Scan. . » T— Krause: Untersuchungen über den Bau des Centralnervensystems der Affen . . » 2...» 350
Sitzungsberichte der Akademie.
Preis der einzeinen Jahrgänge, 1882—1899 . . . . » a2. 2 2. 2.2 2 0 ner sn All D: besonders zusammen ; Mathematische und Naturwissenschaftliche Mittheilungen. 1882—1897. Preis des Jahrganges . . M. 3.-
Geschiehte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften.
Im Auftrage der Akademie bearbeitet von ApoLr Harnack. Drei Bände. — Berlin 1900. — AM. 60,—
Die Zweihundertjahrfeier der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften - am 19. und 20. März 1900. Berlin 1900. Vu.1718,6Taf. m 6—
Sonderabdrücke aus den Sitzungsberichten. I. Halbjahr 1900. Harnack: die beiden Recensionen der Geschichte der Prisca und des Aquila in Act. Apost. 18,1—27 MA.
L. Borcuarpr: Bericht über einen Einsturz im Amonstempel von Karnack am 3. October 1899 Fucns: über eine besondere Gattung von rationalen Curven mit imaginären Doppelpunkten
F. Körrer: Stextow’s und Liarunow’s Fälle der RER, in einer Flüssigkeit . Harnack: Bericht über die »Geschichte der Akademie« . . DE a
Kerkue von Strapoxitz: Ausgrabungen in Milet
Fischer: über aromatische Derivate der Harnsäure
SCHEFFER-BoicHorst: das Gesetz Kaiser Friedrich’s II. „De realen Eriyiiegk
Mösıus: über die Grundlagen der aesthetischen Beurtheilung der Säugethiere :
Esser: über die Vegetationsverhältnisse des en in Deutsch - Ortaliike :
A. LapensurG und C©.Krüser: über das K
Harnack: Festrede zur Zweihundertjahrfeier in der F ER am 'o. März 1900
TosLer: der provenzalische Sirventes ‚Senher n’enfantz, {’il vos platz’ (Bartschs RER, 461, 219) Kıeiın: das Krystallpolymeter, ein Instrument für ee Fe een M. Krause: Differentialgleichungen mit elliptischen Integra ;
H. Varer: einige Versuche über die Bildung des marinen Ankindeit
G.Lanpsgers: zur Theorie der algebraischen Functionen zweier Verkidnlicher:
C. ScuucuuArpr: das Römercastell bei Haltern an der Lippe . . .
Erman: die Flexion des aegyptischen Verbums . . ». . 2 .22..
vos Bezorn: zur Thermodynamik der Atmosphaere
VoseL: Fortschritte der Bestimmung der Sternbewegung in de Gesichtalinie
Quiscke: über Volumenänderungen durch magnetische Kräfte . r
von Wrramowırz- MoELLENDoRFF: die sechste Rede des Antiphon
Harzıparıs: zur Betonung der griechischen er
E. Scumipr: deutsche Reimstudien. L . .
F. Rınse: Beitrag zur Petrographie der Mininhange in Kos: Önichen
O. Lummer: complementäre Interferenzerscheinungen im refleetirtem Lichte
Frosentus: über die Charaktere der symmetrischen Gruppe.
Harsack: das Magnificat der Elisabet (Lue. 1, 46-55) nebst KSRR Benerküugen 3 zu Er \ ind 2 van't Horr und E. F. Armsrroxs: Bildungsverhältnisse der oceanischen Salzlager. NVIH.. . H. Baumsaver: über die krystallographischen Verhältnisse des Jordanit BES SR a
Weser: Vedische Beiträge . . rt
C. F. Lenmans: Ergebnisse der RER Ferkehnngereibe Kesar Kae a ee G. FrrrscH: vergleichende Untersuchungen menschlicher Augen .
D
Sonderabdrücke aus den Sitzungsberichten. 1. ee 1900.
Warsurg: über die Bildung des Ozons bei der Spitzenentladung in Sauerstoff. O. Karıscher: über Grosshirnexstirpationen bei Papageien .
A. Lapensure und C. Krüscer: über das Krypton. I.
A. Sauer: geologische Beobachtungen im Aarmassiv .
Zwölf Briefe von Bssser an OLsers.
A. Bıcker und P. Jacos: Beweinigsregblatien Bei Kuno
SITZUNGSBERICHTE
KÖNIGLICH PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
ZU BERLIN
XXXVI XXXVo
19. Juri 1900.
BERLIN 1900.
VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
IN COMMISSION BEI GEORG REIMER.
Auszug aus dem Reglement für die Redaction der »Sitzungsberichte«.
$ı. e erscheinen in einzelnen Stücken in Gross
ausserdem eine durelı den Band ohne Unterschied der
emal gerade, die über Sitzungen der philosophisch - historischen Classe ungerade Nummern.
52, . Jeden REN eröffnet eine Übersicht über ans: itzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit- hellen n und über die zur Veröffentlichung geeigneten geschäftlichen Angelegenheiten
2. Darauf folgen die den Sitzungsberichten über- wiesenen sinkssbrälichen Arbeiten, und zwar in der Regel zuerst die in der Sitzung, zu der das Stück gehört, druckfertig übergebenen, dann die, welche in früheren Sitzungen mitgetheilt, in den zu een I gehö- rigen Stücken nicht erscheinen konnte
85.
Den Bericht über jede einzelne Sitzung stellt der Secretar zusammen, welcher darin den Vorsitz hatte. Derselbe Secretar führt die Oberaufsicht über die Redac- tion und den Druck der in dem gleichen Stück erschei- nenden wissenschaftlichen Arbeiten.
l. Für die Aufnahme einer ne gun theilung in die Sitzungsberichte gelten 1,2 Statuten und $ 28 dieses Reglements die Solesailen wi deren Bestimmungen.
. Der Umfang der Mittheilung darf 22 Seiten in hri
der Akademie nicht angehören, sind auf die Hälfte dieses Umfanges beschränkt. Überse chreitung dieser Wagen ist nur nach ausdrücklicher Zustimmung der Gesammtaka- demie oder der betreffenden Classe statthaft.
3. Abgesehen von einfachen in den Text einzuschal- tenden Holzschnitten sollen Abbildungen auf durchaus Nothwendiges beschränkt werden. Der Satz einer Mit- erst begonnen, wenn die > = in den Text einzuschaltenden Holzschnitte fertig s besonders en Tafeln die volle onleriichs
Auflage eingeliefert ist.
7 . Eine für die eerem Sea reai bestimmte wissen- schaftliche Mittheilung darf in keinem Falle vor der Aus- gabe des betreffenden Stückes Kae, sei es auch
nur auszugsweise oder auch in weiterer er in deutscher Sprache veröffentlicht sein oder we
schaftlichen Mittheilung diese anderweit früher z öffentlichen beabsichtigt, als ihm dies nach den gelten- den Rechtsregeln zusteht, so bedarf er dazu der Ein- willigung der Gesammtakademie oder der betreffenden Classe,
$8. 5. Auswärts werden Neniegnaserhe nur auf Z Verlangen verschickt. erfasser verzichten dami auf Erscheinen ihrer re rl nach acht Tagen.
$1l. l. Der Verfasser einer - unter den » Wissenschaftlichen Mitheilungene abgedruckten Arbeit erhält unentgeltlich
der Kopf der Sitzungsberiehte mit Jahreszahl, nummer, Tag und Kategorie der Sitzung, darunter der rs stehen.
ten hürnaggh fällt in der Regel der Umschlag fort. m Verfasser steht frei, auf seine Kosten weitere gleiche nn bis zur Zahl von noch a zu unentgeltlicher MEER SU SRBENUNE es zu las sofern er hiervon nden es tar Anzeige gemacht hat,
828.
e zur Aufnahme in die Sitzungsberichte be-
aikieihe Mittheilung muss in einer akademischen Sitzung rgelegt werden. „Abwesende Mitglieder, sowie alle Mehunieheder, haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. Wenn schriftliche Einsendungen auswärtiger oder corfe- spondirender Mitglieder direet bei der Akademie oder bei einer der Class e der vorsi
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u bringen. Mittheilungen, de Aalansle- nieht angehören, hat er einem zunächst geeignet scheinenden Mitgliede zu überw eisen.
[Aus Stat. $41,2. — Für die Aufnahme bedarf #$ einer ausdrücklichen ee der Akademie oder einer der Classen. Ein d ® sobald das Manuseript druckfertig EEeen
$ 29. . Der redigirende Seeretar ist für den Inhalt des
ndlun twortlich. Fü " ür alle übrigen Theile der Sitzungsberichte sın nd nach jeder Richtung nur die Verfasser veranl- wortlich.
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Akademie versendet ihre ENTE an diejenigen Stellen, mit denen sie im Schriftverkehr steht, lle
Die wofern nicht im bes onderen Fa die e von Januar bis Apri » Mai bis tober
- - -
anderes vereinbart wird, jährlich drei Mal, nämlich:
‚che Juli in der ersten Hälfte des Monats August is December zu Anfang des nächsten Jahres nach Fertigstellung des Registers.
769
SITZUNGSBERICHTE 1900. DER | XXXVI
KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
ZU BERLIN.
19. Juli. Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe.
Vorsitzender Secretar: Hr. WALDEYER. *]. Hr. Eneermans las: Über die Natur der herzschwächen- den Nervenwirkungen und des Phaenomens der »Treppe«.
Durch graphische Versuche mit partieller Abklemmung des Herzens konnte mittels der Suspensionsmethode nachgewiesen werden, dass die herzschwächende (nega- tiv-inotrope) Wirkung der Vagusreizung wie auch die Erscheinung der »Treppe« (Bowditch) nicht auf Hemmung der motorischen Leitung, sondern auf einer Schwächung der Contraetilität der Herzmuskelelemente beruht.
2. Hr. Musk las: Über die Ausdehnung der Sinnessphären in der Grosshirnrinde. Zweite Mittheilung.
Es wird beim Hunde und beim Affen nachgewiesen, dass die vor der Halsregion der Fühlsphäre gelegene Rinde des Stirnlappens die Rumpfregion der Fühlsphäre ist.
3. Hr. Warvever legte vor eine Mittheilung des Hrn. Prof. Dr. H. Kıaarscn (Heidelberg): Der kurze Kopf des Musculus biceps femoris. Seine morphologische und stammesgeschichtliche Bedeutung. (Ersch. später.)
Der kurze Bicepskopf fehlt den niederen Affen der alten Welt gänzlich; die niederen Affen der neuen Welt haben ein Rudiment desselben, während die Greif- schwanzaffen Amerikas, die Anthropoiden und der Mensch ihn gut ausgebildet zeigen. Vermisst wird er ferner bei den Halbaffen und bei den Ungulaten. Wahrscheinlich besassen die Promammalier einen starken »Glutaeocruralis«, wie der kurze Biceps- kopf genannt werden kann; von da sank er bei einigen Gruppen der Säuger zu einem Rudiment herab oder ging gänzlich verloren; bei anderen entwickelte er sich weiter, so bei den Vorstufen der Anthropoiden und des Menschen.
4. Hr. Herrwie legte vor eine Arbeit von Prof. Dr. 'Tonkorr (St. Petersburg): Experimentelle Erzeugung von Doppelbil- dungen bei Triton.
Tritoneier, bei welchen die künstliche Befruchtung ausgeführt wo,Jen war, wurden zwischen zwei parallelen Objeetträgern mässig comprimirt. Gleich nach Vollen- dung der Zweitheilung wurden die comprimirten Eier um 180° gedreht und in dieser Lage wochenlang weiter gezüchtet. In Folge dieser mechanischen Eingriffe wurden = in sehr vielen Fällen aus einfachen Eiern Doppelembryonen gezüchtet, wie es in ähn- licher Weise schon vor einigen Jahren Oscar ScHuLtzE aus Würzburg bei Experi- menten an Froscheiern geglückt war.
+
* erscheint nieht in den akademischen Schriften.
Sitzungsberichte 1900.
770
Über die Ausdehnung der Sinnessphären in der Grosshirnrinde.
Von Hermann Monk.
Zweite Mittheilung.'
3.
Auf die Stirnlappenrinde vor der Halsregion bin ich bereits 1832 in einer ausführlichen Mittheilung zurückgekommen, in welcher ich diese Rinde auf grund von neuen Exstirpations- und Reizversuchen wiederum als die Rumpfregion der Fühlsphäre darthat.’
Wenn Hr. Hırzıs dagegen angeführt hat’, dass er nach der Ex- stirpation des Stirnlappens des Hundes Störungen in den Bewegungen der Extremitäten, der Zunge und der Lippen und auch für einige, Tage erhebliche Sehstörungen beobachtet habe, so bedarf es nach meinen früheren Ausführungen kaum noch der Bemerkung, dass lediglich unbrauchbare Versuche vorlagen, bei welchen die Hemisphäre weit über den Stirnlappen hinaus angegriffen war. Ich habe nur darauf aufmerksam zu machen, dass in solehen Versuchen auch eine Sehstörung für sich allein auftreten kann. Zwei Affen, welchen ich beide Stirnlappen vor der Präcentralfurche fast ganz abgetrennt, aber an Ort und Stelle zurückgelassen hatte, sahen in den nächsten Tagen nach der Operation zur einen Seite schlechter als zur anderen, vernachlässigten Reis, Mohrrübe u. dergl. in der einen Hälfte des Gesichtsfeldes gegenüber den gleichen Objeeten in der anderen Hälfte, ohne dass zugleich Bewegungs- und Empfindungsstörungen an Hals, Kopf, Extremitäten sich fanden. In dem einen Falle gaben das Fieber und die mässige Benommenheit eine leichte Meningitis zu erkennen, in dem anderen Falle deckte die Section ein ansehnliches
' Die erste Mittheilung s. diese Berichte 1899. S. 936.
? Diese Berichte 1882. S.753. (H. Musk, Über die Functionen der Grosshirn- rinde. 2. Aufl. Berlin 1890. S.139.)
® Arch. f. Psychiatrie, Bd. 15. S. 271.
Musk: Über die Ausdehnung der Sinnessphären in der Grosshirnrinde. I. 771
Blutgerinnsel an der einen Trennungsstelle zwischen den Schnitt- flächen auf, so dass die Hemisphäre einem abnormen Drucke ausge- setzt gewesen war. Es lehren diese Erfahrungen, was für die patho- logische Diagnose eine besondere Beachtung verdient, dass bei ge- ringer Schädigung einer ganzen Hemisphäre die Störung der Function sich eher für die Sehsphäre, als für die Fühlsphäre nach aussen be- merklich machen kann.
Weiter hat man mir mehrfach entgegengehalten, dass die Rinde, welche den Rumpf beherrscht, nachweisbar ganz anderswo gelegen sei, und zwar innerhalb meiner Extremitätenregionen etwa an der Grenze der Arm- und der Beinregion, beim Hunde — wie es zuerst Hr. Unverricht behauptete — im Gyrus sigmoideus posterior, beim Affen nach den HH. HorsLey und ScHÄrer im Gyrus marginalis. Der Widerspruch hat mich nicht überrascht. Denn die Erfahrungen, auf welche man sich stützte, hatte ich selbst zu einem grossen Theile längst gemacht, und erst eine eingehendere Untersuchung hatte mich von der Auffassung befreit, die der erste Blick nahe legte, und die man jetzt. wider mich geltend machte. Allerdings kann es, wenn man die vorbezeichnete Rinde reizt, zu Bewegungen der Wirbelsäule, und wenn man die Rinde exstirpirt, zu einer veränderten Haltung der Wirbelsäule kommen. Aber mit nichten sind es Rumpfmuskeln, welche dort durch den Eintritt, hier durch den Ausfall ihrer Thätig- keit den Anlass geben, sondern Extremitätenmuskeln: Muskeln, wel- che die Glieder der Extremität unter einander oder den Vorderrumpf mit der vorderen‘, den Hinterrumpf mit der hinteren Extremität verbinden und, wenn schon meist die Extremität, unter Umständen die Wirbelsäule beeinflussen. Diese Einsicht haben die ausgedehnten neueren Untersuchungen, die ich unternahm, nur befestigt.
Reizt man beim Affen mit Inductionsströmen die einander be- nachbarten Partien der Arm- und ‚der Beinregion im Gyrus marginalis und am medialen Rande der Convexität der Hemisphäre, so folgt der schwächsten und kurz dauernden Reizung Vor- oder Rückwärts- führung, Ab- oder Adduetion des gegenseitigen Armes oder Beines;
! Während die beschreibende Anatomie regelmässig Iliopsoas, Glutaei, Pyri- formis, Obturatores und Quadratus femoris zu den Muskeln der hinteren Extremität rechnet, findet man manchmal Cucullaris, Teres major, Rhomboidei, Latissimus dorsi als oberflächliche Rückenmuskeln, Pectorales und Serratus antieus als oberflächliche Brustmuskeln zu den Muskeln des Stammes, im Gegensatze zu den Muskeln der Ex- tremitäten,, gezählt. Für die physiologische Betrachtung sind aber natürlich die letzteren Muskeln gerade so Muskeln "der vorderen Extremität, wie die ersteren Muskeln solche der hinteren Extremität, und gehören zu den Rumpfmuskeln, um deren Abhängigkeit vom Grosshirn es sich bei den Erörterungen im Text handelt, nur die sog. tiefen Rückenmuskeln oder die eigentlichen Wirbelsäule - Muskeln.
7?
712 Sitzung der physikalisch - mathematischen Classe vom 19. Juli.
und manchmal werden dabei die unteren Glieder der Extremität vom Vorderarm, bez. Unterschenkel an bloss passiv mitgeführt, anderemal schliessen sich an die Bewegung von Schulter und Oberarm, bez. Ober- schenkel active Bewegungen der nächsten oder sogar aller Glieder an. Dauert die Reizung länger an oder ist sie stärker, so tritt regel- mässig die active Bewegung mehrerer Glieder ein. Doch verhält sich so alles nur dann, wenn die Extremitäten frei beweglich sind. Hält man Ellbogen oder Knie fest, so bewegt sich die Wirbelsäule bei Reizung der Armregion in ihrem vorderen, bei Reizung der Beinregion in ihrem hinteren Theile: das Wirbelsäulestück krümmt sich convex nach der Seite der ungereizten Hemisphäre und dreht sich zugleich nach der Brust- oder der Rückenseite oder abwechselnd nach der einen und der anderen Seite hin. Eben solche Bewegung der Wirbel- säule gesellt sich auch zu der Bewegung von Arm oder Bein hinzu, sobald die letztere Bewegung durch Reibung am Boden oder andere Widerstände eine Hemmung erfährt. Immer aber kommt dabei die Bewegung der Wirbelsäule lediglich durch die Thätigkeit der Extre- mitätenmuskeln zustande, während die Muskeln der Wirbelsäule, wie man sich durch ihre Blosslegung überzeugt, in Ruhe verharren. Erst wenn die mässige Reizung noch länger dauert oder wenn man mit starken Induetionsströmen reizt, gerathen auch die Wirbelsäulemuskeln in Thätigkeit, und zwar nicht bloss auf der Seite der betroffenen Extre- mität, sondern auch auf der Gegenseite, nicht bloss am vorderen oder am hinteren Theile, sondern an beiden Theilen der Wirbelsäule zugleich, welche sich in der mannigfaltigsten Weise beugen und strecken, drehen und krümmen. Und da alsdann die Bewegungen der betroffenen Extremität sich mehrfach in wechselnder Form wiederholen und im Falle der Reizung der Armregion zugleich am Beine, im Falle der Reizung der Beinregion zugleich am Arme active Bewegungen auftreten, mit einem Worte epileptische Erscheinungen sich zeigen, hat man es nieht mehr mit einer auf die Gegend der Reizelektroden beschränkten, sondern mit einer von dorther ausgebreiteten Erregung der Rinde zu thun.
Nach diesen meinen Erfahrungen haben die HH. Horsıry und Scnärer diejenigen Bewegungen des Rumpfes, welche durch die Ex- tremitätenmuskeln, und die anderen, welche durch die Rumpfmuskeln zustande kommen, nicht genügend auseinandergehalten. Sie haben niemals von irgend einer Stelle ihres Rumpfgebietes aus durch Reizung die Thätigkeit ausschliesslich von Rumpfmuskeln oder Bewegung der Wirbelsäule allein herbeigeführt. Ihre weitest’ gehende Angabe lautet dahin, dass bei Reizung nahe der Mitte der reizbaren Partie des Gyrus marginalis »die hauptsächlich oder primär betroffenen Muskeln die des
Mvsk: Über die Ausdehnung der Sinnessphären in der Grosshirnrinde. II. 718
Rumpfes waren (ereetor spinae, Abdominalmuskeln u. s. w.)«.' Und wo sie die Reizerfolge genauer schildern’, findet man »Drehung und Krüm- mung der Wirbelsäule« wohl von vier Reizstellen (54,6A, 5B,6B) aus erzielt, aber dreimal als seeundäre Bewegung nach der Extremi- tätenbewegung und nur im Falle 6A als primäre Bewegung aufgeführt. Solehe Grundlage gewährte ihnen keine Berechtigung, auf ihren Ab- bildungen 1837 und 1838 ein besonderes abgegrenztes Rumpfgebiet zwischen ihren Arm- und Beingebieten, gleichwerthig meinen Arm-, Bein-, Kopf- und Halsregionen, darzustellen”. Höchstens durften sie, wie sie es in Wort und Abbildung 1884 thaten‘, ein Rumpfgebiet an- nehmen, gänzlich verdeckt durch das Übergreifen vorn des Arm-, hinten des Beingebietes. Doch auch diese Annahme ist unrichtig. Denn wenn bei den in Rede stehenden Reizungen von vornherein oder früh eine Bewegung der Wirbelsäule eintritt, so erweist sie sich als dureh die Extremitätenmuskeln herbeigeführt; und überhaupt werden immer Extremitätenmuskeln thätig, während es zu Contractionen von Wirbelsäulemuskeln nur dann kommt, wenn von einer örtlich be- schränkten Erregung nicht mehr die Rede sein kann.
Ebenso thun den Irrthum der HH. Hoxstrey und ScHäÄrer die Ex- stirpationsversuche dar, die ja überall noch eine zuverlässigere Auskunft geben, als die Reizversuche. Ich brauchte mich dafür nur auf die Totalexstirpationen der Extremitätenregionen beim Affen zu berufen, die einseitigen und die beiderseitigen, welche ich früher ausführlich behandelt habe’. Denn diese grossen Exstirpationen schlossen immer die Exstirpation des Gyrus marginalis mit ein®, und ihre Folgen waren lediglich Störungen der Extremitätenbewegungen, nicht solche der Rumpfbewegungen. Aber es erscheint mir einerseits nicht angezeigt, bloss mittels so viel schwierigerer Versuche den wahren Sachverhalt bei den verhältnissmässig leichten Versuchen am Gyrus marginalis zu erweisen, andererseits kommt es darauf an, die Quelle des Irrthums unmittelbar klarzustellen. Ich ziehe deshalb hier zur Stütze die Ex- stirpationen des Gyrus marginalis heran, die ich oftmals ein- und beider- seitig ausgeführt habe.’
! Proceed. of the R. Soc. of London, Vol. 36. p. 439.
2 E, A. Scmärer, Über die motorischen Rindencentren des Affen-Gehirns. Bei- träge zur eg eigenes für ©. Lupwıs. Leipzig 1887. S. 278-279. — Vergl. auch Proceed. p. 440
”. PBu: ee yr theR. Soc. of London, Vol. 179 (1888), B, p.6; 10.— ScHhÄrer, a.a.0. S. 285.
* Proceed. p. 440-441.
5 Diese Berichte 1893. S. 759.
% Vergl. noch diese Berichte 1892. S. 687.
” Die Versuchsreihe ist noch, wie die von Horstey und ScHÄreEr, mit antisepti- schem Verfahren 1890-91 gemacht. Nach einigen neueren Versuchen zu schliessen,
774 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 19. Juli.
Die HH. Horstey und SchHärer' lassen die beiderseitige Ex- stirpation des Gyrus marginalis in der Ausdehnung meiner Arm- und Beinregion beim Affen zur Folge haben: »vollkommene Paralyse der Rumpfmuskeln, etwas Parese der Arme und sehr ausgedehnte Para- Iyse der Beinmuskeln«. Die Parese der Arme betreffe hauptsächlich einige Schultermuskeln, die Paralyse der Beine fast alle Muskeln, auch die, welche das Bein mit dem Rumpf verbinden, mit Ausnahme ge- wisser Beuger der Hüfte — wahrscheinlich des lliopsoas und des Tensor vaginae femoris. Haltung und Allgemeinerscheinung des Affen sind, sagen sie, »sehr auffallend« (striking), was sie auch durch die Ab- bildung eines solchen Affen belegen. »Statt aufzusitzen mit etwas ge- krümmtem Rücken, wie in der Norm, liegt der Affe auf dem Bauche, die Beine und Füsse ausgestreckt (höchstens die Hüften gebeugt), den Rücken flach, den Schwanz gerade und bewegungslos, die Arme vor- geführt, um nach einem benachbarten Objecte zu greifen... Das Thier stützt sich häufig auf seine Ellbogen, nimmt aber nie die normale sitzende Haltung an. Hat der Affe das Verlangen aufzusitzen, so kann er nur dazu kommen, indem er sich in die sitzende Stellung mit seinen Armen und Händen zieht und sich mit diesen an «den Stäben des Käfigs oder irgend einem benachbarten Objecte festhält. Wird ihm- der Halt entzogen, so fällt er sogleich um. Vorwärtsbewegung kommt fast ganz durch die Arme zustande, indem der Affe sich mit deren Hülfe fortzieht, unterstützt durch die Beugung, welche an den Hüften erfolgt; die Beine werden ganz schlaff am Boden nachgeschleppt, die Rückenfläche der Zehen dem Boden zugewandt.«... »Die Folgen der einseitigen Exstirpation«, hören wir weiter, »sind vollkommen gut ausgesprochen, aber weit weniger auffallend. Das rührt daher, dass das Thier fähig ist, eine nahezu normale Haltung anzunehmen und bei- zubehalten; zweifellos weil dafür die Thätigkeit der Muskeln auf der einen Seite der Wirbelsäule ausreicht. Die Drehung des Rumpfes nach der der Hirnverletzung entgegengesetzten Seite scheint doch mangel- haft zu sein, und die Paralyse des gegenseitigen Beines ist immer sehr «deutlich. «
Nach diesen Ausführungen, zu welchen die angehängten Versuchs- protocolle keine Ergänzung weiter bringen, war, was den HH. HorsteyY und Scuärer die Paralyse der Rumpfmuskeln und damit das Rumpf- gebiet im Gyrus marginalis ausser Zweifel stellte, unverkennbar die »sehr auffallende« Haltung des beiderseitig operirten Affen. Man sieht nun in der That nach jeder Exstirpation beider Gyri marginales in
würde bei aseptischem Verfahren die Zahl der verunglückten Versuche (s. die Folge im Text) wesentlich kleiner gewesen sein. ! Phil. Tr. Vol. 179, p. 13-15.
m
Munk: Über die Ausdehnung der Sinnessphären in der Grosshirnrinde. -II. 775
der Ausdehnung meiner Arm- und Beinregion den Affen der Schilde- rung entsprechend flach auf dem Bauche liegen u. s. w. Aber dass es bei der Haltung des Affen bleibt, wie es die HH. HorsLey und ScHÄrER angeben, trifft nur für einen '[heil der Versuche zu. In den anderen Versuchen verliert sich die Haltung mehr und mehr, zuerst für kurze, dann für längere Zeiten und endlich gänzlich, indem der Affe wieder läuft, geht und steht, und führt dies alles der Affe mit der Zeit immer besser aus, bis er sieh vom normalen Affen lediglich durch gewisse Ungeschiektheiten in den Bewegungen und Stellungen der Extremi- täten und durch die Unfähigkeit, die normale Sitzstellung anzunehmen, unterscheidet.
Natürlich fällt die Rindenscheibe, die man an der medialen Fläche der Hemisphäre exstirpirt', nicht immer gleich diek aus; aber ob so der Umfang der Exstirpation etwas grösser oder kleiner war, ist für den Verlauf der Versuche nicht von wesentlicher Bedeutung. Nicht nur finden sich unter den ersteren Versuchen solche, bei welchen die ab- geschnittenen Rindenscheiben gerade sehr dünn waren, sondern es reihen sich sogar den letzteren Versuchen noch Fälle an, in welchen absichtlich ausser dicken medialen Rindenscheiben auch benachbarte Rindenpartien an der Convexität der Hemisphären exstirpirt wurden. Entscheidend für den Erfolg erweist sich einzig und allein, ob und wie der Affe den operativen Eingriff übersteht. Kommt es nieht zur Erholung und Heilung, so behält der Affe die anfängliche Haltung bei, bis er nicht lange nach der Operation zugrunde geht. Genest da- gegen der Affe, so behält er für sein ferneres Leben bloss die Un- geschicktheiten der Extremitäten und das Fehlen der Sitzstellung als bleibende Folgen des Eingriffs zurück.
Damit liegt aber auch gar nichts Eiern vor, als was ja alt- bekannt und oft genug erörtert ist”: dass die Rindenexstirpation zu- nächst grössere Störungen nach sich zieht, als dem Verluste der ent- fernten Rinde entspricht, weil durch Quetschung, Cireulationsstörung, Reizung u. s. w. unbeabsichtigte Schädigungen des Centralnervensystems entstehen, und dass deshalb die Folgen jenes Verlustes erst dann rein sich ergeben, wenn diese Schädigungen sich mit der Zeit abgeglichen haben. Es kommt nur zu solcher Abgleichung und überhaupt zur Ge- nesung des Affen nach beiderseitiger Exstirpation des Gyrus marginalis weniger häufig, als nach beiderseitiger Exstirpation von Partien (der Extremitätenregionen oder der Kopfregion, welche an der Convexität
! Mein operatives Vorgehen entsprach mit den selbstverständlichen Beschrän- kungen demjenigen, welches ich für je Totalexstirpation der Extremitätenregionen beschrieben habe (diese Berichte 1892. S. 687).
® Vergl. H.Munk, Functionen u.s.w. 2. Aufl. S.77; diese Berichte 1892. S. 695 fl.
776 - Sitzung der physikalisch -mathematischen Classe vom 19. Juli.
der Hemisphäre gelegen sind. Die Gründe dafür sind klar ersichtlich. Einmal heilen die Wunden in der Tiefe zu beiden Seiten der Falx schlechter und treten gerade hier öfters Rindenreizeontraeturen auf, wie ich sie früher beschrieb‘. Fibrilläre, klonische, tonische Krämpfe stellen sich bald, zuweilen schon vom Tage nach der Verletzung an, in Arm- und Beinmuskeln ein, und zwar immer in Muskeln, welche von der stehengebliebenen Rinde in der Nachbarschaft der Exstirpationsstellen aus durch elektrische Reizung hätten in Thätigkeit gesetzt werden können; und diese Krämpfe verhindern, indem sie mit wechselnder Intensität andauern, dass der Affe wieder wesentlich an Bewegungs- fähigkeit gewinnt, ehe er in 3-4 Wochen erliegt. Zweitens ist auch der Affe, wenn er nicht von vornherein recht kräftig und lebhaft war, schon dadurch gefährdet, dass er durch die beiderseitige Exstirpation des Gyrus marginalis zunächst die schwerste Einbusse an Beweglich- keit erfährt, da er nicht die Beine zu steifen und sich aufzustellen vermag, und für ı-2 Tage zur Bauchlage verurtheilt ist. Die Ab- kühlung, die unzureichende Nahrungsaufnahme und die schlechte Ver- dauung, welche damit verbunden sind, lassen den Affen öfters so rasch an Kräften abnehmen, dass er schon am 2. oder 3. Tage nur seltene und schwache Versuche aufzustehen und zu gehen machen kann, später sogar alle Strampelbewegung unterlässt und in etwa 8 Tagen zugrunde geht.
Sehr schön lässt sich klarstellen, wie die Einschränkung der Ex- tremitätenbewegungen die Bauchlage erzwingt und damit die Wieder- herstellung des Affen beeinträchtigt, wenn man neben den Versuchen mit Abtragung der Gyri marginales auch Versuche anstellt, bei welchen man ausserdem noch die benachbarten Rindenpartien im Bereiche der Armregionen exstirpirt. Am Arme ist die Musculatur der obersten Glieder viel weniger vom Gyrus marginalis abhängig, als am Beine, und daher sieht man nach der beiderseitigen Entfernung dieses Gyrus allein den Affen am nächsten Tage, wenn er nicht gar schon läuft und geht, jedenfalls auf Ellbogen und Hände sich stützen und mit den Armen sich vorwärts bewegen. Hat aber die Exstirpation auch noch die Convexität der Hemisphären in einiger Ausdehnung betroffen, so vermag der Affe zur selben Zeit die Arme ebenso wenig zu steifen wie die Beine, so dass er mit der Brust, wie mit dem Bauche, dem Boden aufliegt, und er kann nur strampeln, nicht vorwärts kommen. Ja, es genügt schon, dass der Angriff der Convexität an einer Hemi- sphäre erfolgt ist, damit durch die Unfähigkeit, mit dem gegenseitigen Arme sich vom Boden zu erheben, die Vorwärtsbewegung des Affen verhindert ist. Die letzteren Affen gehen dann auch viel öfter unter
! Diese Berichte 1893. S.823; Verhandlungen der m. Gesellschaft zu Berlin 1894/95, No. “7 (Arch. f. [Anat. u.] Physiol. 1895. S. 566
Mvsk: Über die Ausdehnung der Sinnessphären in der Grosshirnrinde. I. 777
Andauer der Bauchlage noch innerhalb der ersten Woche zugrunde, als die Affen, die bloss die Gyri marginales verloren haben.
Die Schilderung, welche die HH. HorszLev und ScHÄrer vom Ver- halten des Affen nach der beiderseitigen Exstirpation des Gyrus margi- nalis gegeben haben, entspricht demnach lediglich den Erfahrungen bei verunglückten Versuchen, bei Versuchen, welche unbrauchbar sind, weil es nicht zur Erholung und Genesung des Affen kommt. Und derart waren auch ofienbar ihre vier hierhergehörigen Versuche'; denn bei den Versuchen 19 und 20 — für letzteren haben sie die Abbildung des Affen gegeben! — trat der Tod schon am 9. oder 3. Tage ein, - bei Versuch 21 zeigte der Affe Contracturen und starb am 27. Tage, bei Versuch 23 überlebte der Affe nur 4 Wochen die Operation. Was uns für Versuch 23 als Protocoll geboten wird, sagt allerdings nichts von Contraeturen, aber es wiederholt auch nur in Kürze die Angaben des Textes’, die für die ersten Tage zutreffen, und schweigt gänzlich vom Verhalten des Affen während der folgenden Wochen.” Will man noch den Versuch 22 heranziehen, bei welchem zuerst der eine und nach 8 Tagen der zweite Gyrus marginalis exstirpirt wurde und der Affe 3 Monate lebte, so stösst man auf ein ganz unzureichendes Beobachten. Dass der Sectionsbefund fehlt, weil der Affe in den grossen Ferien starb und das Gehirn bei der Herausnahme verletzt wurde, darauf wollen wir nicht Gewicht legen. Wir hören, dass bei dem Affen, der zuerst »die gewöhnlichen Paralysen« zeigte, »später sich Steifigkeit in beiden Beinen und im Schwanze entwickelte«; und weiter heisst es: »Wenn auch die Bewegungen des Affen nach einiger Zeit viel lebhafter wurden als zuerst, so war daran die Übung der nicht affieirten Muskeln schuld; an den Muskeln, deren Paralyse durch die Operation herbeigeführt war, trat keine Wiederherstellung ein«. Also hat dieser Affe, ehe er Con- traeturen — und zwar diesmal Spät- oder Defecteontraeturen* — ver- fiel, mit der Zeit sehr an Beweglichkeit gewonnen, wie kein anderer der Affen; und dass trotzdem bloss so dunkle und gewundene An- gaben über die Zunahme der Beweglichkeit gemacht sind, lässt denken,
! Phil. Tr. Vol.179, p. 31-33.
?2 Siehe oben S. 774.
3 Das Protocoll lautet: »Result. — The usual symptoms produced by this lesion, i.e. complete paralysis of trunk and almost complete of legs, but with power to flex hips. Drags itself about, by arms. Unable to sit up, but props itself up by aid of arms. The animal lived four weeks after the operation.«e Nimmt man dazu das oben über Versuch 22 Angeführte, so wird man ermessen, mit welchem Rechte Hosster und ScuÄrer mir gegenüber den Werth der Mittheilung der Versuchsprotocolle betonen (ebenda, S.18). Ich schätze allerdings mehr die Genauigkeit und Umsichtigkeit der Untersuchung und ihrer Darlegung.
* Diese Berichte 1893. S.824; Verhandlungen der Physiolog. Ges. zu Berlin 1894/95, No.17 (Arch. f. [Anat. u.] Physiol. 1895. S. 567-569).
118 Sitzung der physikalisch- mathematischen Classe vom 19. Juli.
dass die Zunahme gar nieht genau verfolgt worden ist. Ich darf es nach meinen vielen Erfahrungen mit aller Bestimmtheit vertreten, dass dieser Affe zur Zeit der grossen Beweglichkeit nicht in der Bauchlage verblieben, und dass er gelaufen sein wird.
Stände es aber auch anders, bliebe es selbst regelmässig bei der »sehr auffallenden« Haltung des Affen nach dem Verluste beider Gyri marginales, so würde es doch noch unrichtig sein, dass alsdann »eine vollkommene Paralyse der Rumpfinuskeln« besteht. Man kann allen- falls solchen Eindruck haben, so lange man den Affen bloss flach auf dem Bauche liegen und sieh mühsam mit den Armen vorwärts ziehen oder auf den Knieen vorwärts schieben sieht. Sobald jedoch Strampel-: bewegungen eintreten oder, z. B. durch Umlegen des Affen auf den Rücken oder durch Druck auf Hand oder Fuss, herbeigeführt werden, zeigen sich die normalen Bewegungen der Rumpfwirbelsäule und auch des — nach den HH. Hortey und ScnÄrer bewegungslosen — Schwan- zes. Und diese Bewegungen kommen nicht bloss so als Gemeinschafts- bewegungen', sondern auch als isolirte Bewegungen zur Beobachtung. Jeder Zweifel ist ausgeschlossen, wenn man sich an Affen hält, «die dadurch, dass man auch die benachbarten Partien der Armregionen an der Convexität der Hemisphären mit exstirpirte, in den Bewe- gungen der oberen Armglieder so beschränkt sind, dass sie nicht nach Nahrung ausgreifen können, zur Zeit aber noch kräftig und lebhaft sind. Legt man zur Seite und etwas hinter dem Kopfe des Affen Mohrrüben- oder Apfelstücke auf den Boden, so sieht man, nachdem zunächst der Kopf sich den Stücken genähert hat, nach einer Weile den Rumpf zu Hülfe kommen, um den Mund heranzu- bringen, und Beugungen und Streekungen, Seitwärtsbewegungen und Dreliungen von Rumpfwirbelsäule und Schwanz sich vollziehen, olıne dass in anderen Körpertheilen Bewegungen auftreten. Manchmal sind die Bewegungen von Wirbelsäule und Schwanz ebenso zu beobachten, wenn man, hinter dem Affen stehend, ihn in Furcht oder Neugier versetzt. | Ä
Dass der genesene Affe keinerlei Störung der Rumpfbewegungen zeigt, wird nieht mehr der Ausführung bedürfen. Die Störungen be- treffen ausschliesslich die Extremitäten, an den Armen insbesondere die Abduetion, weniger die Vorwärtsführung des Oberarms, an den Beinen vorwiegend die Abduetion und die Streekung von Ober- und Unterschenkel, dazu die Beugung (Dorsalflexion) des Fusses. Die Hal- tung der Beine ähnelt der beim Genu valgum, und es tritt deshalb öfters eine Verschlingung der Beine beim Laufen und Gehen ein.
! Vergl. diese Berichte 1893. 8.763.
Mexx: Über die Ausdehnung der Sinnessphären in der Grosshirnrinde. II. 779
Ganz dem entsprechend sind die Störungen der Extremitäten einer Seite, wenn bloss der gegenseitige Gyrus marginalis abgetragen ist.' In diesem Falle ist nur die Schädigung des Affen an Bedeutung auch noch dadurch wesentlich verringert, dass der Affe mittels der Musecu- latur seines nicht betroffenen Beines fernerhin die normale Sitzstellung, die für sein Wohlbefinden wichtig ist, anzunehmen und sich in ihr zu erhalten vermag. Exstirpirt man den Gyrus marginalis beiderseits nicht in der ganzen Ausdehnung meiner Arm- und Beinregion, son- dern nur in derjenigen (mittleren) Strecke, welche die Abbildungen der HH. Horsrevr und SchÄrer als Rumpfgebiet anzeigen’, so erholt sich der Affe rascher, sind Arm- und Beinbewegungen weniger ge- stört und lässt sich daher noch leichter feststellen, dass “jede Schädi- gung der Rumpfbewegungen fehlt.
Kürzer lässt sich erledigen, was den Hund betrifft. Allermeist hat man schon die Beobachtung, dass Reizung des Gyrus sigmoideus posterior Seitwärtskrümmung der Rumpfwirbelsäule herbeiführte, für sich allein als ausreichend angesehen, um die Lage des »Rumpfeen- trums« in diesem Gyrus behaupten zu können. Doch ist man hier fehlgegangen, wie Hr. Rorumann durch eine in meinem Laboratorium ausgeführte Untersuchung dargethan hat’; denn die Krümmung folgt erst auf eine kräftige Bewegung der gegenseitigen Extremität oder eine Hemmung dieser Bewegung und kommt sichtlich, ohne dass Rumpfmuskeln thätig werden, durch die Contraetion der Extremitäten- muskeln zustande. Damit stimmen meine eigenen Erfahrungen über- ein, nach welchen ich lediglich zu wiederholen hätte, was ich oben S. 772 bezüglich der Bewegung der Wirbelsäule nach Reizung der medialen Partien von Arm- und Beinregion beim Affen sagte. Hr. Rorumann hat zudem nachgewiesen, dass die Krümmung der hinteren Partie der Wirbelsäule nicht mehr durch die Reizung sich erzielen lässt, wenn die gegenseitige Hälfte des Rückenmarkes am letzten Brust- wirbel quer durechschnitten ist und daher das Grosshirn wohl noch die Wirbelsäule-Museulatur, nicht aber mehr die Museulatur des gegen- seitigen Ilinterbeines beherrscht.
In den spärlichen Fällen, in welchen man auch die Enterschuei dung oder die Exstirpation des Gyrus sigmoideus zu Hülfe nahm, hat man, dass damit das »Rumpfeentrum«, und zwar ein Centrum für die gleichseitige Museulatur der Rumpfwirbelsäule fortgefallen war, darin erkennen wollen, dass der Hund beim Gehen in den ersten
! Vergl. noch diese Berichte 1896. S.1149—1151.
?® Siehe oben 8.773 Anm. 3 und 4.
3 Max Rorunann, Über das Rumpfmuskeleentrum in der Fühlsphäre der Gross- hirnrinde. Neurolog. Centraiblatt 1896. 8.1105.
780 Sitzung der physikalisch -mathematischen Classe vom 19. Juli.
Tagen Kreisbewegungen nach der Gegenseite machte, dann durch einige Zeit Wendungen oder Drehungen vorwiegend und geschickter nach ebendieser Seite hin ausführte, und dass er, auf der Gegen- seite mit frei herabhängendem Hinterkörper liegend, den Hinterkörper nicht so emporzuschleudern vermochte, wie wenn er auf der Seite der Verletzung lag.' Aber letzteres findet, wie Hr. Rorumann gezeigt hat, seine Erklärung in der Schädigung des gegenseitigen Hinterbeines, da der Hund die isolirte Hebung dieses Beines nicht ausführen konnte, die als einleitende Bewegung für das Emporschleudern des Hinter- körpers unbedingt erforderlich ist. Und ebenso wenig haben die Dre- hungen des Hundes zu besagen. Ihre Richtung nach der Gegenseite, wie wir sie hier angegeben finden, steht im Widerspruche zu allen den zahlreichen anderen Erfahrungen, nach welchen der Verstümme- lung des Gyrus sigmoideus Drehungen nach der Seite der Verletzung beim Gehen folgten, und weist auf besondere störende Bedingungen hin, welche bei den Versuchen obwalteten. Doch brauchen wir dem nicht weiter nachzugehen, noch auszuführen, wie die Schädigung der Extremitäten einer Seite, insbesondere der Ausfall der Abducetion des Vorderbeines die Drehungen nach der anderen Seite mit sich bringt. Unter allen Umständen macht den Schluss auf ein »Rumpfcentrum« im Gyrus sigmoideus unzulässig, dass es sich bei dem Drehen und bei der Bevorzugung der einen Drehrichtung seitens des Hundes bloss um eine Erscheinung handelt, die sich in wenigen, längstens etwa ı4 Tagen nach der Operation verliert, und dass auch schon vorher auf einen besonderen Anlass hin, z. B. um Fleisch zu fassen, der Hund ebenso nach der anderen Richtung seine Rumpfwirbelsäule wendet und dreht.
Schliesslich habe ich auf die ausführlichen Darlegungen zu ver- weisen, die ich früher von den Folgen der ein- und der beiderseitigen Fxstirpation der Extremitätenregionen beim Hunde gab’; denn das sind die strengen Formen, welche die Eingriffe annehmen müssen, will man sichere Auskunft gewinnen, ob im Gyrus sigmoideus posterior oder »zwischen den Extremitäteneentren« ein »Rumpfcentrum« beim Hunde existirt oder nicht. Nach jenen Exstirpationen hat sich keinerlei Abnormität am Rumpfe ergeben. Ich kann als beste Prüfung empfehlen, dass man dem beiderseitig operirten Hunde, wenn er vom Gehen er- müdet am Boden liegt und hungrig ist, von der Seite und hinten her Fleischstücke reiche: man wird zuerst den Kopf des Hundes sO weit als möglich den Stücken sich nähern sehen und bei der weiteren
ı J. Kusıck, Experimentelle Studien über die eorticale Innervation der Rumpf- musculatur. Inaug.-Diss. er 1890. 2 Diese Berichte 1895. S. 595-
Munxk: Über die Ausdehnung der Sinnessphären in der Grosshirnrinde. II. 781
Bemühung des Hundes um das Fleisch unter völliger Ruhe des übrigen Körpers die isolirten Bewegungen der Rumpfwirbelsäule unversehrt wiederfinden.
Mit Unrecht ist also gegen mich geltend gemacht worden, dass die Rinde, die den Rumpf beherrscht, anderswo, als im Stirnlappen, gelegen sei, und es ist nicht zu verkennen, wie damit zugleich meiner Ermittelung über den Stirnlappen eine Unterstützung zufliesst. Aber die Zuverlässigkeit meiner Ermittelung ist nun auch noch unmittelbar in Frage gestellt worden, indem, was ich an thatsächlichen Belegen beigebracht hatte, das eine hier, das andere dort, manchmal alles mit einander nicht Bestätigung oder Anerkennung fand. Deshalb den ganzen Inhalt meiner Abhandlung vom Jahre 1832 nochmals durch- zugehen, würde ermüdend und unerspriesslich sein. Ich will in mög- liehster Kürze, an das früher Ausgeführte anknüpfend, auf grund meiner neuen Untersuchungen die Widersprüche nach Ursprung und Bedeutung aufklären und die Richtigkeit meiner Ermittelung nach- weisen.
Es handelt sich, wie ich erinnere, wenn hier vom Stirnlappen die Rede ist, beim Affen wie beim Hunde um den Theil des Gross- hirns, der vor der Halsregion der Fühlsphäre gelegen ist. Der Lappen galt für elektrisch unerregbar, und ich fand, dass Reizungen von einer gewissen Stärke und einer gewissen Dauer an drei Stellen des Lappens Bewegungen herbeiführen, an einer mittleren Stelle der Con- vexität Inspirations-, an einer lateralen oder unteren Stelle Exspirations- bewegungen, an einer medialen Stelle Bewegungen der Rumpfwirbel- säule. Seitdem ist der Einfluss der Grosshirnreizungen auf die Athmung ein einziges Mal genauer verfolgt worden, und diese Untersuchung von Hrn. Spescer' hat die Bestätigung meiner bezüglichen Erfahrungen ergeben, mit so guter Übereinstimmung hinsichts der Reizstellen, der erforderlichen Reizstärken und der Reizerfolge, wie man es bei ersten Walırnehmungen auf unserem Gebiete nur wünschen konnte. Auch hat eine weitere solche Bestätigung eine neuerliche Veröffentlichung von Hrn. BEcHtErew” gebracht, der von meinen und Hrn. Spexcer's Erfahrungen gar nichts weiss und nunmehr respiratorische Centra in der distalen Hälfte des Stirnhirns nachgewiesen zu haben betont. Dem gegenüber ist es ohne Bedeutung, dass von einigen Seiten? die Reizungen des Stirnlappens noch immer, und zwar kurz und bündig als erfolglos hingestellt worden sind. Denn es ist, um mit Hrn. SpENCER zu sprechen, ein Leichtes, keine Wirkung auf die Athmung
! Phil. Transact. of the R. Soc. of Ft ‚Vol. 185 (1894), B, p. 609. ? Arch. f. (Anat. u.) Physiol. wi S. 5 3 SchÄrer und Horstey, a. a. 0. (1 888. — Kousıcr, a. a. O. (1890).
782 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 19. Juli.
durch die Reizungen zu erhalten. Man braucht nur auf dem ver- hältnissmässig grossen Areale nicht genügend nach den reizbaren Stellen zu suchen, nicht auf die gute Verfassung des T'hieres oder des Gehirnes zu halten, unzureichend oder zu stark zu narkotisiren, Reizstärke und Reizdauer nicht angemessen gross zu nehmen. Und was für die Athmung, gilt auch für die Wirbelsäule-Bewegung, ja kommt dafür um so nıehr in Betracht, als man davon Abstand nahm!', die stärkeren Ströme anzuwenden, die, wie ich angab, hier erfor- derlich sind. Der Scheu vor solehen Strömen lag lediglich eine Un- klarheit zugrunde. Die Verwendung möglichst schwacher Ströme bei den Reizversuchen am Hirn bezweckt, abgesehen von der Schonung der Hirnsubstanz, die jedesmal gereizte Partie in möglichst kleiner Ausdehnung zu halten, damit soviel als möglich die Rindenstellen, welche verschiedene Reizerfolge geben, unterschieden und begrenzt werden können. Für die absolute Grösse der Ströme, welche so in Anwendung zu kommen haben, ist damit jedoch an sich keine Be- schränkung weiter gesetzt; und wie Hr. Hırzıc und alle seine Nach- folger als möglichst schwache Ströme am Scheitellappen, um die Augen-, die Arm-, die Bein-, die Nackenmuskeln in Bewegung zu setzen, der Reihe nach immer stärkere Ströme benutzt haben. so können auch am Stirnlappen, sobald es, um überhaupt Reizerfolge zu erzielen, nöthig ist, wie bei den Wirbelsäule-Bewegungen — bei den Athembewegungen ist es gar nicht einmal nöthig —, noch stärkere Ströme verwandt werden. Es kommt nur darauf an, dass man immer das bei grösserer Stärke auch ausgebreitetere Wirken der Ströme im Auge behält und die Gewissheit erlangt, dass der jedes-
! SchäÄrer sagt a.a.O.S.271: »In keinem Falle haben wir eine Reizstärke über- schritten, welche bei Anlegung der Platin-Elektroden an die Zunge eben eine leicht prickelnde Empfindung hervorrief, welche leicht ertragen werden konnte«. — Kusıck (a. a. 0. S. 29-31) hat in 2 Versuchen »sowohl mit schwachen Strömen, als auch mit solchen, die auf der Zunge nicht mehr ertragen werden können, gereizt«. Im dritten Versuche hat allerdings die Reizung »ca. 3-4mm von der Medianlinie auch bei 40"" Rollenabstand und 10 Sek. Dauer« stattgefunden, ohne dass Rumpfbewegungen ein- traten; aber — unter welchen Umständen! Bei der Blosslegung des Gehirnes am morphinisirten Hunde sistirte die Athmung vollständig und musste künstlich unterhalten werden. Die Blutung aus der Diplo& war ziemlich beträchtlich. Die elektrische Er- regbarkeit der Hirnrinde war sehr stark herabgesetzt, und es wurde deshalb 1"% Atropin. sulf. subeutan gegeben. Erst nach voll eingetretener Atropinwirkung — die Athmung erfolgte jetzt spontan — wurde die Reizung wieder aufgenommen und nun- ınehr jenes Ergebniss am Stirnlappen gewonnen. Danach rief Reizung im Gyr. sigm. post. bei zomm Rollenabstand einen partiellen Krampfanfall hervor. Die Erregbarkeit der Rinde an der anderen Hemisphäre war so weit gesunken, dass die Extremitäten- centra erst bei zowm Rollenabstand reagirten. Nach einer verunglückten Rücken- marksdurehschneidung wurde der Hund getödtet. Das wird als ein »Versuch« am Hirn vorgeführt und zum Widerspruch verwerthet!
Munk: Über die Ausdehnung der Sinnessphären in der Grosshirnrinde. I. 783
malige Reizerfolg nicht von der Reizung einer anderen Stelle her- rührt, als derjenigen, welcher man ihn zuschreibt. Dass aber die Atlıem- wie die Wirbelsäule-Bewegungen die Folgen der Reizung der bezeichneten Stellen des Stirnlappens waren, habe ich 1832 so um- fassend nachgewiesen, dass ich geradezu dasselbe nochmals wörtlich wiedergeben müsste.
Wie mir scheint, ist jene unbegründete Scheu vor den stärkeren Strömen wesentlich dadurch veranlasst worden, dass Hr. Hırzzıc als- bald 1883 gegen mich bemerkte‘: »Die Reizversuche Munk’s übergehe ich. Sie sind mit Strömen von solcher Intensität angestellt, dass sie ohne Lähmungsversuche überhaupt nichts beweisen würden«. Zu einem solchen Bewusstsein grosser Überlegenheit war jedoch schon deshalb kein Grund vorhanden, weil ja nur von Hrn. Hırzıg ausser Acht ge- lassen war, dass es dieselben Reizströme waren, mittels weleher ich am Scheitellappen des Hundes, wie Hr. Hırzıs, die Nackenbewegungen und am Stirnlappen die Athembewegungen herbeigeführt hatte. Es war ferner nieht richtig, dass ich, wie man danach glauben musste, die Funetionen des Stirnlappens mittels der Reizerfolge zu beweisen versucht hatte. Gerade im Gegensatze zu Hrn. Hırzıs, («essen aner- kannte Verdienste um das Grosshirn vorzüglich an seine Reizversuche geknüpft sind, hatte ich in langjährigen Untersuchungen immer aus- schliesslich an Exstirpationen mich gehalten und zum ersten Male jetzt beim Stirnlappen auch die Reizerfolge, aber bloss als Bestätigung der Ergebnisse der Exstirpationen herangezogen. Und damit war ich durch- aus im Rechte. Wie weit der Aufschluss geht, den die Reizversuche bringen, das würde im allgemeinen noch schwer zu sagen sein und lässt sich gewiss nicht beiläufig erledigen. Doch ist es jedenfalls ausgemacht dureh unsere Erfahrungen am Hirn, dass, wenn die Reizung einer Rinden- partie Bewegungen eines einzelnen Körpertheiles herbeiführt, zwischen der Rindenpartie und dem Körpertheile besondere enge Beziehungen bestehen. Solche Beziehungen werden also zwischen Stirnlappen und Rumpf dureh den Einfluss dargethan, welchen die Reizungen des Stirnlappens auf Athmung und Wirbelsäule-Bewegung haben, und darin findet ein anderweitiger Nachweis von Funetionen des Stirn- lappens, welche den Rumpf betreffen, eine erhebliche Stütze.
Diesen Nachweis nun habe ich mit den Störungen in den will- kürlichen. Bewegungen und der Haltung der Rumpfwirbelsäule ge- führt, welche ich der ein- und der beiderseitigen Exstirpation des Stirnlappens folgen sah. Die Störungen fallen nicht dermassen in die Augen, wie die Störungen am Kopfe, am Halse und vollends an
! Arch. f. Psychiatrie, Bd. ı5. S.27r.
784 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 19. Juli.
den Extremitäten, und es hatte Schwierigkeiten, sie aufzufinden; aber nachdem sie einmal gefunden waren, konnten sie der sorgsamen Beob- achtung in der Folge nicht melır entgehen. Wenn dennoch die Meisten von denen, die nach mir mit dem Stirnlappen sich befassten, nichts von den Störungen wahrgenommen haben, die ich beschrieb, so trägt lediglich die Schuld, dass das, worauf es ankam, nicht die genügende Beachtung und das rechte Verständniss fand.
Damit die Störungen sich zeigen, muss der Stirnlappen abge- tragen sein beim Hunde durch einen Schnitt dicht vor der Supra- orbitalfurche' und ihrer Verlängerung bis zur Falx, beim Affen durch. einen Querschnitt durch die Hemisphäre in der Höhe der vorderen Spitze des medialen Endes der Präcentralfurche‘. Es thut nichts, wenn der Schnitt ein wenig, etwa 1-2”"” weiter nach vorn fällt, aber bei noch grösserem Abstande können die Störungen nicht mehr deutlich oder selbst gar nicht zu bemerken sein. Hinwiederum darf der Schnitt auch nicht weiter nach hinten in die Hals- oder gar die Armregion hinein fallen, noch dürfen diese Regionen durch Quetschung, Blutung u. dergl. oder durch einen schlechten Heilungsvorgang in Mitleiden- schaft gezogen werden, weil sonst die groben anderweitigen Störungen die feinen Störungen infolge des Verlustes des Stirnlappens theils überhaupt nicht, theils nicht überzeugend hervortreten lassen. End- lieh muss der Schnitt die Hemisphäre in ihrer ganzen Breite und Dicke durehsetzen. Ich würde dies nicht noch besonders zu erwähnen nöthig finden, wenn nicht mir selbst in einigen Fällen, in welchen ich mein Operationsverfahren gut durchgeführt zu haben glaubte und doch die Störungen nicht deutlich zu erkennen waren, die Section die Aufklärung gebracht hätte, dass der Stirnlappen nur unvollkommen abgetrennt war. Solche Versehen scheinen sich nicht ganz ausschliessen zu lassen, wenn man den Stirnlappen, wie ich es empfahl, an Ort und Stelle zurücklässt; und ich habe es deshalb später vorgezogen, den Stirnlappen im ganzen aus der Schädelhöhle zu entfernen, was beim aseptischen Verfahren ohne die Gefahr des Hirnvorfalls geschehen konnte.
Die meisten Versuche meiner Nachfolger waren daher gar nicht danach angethan, die Störungen zur Beobachtung kommen zu lassen. Es genügte eben nicht, dass man, um mit Hrn. Hırzıs? zu reden, »die erheblichsten einseitigen und doppelseitigen Zerstörungen anrichtete«, sondern die Zerstörungen mussten einen bestimmten Umfang haben. Nach so unvollkommenen Exstirpationen, wie sie Fig. ı der HH. Hors-
! Ich nannte die Furche 1882 Hauptstirnfurche. „AU,
Munk: Über die Ausdehnung der Sinnessphären in der Grosshirnrinde. II. 785
ıey und ScnÄrer' und Figg.ı und 2 von Hrn. Bıaucni” zeigen, wie sie immer die HH. Frrrıer und Yro® und oft Hr. Krıwororow aus- führten, habe auch ich nichts von den Störungen gefunden. Ebenso waren andererseits unbrauchbar die Versuche von Hrn. GoLrz’ und Hrn. Lucranı® und manche Versuche von Hrn. KrıworoTow, bei welchen die Zerstörungen, bez. Schädigungen viel zu weit sich erstreckten, so dass Hals und Extremitäten in Bewegung und Empfindung beein- trächtigt waren. Auch die Versuche von Hrn. Groseuik’ sind hierher zu rechnen, die nur insofern Werth behalten, als Hr. Groseuık die Störungen der Extremitäten sich innerhalb der nächsten Wochen zu- rückbilden und die Bewegungsstörungen der Wirbelsäule, die zuerst »ganz oder zum Theil in Schatten gestellt« waren, »um so reiner und deutlicher« erscheinen sah. Nimmt man dazu noch, dass manche Thiere schon in den nächsten Tagen nach der Operation zugrunde gingen, so bleibt von allen Versuchen meiner Nachfolger nur ein kleiner Rest übrig, für welchen man sich die Frage vorzulegen hat, weshalb trotz der Brauchbarkeit der Versuche die Störungen am Rumpfe nicht gesehen oder nicht richtig gewürdigt wurden.
Da hat, was zunächst die Störungen in den willkürlichen Bewegun- gen betrifft, der Glaube schädlich gewirkt, der noch vielfach nicht über- wunden ist, dass, wie mit dem Grosshirn alle willkürliche Bewegung des Thieres untergeht, so mit dem Verluste einer Grosshirnrindenpartie, die einen einzelnen Körpertheil hinsichts der Bewegungen beherrscht, auch alle willkürliche Bewegung dieses Körpertheiles erloschen ist. Das stete Reden von »Lähmungen« der Körpertheile infolge von Grosshirn- verletzungen, das Hr. Ferrrer und Genossen bis in die jüngste Zeit fort- gesetzt haben, und dazu der rein negirende, nirgend bis zu einer posi- tiven Klärung sich durchringende Kampf gegen diese »Lähmungen«, den Hr. GoLrz so lange führte, haben es bewirkt, dass der Glaube sich in weiter Verbreitung festsetzen und bisher erhalten konnte. In der Wahr- heit liegen die Dinge, wie ich gezeigt habe°, ganz anders. Dem Körper- theile, dessen zugeordnete Rindenpartie verloren gegangen ist, fehlen
2. A. 8 O,. {Ph Tr) Zai
” Bram, Vol. XVII. p. 497.
° Phil. Transact. of the R. Soc. of London 1884. Part Il. p. 321.
* Uber die Functionen des Stirnlappens des Grosshirns. Inaug.-Diss. Strass- burg 1883.
5 Prrüser’s Arch. Bd. 34. 1884. S.484
® Lvecrant und Serrittı, Die Functions-Localisation auf der Grosshirnrinde. Leipzig 1886. S. 261.
? Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1895. S. 98.
® Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1878. S. 174 (H. Musk, Functionen u. s.w. 2. Aufl. 1890. S.35—36); — diese Berichte 1893. S. 759-781; 1895. 8. Be 1896. S.1138 bis 1145.
Sitzungsberichte 1900. 72
786 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 19. Juli.
lediglich die isolirten willkürlichen Bewegungen, d. h. diejenigen will- kürlichen Bewegungen, welche den Körpertheil allein betreffen, während willkürliche Bewegungen des Körpertheiles noch fortbestehen in den G haftsbewegungen, d.h. den Bewegungen, welche der Körper- theil in Verbindung oder in der Reihe mit anderen Körpertheilen voll- führt, beim Gehen, Laufen, Klettern u. s.w. und bei den secundären Bewegungen. Daraus, dass man die Thiere nach dem Verluste der Stirn- lappen überhaupt noch die Wirbelsäule krümmen sah, war man also nicht zu schliessen berechtigt, dass der Stirnlappen ohne Bedeutung für die Wirbelsäule-Bewegung ist. Aber man hielt in der Regel mit jener groben Constatirung meine Ermittelung für völlig widerlegt und hat, Hrn. Hırzıe und Hrn. Grossrik ausgenommen, zu feineren Beobachtungen sich nicht verstanden.
Hr. Gorrz' hat für das einzige Richtige von meinen Angaben die längst bekannte Thatsache erklärt, dass Hunde, welche eine Ver- stümmelung einer Hälfte des Grosshirns erlitten haben, die Neigung zeigen, nach der verletzten Seite hin Reitbahnbewegungen zu machen, und damit ein Verkennen meiner Angaben kundgethan, wie es ärger nicht wohl denkbar war. Gerade nicht die geringste Spur jener Reit- bahnbewegungen, die durch Sehstörungen oder durch Bewegungsstörun- gen von Hals oder Extremitäten veranlasst sind, sollte nach der Stirn- lappen-Exstirpation der Hund zeigen, den ich schilderte. Habe ich doch hervorgehoben, dass Sehen, Hören, Fühlen, ebenso wie die Be- wegungen von Kopf, Hals, Extremitäten, Schwanz und Gehen, Laufen, Springen ganz normal waren. Wenn so der Hund, nachdem die Exstir- pation des einen, sagen wir des linken Stirnlappens wohlgelungen, keine einzige der Störungen darbietet, welche eine Verletzung des Grosshirns hinter der Supraorbitalfurche mit sich bringt, dann ergiebt eine längere Beobachtung des Hundes, während er freiwillig beliebig weit geradeaus und dann und wann die Richtung ändernd geht und läuft, dass er im grösseren Bogen ebensowohl rechts- wie linksherum, im kurzen Bogen aber linksherum sich wendet oder dreht. Dasselbe nimmt man wahr, wenn man den Hund durch Anruf von hinten her im Gehen oder Laufen umzukehren veranlasst; führt man aber ein Fleischstück von der rechten Seite des Hundes her gegen seinen Hinterkörper, so dreht der Hund so- fort in kurzem Bogen rechtsherum. Der Hund kann also auch kurz nach beiden Seiten sich drehen, er bevorzugt aber hier bei seinen frei- willigen, nicht unmittelbar von aussen her bezüglich der Seite beein- flussten Wendungen die Linksdrehung. Und für diese Vorliebe findet sich eine Erklärung in der verschiedenen Art, wie die kurze Drehung
08. 485.
Munk: Über die Ausdehnung der Sinnessphären in der Grosshirnrinde. II. 787
links- und rechtsherum erfolgt. Immer drehen sich zuerst Kopf und Hals; dann aber folgt im ersteren Falle die Drehung der Rückenlenden- wirbelsäule unter regelmässigem Fortschritt von vorn nach hinten, so dass eine schöne hakenförmige Krümmung entsteht, während im letzteren Falle der Rumpf im ganzen im Becken sich dreht, ohne dass es zur hakenförmigen Krümmung der Rückenlendenwirbelsäule kommt'. Da die erstere Drehungsart derjenigen entspricht, welche der normale Hund in der Regel zeigt, hat man in der letzteren eine erzwungene und dem Hunde weniger geläufige oder bequeme Drehungsart zu sehen, erzwungen durch eine Bewegungsstörung der Rückenlendenwirbelsäule.
Um der Verschiedenheit der Drehung nach der einen und der anderen Seite sich zu vergewissern, habe ich noch empfehlen können, dass man, vor dem Hunde stehend, das eine Mal auf seiner rechten, das andere Mal auf seiner linken Seite ein Fleischstück im Bogen vom Auge nach der Schwanzwurzel hin führe. Und das ist auch die ein- fachste und beste Art, wie man am Hunde, dem beide Stirnlappen exstirpirt sind, indem man sein Verhalten mit dem des unversehrten Hundes vergleicht, sich überzeugt, dass die Abnormität bei der kurzen Drehung, die nach der einseitigen Verstümmelung auf einer Seite sich findet, nach der beiderseitigen auf beiden Seiten besteht. Der Bedeu- tung dieser Ermittelung thut keinen Eintrag, was Hr. GoLTz entgegen- hielt”, dass sein Hund, der noch mehr als die Stirnlappen verloren hatte, »die Wirbelsäule seitlich so vortrefflich krümmen konnte, dass er im Stande war, ein Stück Fleisch, welches an seiner Schwanzwurzel befestigt wurde, mit der Schnauze zu erreichen und abzufressen«., Ein solehes Herankommen der Schnauze an die Schwanzwurzel habe ich gleichfalls nach der Exstirpation der Stirnlappen und, wo der linke Stirnlappen exstirpirt war, auf der rechten Seite des Hundes gelegent- lich beobachtet. Ich sah die Krümmung der Rumpfwirbelsäule, die damit verbunden ist, 1882 als eine passive an, dadurch herbeigeführt, dass der Hund sich im Beeken herumwirft und zugleich das Vorder- bein der Seite, nach welcher die Drehung erfolgt, so verstellt, dass es dem abdueirten Hinterbeine der gleichen Seite möglichst nahe kommt. Seitdem ist es mir wahrscheinlicher geworden, dass es sich um eine active Krümmung der Rumpfwirbelsäule handelt, und zwar um eine Gemeinschaftsbewegung, welche die Rumpfwirbelsäule in Verbindung
‘ Ich nenne diese Drehung nicht mehr, wie ich es 1882 that, zeigerartig im Gegensatze zur normalen hakenförmigen, um Missverständnisse zu verhüten, da bei der Zwangsbewegung, welche man als zeigerartige Drehung zu bezeichnen pflegt, die ganze Wirbelsäule gerade bleibt, während in unserem Falle dasselbe nur für die Rückenlendenwirbelsäule gilt und die Halswirbelsäule sich nach der Seite der Drehung krümmt.
2 20.8, 485.
723*
788 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 19. Juli.
mit der Halswirbelsäule und den Extremitäten betrifft; denn gewöhn- lich ist es eine brüske, sprungartige, alle die genannten Körpertheile zugleich umfassende Bewegung, mittels welcher der durch die vorauf- gegangenen erfolglosen Bemühungen aufgeregte Hund das Fleisch an der Schwanzwurzel erhascht. Aber ob lediglich diese oder daneben auch die erstere Auffassung zutreffen mag, jedenfalls ändert die That- sache, dass der Hund unter Umständen die Schnauze an die Schwanz- wurzel zu bringen vermag, nichts an der anderen Thatsache, dass bei den vorgegebenen Prüfungen regelmässig und auf die Dauer die Ab- normität sich herausstellt für die langsame kurze Drehung, die, weil die betheiligten Körpertheile sichtlich nach einander, zuweilen sogar mit Pausen in die Bewegung eintreten, auf isolirte Bewegungen der Körpertheile zurückzuführen ist.
Beim Affen verhält es. sich nach der entsprechenden Verstümme- lung nicht nur mit der kurzen Drehung ebenso wie beim Hunde, son- dern bietet auch die grosse Beweglichkeit des Thieres, wie ich schon früher ausführte, noch reichlich anderweitig Gelegenheit dar, seine Un- fähigkeit zur Seitwärtsbiegung der Rückenlendenwirbelsäule zu erkennen. Will man eine hübsche Demonstration, so bringe man, wenn der Affe, der einen Stirnlappen verloren hat, am Gitter hängt, ein Mohrrüben- stück an die Seite des Affen etwa in der Höhe seiner Füsse und senke es, während er den gleichseitigen Arm danach ausstreckt: ist das Stück auf der Seite der Exstirpation, so wird der Affe die Rückenlendenwirbel- säule eoncav nach dieser Seite krümmen, ohne dass die anderen Ex- tremitäten ihre Befestigung aufgeben; hantirt man auf der anderen Seite, so wird der Affe mit gerader Rumpfwirbelsäule abwärts klettern, um das Stück zu erreichen. Ich habe in neuerer Zeit, um die Dinge klar- zustellen, von welchen weiterhin die Rede sein wird, besonders häufig die beiderseitige Exstirpation des Stirnlappens an Affen ausgeführt und, wenn die Affen (Macacus Rhesus) vor dem Eingriff sehr lebhaft gewesen waren, sie später ebenso wieder sich tummeln sehen. Aber wenn sie dann auch noch so viel und rasch sich bewegten, so war doch, wie sie am Boden des Käfigs gleichsam dessen Ecken absuchend kreisten, auf der Stange unter Wendungen hin und her promenirten, sich auf- und abwärts und um die Stange schwangen u. s. w., eine gewisse Steif- heit oder Schwerfälligkeit gegenüber den zierlicheren Bewegungen der unversehrten Affen nicht zu verkennen, eine Schwerfälligkeit, deren Ursache sich überall im Fehlen von seitlichen Verbiegungen oder Drehun- gen der Rückenlendenwirbelsäule ergab. Bei alledem verblieb es auch durch viele Monate. Dagegen habe ich eine Veränderung mit der Zeit hinsichts der Streckungen und Beugungen der Rückenlendenwirbelsäule bemerkt. Auch diese kamen nach der beiderseitigen Exstirpation als
Munk: Über die Ausdehnung der Sinnessphären in der Grosshirnrinde. I. 789
isolirte Bewegungen nicht mehr vor; sie traten nur noch weiter als
wegungen auf,: wenn der Affe vom Sitzen zum Stehen oder Gehen überging, sich auf den Hinterbeinen aufrecht stellte, sich um die Stange schwang u. dergl. mehr. Aber nach einigen Wochen zeigten sich neue PEN OREN. der Rumpfwirbelsäule, welche bis dahin nicht als Gemei bewegungen zu beobachten gewesen und als seeundäre Bewegungen im Anschluss an Halsbewegungen aufzufassen waren: zuerst hatte der Affe, um im Sitzen nach oben zu sehen, immer bei unbewegtem Rumpfe den Kopf weit, oft äusserst weit zurückge- worfen; jetzt stellte sich im gleichen Falle zuweilen eine deutliche Streckung der oberen Partie der Rumpfwirbelsäule ein bei beschränkte- rem Zurückgehen des Kopfes.
Mit den letzten Worten haben wir schon die Störung berührt, welche nach der beiderseitigen Exstirpation des Stirnlappens ferner noch in der Haltung der Rumpfwirbelsäule sich darbietet. Die Rücken- lendenwirbelsäule ist, besonders wenn das Thier sitzt, aber auch wenn es steht und langsam geht, abnorm gewölbt, so dass die hinteren Extremitäten den vorderen nähergerückt sind. Ist der Hund einiger- maassen langgestreckt und hochbeinig, so ist die katzenbuckelartige Krümmung des Rückens in den ersten Tagen oder sogar Wochen nach der Operation sehr deutlich, aber sie nimmt mit der Zeit ab, so dass sich dann streiten lässt, ob noch ein Rest der Störung vorhanden ist oder nicht; wie ich angab, habe ich einen kleinen Rest auch nach Monaten zu bemerken gemeint, wenn der Hund nach langem Liegen sich erhoben hatte. Noch mehr macht sich die abnorme Wölbung der Rückenlendenwirbelsäule beim Affen bemerklich. Wenn der nor- male Affe ruhig sitzt, ist sein Rücken mässig gekrümmt, die Ellbogen befinden sich ein Stück oberhalb der Kniee, noch höher stehen die Schultern und der Kopf, und das Gesicht sieht nach vorn. Dagegen zeigt der Affe, der beide Stirnlappen verloren hat, beim Sitzen eine halbkreisförmige Krümmung des Rückens, die Kniee in oder neben den Achselhöhlen, Schultern und Kopf so nahe über den Unterschenkeln, dass das Kinn dicht über und vor den Knieen sich befindet, den Scheitel nach vorn und das Gesicht nach unten gerichtet. Und an dieser Haltung ist der stirnlappenlose Affe jederzeit zu erkennen, denn die Haltung bleibt durch Monate bestehen, ja durch Jahr und Tag, wie ich mich durch eine Reihe von Versuchen und photographischen Aufnahmen überzeugt habe.
Gegenüber der Drehstörung, zu deren Constatirung immer doch eine genauere Untersuchung der 'Thiere erforderlich ist, hat man hier also eine Störung, welche ohne weiteres sichtbar ist, und deshalb müsste es wunder nehmen, wenn die Störung meinen Nachfolgern
790 Sitzung der physikalisch -mathematischen Classe vom 19. Juli.
selbst bei der beschränkten Zahl ihrer brauchbaren Versuche gänzlich entgangen wäre. Das ist denn auch nicht der Fall. Hr. Hırzıe' hat den Katzenbuckel beim Hunde nur nicht so leicht und regelmässig zu produeiren gefunden, wie man glauben sollte, und ist dessen sicher, dass man durch Abtrennungen und sogar Auslöffelungen der Gehirn- substanz die erhebliehsten doppelseitigen Zerstörungen anrichten kann, ohne dass der Katzenbuckel eintritt, — worin ich nach dem oben 8.784 Ausgeführten durchaus mit ihm übereinstimme. Hr. Groserıx’ hat den Katzenbuckel des Hundes nur ein einziges Mal am Tage nach der Entfernung des zweiten Stirnlappens und auch dann nur für sehr kurze Zeit eintreten sehen; aber er hat überhaupt wenige Hunde beider- seits operirt und zwischen der Exstirpation des ersten und des zweiten Stirnlappens immer mehrere Monate verfliessen lassen. Endlich haben die HH. Horsrey und Scnärer’ an allen ihren drei Affen die ab- sonderliche und, wie sie selber sagen, charakteristische Haltung beim Sitzen beobachtet, dass der Kopf immer abwärts gebeugt zwischen den Armen sich befand; und das ist nicht bloss wahrscheinlich, wie sie bemerken, die von mir beschriebene Haltung, sondern kann ja ihrer Schilderung gemäss gar nichts anderes sein, wenn sie auch gerade des wichtigsten, weil ursächlichen Momentes, der übermässigen Krüm- mung der Rückenlendenwirbelsäule, nicht Erwähnung thun. Sie fügen noch hinzu, dass die charakteristische Haltung bloss während der ersten wenigen Tage nach dem Eingriff sich fand; aber da der Afle ihres Vers. 3 schon am 6. Tage starb und der Affe von Vers. ı un- zureichend operirt war‘, bleibt für ihre Angabe einzig und allein ihr Vers. 2 als Stütze übrig, und entgegen steht die ganze Reihe meiner Versuche, die ausnahmlos das Fortbestehen der Störung ergaben. Ich bin nach 1882 noch auf eine weitere Störung aufmerksam geworden, welche die Affen nach der Exstirpation beider Stirnlappen zeigen, eine Störung in der Erhaltung des Gleichgewichtes. Schon früh war mir aufgefallen, dass diese Affen häufig eine Stellung an- nehmen und für lange Zeit beibehalten, wie man sie sonst nur höchst selten bei den Affen sieht: mit den Gesässschwielen auf dem Boden oder auf der Querstange des Käfigs, hält der Affe die Beine nahe neben einander schief nach oben und vorn gestreckt, so dass die Plantae flach der Wand anliegen, und lässt Bauch und Brust den Ober- und Unterschenkeln, den Kopf den Zehen aufruhen. Wenn man in dieser Faltstellung, wie sie heissen mag, den Affen an das Gitter
1 A280:
=>. 0. B147:
® A.a.O. S.3 Anm.; S.4 Anm.; S. 25. * S. oben S.784.
Movnk: Über die Ausdehnung der Sinnessphären in der Grosshirnrinde. II. 791
gelehnt sieht, kann man meinen, dass der Affe, der in seiner Sitz- stellung immer den Kopf weit in den Nacken zurücknehmen muss, um nach vorn zu sehen, mittels der Faltstellung die andauernde Beob- achtung (les Zimmers, ohne seine Nackenmuskeln anzustrengen, be- zweckt; aber anderemal findet man den Affen ebenso mit den hoch- gestreckten Beinen der undurchsichtigen Seiten- oder Rückwand des Käfigs zugekehrt. Da die Faltstellung am häufigsten bald nach der Operation und mit der Zeit immer seltener auftrat, gab ich mich mit dem Glauben zufrieden, dass in ihr lediglich das üble Befinden des Affen zum Ausdruck käme, das zunächst die Nachwirkung der Morphium- narkose, dann der Heilungsvorgang mit sich brachte, wenn ich mir auch nicht verhehlte, wie damit schwer in Einklang zu bringen war, dass nach anderen Rindenexstirpationen unter entsprechenden Um- ständen die Faltstellung ausblieb. Aber als später, da ich die Affen nicht mehr mit Morphium und Äther, sondern bloss mit Äther nar- kotisirte und aseptisch operirte, die stirnlappenlosen Affen oft schon am Tage der Operation und vollends am folgenden Tage wieder munter sich bewegten, blieb es doch bezüglich der Faltstellung beim Alten, und die Dinge klärten sich ganz anders auf. Es stellte sich heraus, dass der Affe in der ersten Zeit nach dem Verluste beider Stirnlappen nicht frei in der Sitzstellung sich halten kann, sondern dafür noch einer Hülfe bedarf. Auf dem Fussboden oder Tisch stützt er, wenn nicht beide Arme, jedenfalls einen Arm auf, ebenso in der Seiten- stellung auf der Stange (wenn seine Sagittalebene der Längsaxe der Stange parallel ist); in der Frontalstellung auf der Stange hält er sich mit einer Hand am Gitter oder auch an der Rückwand fest. Nur sehr schwer lässt er sich bewegen, den stützenden Arm zu ent- fernen, um Nahrung zu fassen, und dann zieht er sogleich den anderen Arm zur Stütze heran. Verharrt er lange in seiner Stellung, so sieht man noch von Zeit zu Zeit den Rumpf sich langsam nach der Seite neigen und, wenn die Neigung eine gewisse Grösse erreicht hat, den Affen unter einer kleinen Drehung sich wieder zurechtsetzen. Auf der Stange verliert er auch manchmal das Gleichgewicht, wenn er eine Bewegung mit dem Kopfe oder dem freien Arme oder sonstwie macht, und er muss mit der Hand an die Stange oder das Gitter oder die Käfigwand greifen, um das Fallen aufzuhalten; ja, es kommt vor, dass er vor dem Sturz auf den Boden bloss noch dadurch im letzten Augenblick sich zu bewahren vermag, dass er sich mit den Füssen an die Stange klammert. Nur wenn der Affe in der Sitzstellung sich zugleich mit dem Rücken an die Seitenwand des Käfigs lehnt oder wenn er die Faltstellung inne hat, welche sich als eine modifieirte gesicherte Sitzstellung ansehen lässt, bleibt das Schwanken aus: und
792 Sitzung der physikalisch-mathematischen Classe vom 19. Juli.
diese beiden Stellungen sind es auch, die der Affe mit Vorliebe am Boden wie auf der Stange für eine längere Ruhe einnimmt. Mit der Zeit nimmt das Schwanken bis zum Verschwinden ab und giebt der Affe das Anlehnen mit dem Rücken, wie die Faltstellung auf, endlich fällt auch die Unterstützung durch den Arm fort. So erscheint die Störung des Gleichgewichtes abgeglichen, manchmal schon nach einigen Tagen, gewöhnlich in ı-2 Wochen; in einem einzigen Falle habe ich die Zeit bis in die vierte Woche sich verlängern sehen. Doch bleibt ein Rest der Störung für die Dauer erhalten. Während der normale Affe gern und häufig in der Frontalstellung auf der Stange sitzt, nimmt der stirnlappenlose Affe nach seiner Wiederherstellung so regelmässig die Seitenstellung auf der Stange ein, dass ich bei den jahrelangen Untersuchungen nur ein paarmal, und dann auch nur aus besonderem Anlass und für kurze Zeit, einen solchen Affen in der Frontalstellung auf der Stange sitzen sah.
Neben den willkürlichen zeigen sich also auch die unwillkürlichen Bewegungen der Rückenlendenwirbelsäule durch den Verlust der Stirn- lappen geschädigt, wie es mit unserer allgemeinen Kenntniss von den Rindenreflexbewegungen' im Einklang steht. Nach der Totalexstir- pation der Extremitätenregionen hängen, wenn das Thier in aufrechter Stellung gehalten wird, die gegenseitigen Extremitäten, oder wenn das Thier auf den Hinterbeinen steht, die gegenseitige Vorderextremität schlaffer als in der Norm herab und bleibt bei den Gemeinschafts- bewegungen dieser Extremitäten, wenn das Thier geht, läuft, klettert u.s.w., die Regulirung aus, die Vervollkommnung und Verfeinerung der Bewegungen zum Zwecke der Anpassung an die besonderen äusseren Umstände, wie Beschaffenheit des Bodens, der Stangen u. dergl. mehr. Dem entspricht, wo die Stirnlappen exstirpirt sind, dass beim Sitzen die Rumpfwirbelsäule übermässig gewölbt ist und, wenn der Schwerpunkt sich verrückt, die Muskeln der Rumpfwirbelsäule nicht wie in der Norm zur Erhaltung des Gleichgewichtes thätig werden. Daher kann kein Zweifel sein, dass die Stirnlappenrinde eine Region der Fühlsphäre ist, die Rumpfwirbelsäuleregion oder, wie sie richtiger zu nennen ist, weil durch die Reizungen innerhalb der Region nicht bloss die Rumpf- wirbelsäule, sondern auch die Athmung beeinflusst wird, die Rumpf- region. Im Vergleiche mit den anderen Regionen der Fühlsphäre steht nur der Nachweis aus, dass nach der Exstirpation der Stirnlappen auch der Gefühlssinn der Haut am Rumpfe geschädigt ist; und dem lässt sich keine Bedeutung beimessen, weil, wo die Berührungsempfind- lichkeit schon in der Norm so sehr gering ist, eine Herabsetzung
! Diese Berichte 1896. S. 1141-1144.
Munk: Über die Ausdehnung der Sinnessphären in der Grosshirnrinde. I. 793
derselben regelmässig zu constatiren, naturgemäss die allergrössten Schwierigkeiten bietet."
! GrossLır giebt a. a. O.an, dass er beim Hunde nach der Stirnlappen - Exstir- pation Störungen der Hautempfindlichkeit am Rumpfe gefunden habe; doch kamen die Störungen weder regelmässig noch im gewöhnlichen Umfange und dazu stets in Verbindung mit entsprechenden Störungen an den Extremitäten zur Beobachtung, so dass nur wenig auf die Erfahrungen zu geben ist.
794
Experimentelle Erzeugung von Doppelbildungen bei Triton. Von Dr. W. Tonkorr
aus St. Petersburg.
(Aus dem Anatomisch-biologischen Institut zu Berlin. — Vorgelegt von Hrn. Herrwie.)
In Jahre 1894 hat O.Schurtze' mittels Zusammenpressens von Frosch- eiern im Zweizellenstadium zwischen zwei Glasplatten und mittels nachfolgenden Umdrehens «lerselben verschiedenartige Doppelmissbil- dungen erhalten. Sodann wiederholte G. WETzEL” diese Experimente; er beschrieb die verschiedenen Formen der Missbildungen ausführlicher und untersuchte auch ihre frühen Entwickelungsstadien. Bis zur gegen- wärtigen Zeit sind diese Experimente vereinzelt geblieben und es : wurde noch von Niemand versucht, dieselben auch an anderen Thieren anzustellen. In Rücksicht auf das hohe Interesse der Frage habe ich deswegen der Aufforderung des Hrn. Geheimraths O. HerT- wıs, ähnliche Experimente mit Tritoneiern zu machen, bereitwillig Folge geleistet.
Dieangewandte Unt h thodeent hdervon O.ScHULTZE gebrauchten, — es wurden den im Zweizellenetädium befindlichen Eier in einem Tropfen Wasser auf eine horizontal liegende Glasplatte ge- . bracht, auf deren oberen Fläche von beiden Seiten Glasleisten von bestimmter Dicke festgeklebt waren. So blieben die Eier 2-3 Minuten liegen; — im Laufe dieser Zeit nahmen sie die normale Lage (mit dem animalen Pol nach oben) an. Dann wurde vorsichtig eine zweite Platte, die Deckplatte, aufgelegt, in ihrer Lage zur ersteren, zur Grundplatte mittels zweier Gummiringe fixirt, und dieser ganze kleine Apparat
ı O. Scaurrze, Über die Bedeutung der Schwerkraft für die organische Ge- staltung. Würzburg 1894. Derselbe, Die künstliche Erzeugung von Doppelbildungen bei Froschlarven mit Hülfe abnormer Gravitationswirkung. Arch. f. Entwickelungs- mechanik der Organismen. I.Band. 2. Heft. 1894.
2 G.Werzet, Über die Bedeutung der eireulären Furche in der Entwickelung der Scaurrze’schen Doppelbildungen von Rana fusca. Arch. f. mikr. Anat. B.XXXXVI. 1895. Derselbe, Beitrag zum Studium der künstlichen Doppelbildungen von Rana fusca. Inaug.-Diss. Berlin 1896.
W. Tonkorr: Experimentelle Erzeugung von Doppelbildungen bei Triton. 795
sofort um 180° gedreht, so dass der animale Eipol nach unten zu liegen kam. In diesem Zustande wurden die Eier in die feuchte Kammer gelegt, wo sie sich bei Zimmertemperatur weiter entwickelten. Zu meinen Versuchen benutzte ich stets die Eier von- Triton taeniatus, die künstlich nach der Methode von O. Herrwie' befruchtet wurden. Bei meinen ersten Befruchtungsversuchen hat mir Hr. Geheimrath OÖ. Herrwıs selbst Hülfe geleistet, wofür ich ihm, ebenso wie auch. für das rege Interesse, welches er meinen Untersuchungen entgegen- brachte, zu tiefstem Danke verpflichtet bin.
Vor Allem muss ich die Aufmerksamkeit auf den Umstand lenken, dass beim Triton auf dem Blastulastadium eine charakteristische Pigment- vertheilung (ein weisser Streifen), wie sie von O.ScHULTzE und G. WETZEL für die sich später zu Doppelbildungen entwickelnden Froscheier be- schrieben worden ist, nicht beobachtet wird. Desgleichen habe ich niemals die Cireulärfurche gesehen, welehe nach denselben Autoren einen untrüglichen Vorboten der Doppelbildungen vorstellt. In Folge dessen ist es beim Triton nicht möglich, so früh wie beim Frosch genau vorherzusagen, dass sich aus diesem oder jenem Ei eine Doppel- missbildung bestimmt entwickeln wird. Die Prognose wird noch dadurch erschwert, dass sich die Gastrulation bei den Doppelbildungen beim Triton nach ihrem äusseren Habitus in der Mehrzahl der Fälle vom normalen Typus wenig unterscheidet; ich muss übrigens sofort hin- zufügen, dass meine Untersuchungen in dieser Richtung noch nicht vollendet sind und im nächsten Sommer von mir fortgesetzt werden sollen; im gegenwärtigen Jahr war ich gezwungen, die Experimente wegen Ablaufs der Laichzeit früher zu schliessen, als diese Frage entschieden war.
Ferner muss ich bemerken, dass in zwei Fällen sich typische Doppelbildungen aus Eiern entwickelt haben, welche im vierzelligen Stadium comprimirt worden waren. Dies widerspricht den Angaben von SCHULTZE, nach welchen sich eine Doppelbildung ausschliesslich nur in dem Falle entwickeln kann, wenn das Ei im Zweizellenstadium zusammengepresst und umgedreht wurde, während in dem Fall, wenn das Experiment später angestellt wird (in vierzelligem Stadium und weiter), sich zwar verschiedene Missbildungen entwickeln können, Doppelbildungen aber nicht entstehen. Was endlich das Procent der nach der Scaurrtze'schen Methode erhaltenen Doppelbildungen anbe- langt, so ist dasselbe nach meinen Beobachtungen sehr verschieden: so entwickelten sich in einer Serie von Experimenten aus ı2 Eiern
ı O. Herrwis, Die Entwickelung des mittleren Keimblattes der Wirbelthiere. Jena 1883. S.4.
796 Sitzung der physikalisch - mathematischen Classe vom 19. Juli.
3 Doppelbildungen, in einer anderen aus 19 Eiern — nur eine Doppel- bildung, obwohl die Versuchsbedingungen anscheinend dieselben waren. Zu einer kurzen Beschreibung der Doppelbildungen selbst über- gehend, muss ich vor Allem bemerken, dass ich bloss Doppelbildungen erhalten konnte; der von WETZEL beschriebene Fall einer dreifachen Missbildung bleibt bis jetzt einzig dastehend. Ferner beobachtete ich die Duplieitas ventralis und die Duplieitas lateralis gleich häufig, wobei (im ersten Falle) die Köpfe der Monstra oft vollkommen von einander gesondert erscheinen, während ich ein umgekehrtes Verhältniss (1 Kopf mit 2 Schwänzen) nie zu Gesicht bekommen konnte; ebenso habe ich auch die von O. Scuuutze beschriebene Form, wo die Köpfe entgegen- gesetzt gelagert sind, bisher nicht beobachten können. Es sind die Zwillinge ferner fast stets nicht symmetrisch; der eine von denselben ist gewöhnlich entweder von geringerem Umfange und es sind seine Organe nicht so weit entwickelt, wie beim anderen, oder es fehlen auch einige Organe (z. B. die Chorda dorsalis) ganz. Einen Fall von vollkommen symmetrisch entwickelter Doppelbildung, einzig in seiner Art, stellt die bei- gefügte Zeichnung vor. Die beiden Embryonen (fixirt im Alter von ı2 Tagen 20 Stunden), die mit ein- ander an ihrer ventralen Fläche verwachsen sind, erscheinen ganz vollkommen entwickelt, — Gehirn und Rückenmark, Chorda dorsalis, Herzanlage, Augen, Hörblasen, Rumpfmuseulatur; — alles das ist bei Jedem von den Embryonen in ganz gleichem und ganz normalem Entwickelungszustand vorhanden, und nur der Dottersack ist für die beiden Embryonen gemeinsam. Alle meine anderen Fälle von ventral verbundenen Embryonen er- scheinen in grösserem oder geringerem Grade asy trisch. So er- scheint in einer Duplieitas ventralis, welche fast dasselbe Alter er- reicht hatte, wie der eben beschriebene Fall, der eine Embryo viel stärker entwickelt, — der Kopf ist sehr gut ausgeprägt, Gehirn und Rückenmark sind differenzirt, es sind auch beide Augen, die Gehör- bläschen und die Anlage des Herzens vorhanden; beim kleineren Em- bryo ist der Kopf nicht so deutlich ausgeprägt, das Centralnerven- system stellt auf‘ der Mehrzahl der Schnitte eine ovale, eines Lumens entbehrende Zellanhäufung vor, die Chorda ist nicht zu unterscheiden, die Anlagen der Augen fehlen, die beiden Gehörbläschen sind aber vorhanden. Auf solche Weise steht also der zweite Embryo sowohl in Bezug auf die Grösse als auch auf die innere Entwickelung auf einer viel niedrigeren Stufe als der erste. In einem dritten Falle von dupli- eitas ventralis ist ebenfalls Asymmetrie in der Entwickelung der Em-
W. Tonkorr: Experimentelle Erzeugung von Doppelbildungen bei Triton. 1971
bryonen vorhanden, aber nicht in einem so hohen Grade; — der eine Embryo ist kleiner, die Chorda dorsalis ist bei ihm nicht unterscheid- bar, das Centralnervensystem ist aber bei beiden gleich gut entwickelt.
Die von mir erhaltenen lateral verbundenen Doppelbildungen sind ebenfalls fast sämmtlich ınehr oder weniger asymmetrisch. In einem Falle haben die Embryonen freie Kopfenden, während sie im übrigen Theil des Körpers mit einander durch die Seitenflächen verbunden sind, wobei der eine Embryo bedeutend kleiner ist, ein schwach entwickeltes Nervensystem besitzt und einer Chorda dorsalis völlig entbehrt. Ein anderer Fall stellt gewissermaassen einen stärker ausgeprägten Grad der eben erwähnten Missbildung vor: hier sind bei beiden Embryonen nicht nur die Kopfenden frei, sondern ausserdem noch wenigstens zwei Drittel des vorderen Körperabschnittes, so dass die beiden Embryonen mit einander nur durch die Schwanzenden verbunden sind, wobei ihre Körperaxen gegenseitig einen sehr scharfen Winkel bilden. Auch hier ist der eine Embryo besser entwickelt (er ist grösser, hat ein gut diffe- reneirtes Gehirn und Augenanlagen), doch sind bei beiden sowohl das Centralnervensystem als auch je eine Chorda vorhanden, welch letztere nur im hinteren Körperabschnitte mit der anderen verschmilzt.
Zum Schluss will ich noch bemerken, dass die oben angeführten und ähnliche Experimente ausser dem Interesse, welches sie für all- gemeine Fragen haben (Bedeutung der ersten Blastomeren für den Auf- bau des ganzen Organismus), auch noch in der Hinsicht von Wichtig- keit sind, dass es auf diesem Wege ermöglicht wird, verschiedene Doppelmissbildungen (wenigstens bei Amphibien) von ihren frühesten Entwickelungsstadien an zu studiren. |
Ausgegeben am 26. Juli.
799
SITZUNGSBERICHTE 190. DER xXXXV
KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
ZU BERLIN.
19. Juli. Sitzung der philosophisch -historischen Ulasse.
Vorsitzender Secretar: Hr. VAuLen.
1. Hr. Dümnzer las über Radbert’s Epitaphium Arsenii (ge- wöhnlich Vita Walae genannt). (Abh.)
Er versuchte in kurzen Andeutungen den bestrittenen geschichtlichen und litte- rarischen Werth dieses Denkmals darzulegen als Einleitung zu einer neuen Ausgabe desselben nach der einzigen Pariser Handschrift. Diese soll nebst einer Schriftprobe der Handschrift in den Abhandlungen der Akademie erscheinen.
2. Hr. von Wıramowırz- MoeLLennorrF las über Neue Bruch- stücke der hesiodischen Kataloge. (Ersch. später.)
Ein kürzlich in die aegyptische Abtheilung der Königl. Museen gelangter Papyrus enthält Reste von fünf Columnen einer schönen Handschrift, im Ganzen 50 Verse, die offenbar aus den Katalogen des Hesiod stammen; sie zählen die Freier der Helene auf. Zugleich mit diesem wird der Strassburger Hesiodpapyrus in Photographie veröffent- licht werden, den Reırzensreın im Hermes 35 zuerst bekannt gemacht hat.
3. Hr. Coxze überreichte das zweite Heft der vom archaeologischen Institute herausgegebenen Karte von Attica I: 100000 von E. Currıus und J. A. KAuperr.
4. Die Classe hat beschlossen, folgenden Aufruf zu erlassen: Die Königlich Preussische Akademie der Wissenschaften rüstet eine aus dem Allerhöchsten Dispositionsfonds unterstützte vollständige, auch die Cor-. respondenz umfassende Ausgabe der Werke WırueLns von HumsoLpr. Dafür steuern HumsoLprs Nachkommen die handschriftlichen Schätze von Schloss Tegel bei, und der politischen Abtheilung wird das Berliner Staatsarchiv dienen. Den verstreuten Briefen ist seit geraumer Zeit Hr. Prof. Dr. Lertzmans in Jena nachgegangen. An alle Besitzer Hum- soLprischer Handschriften, an Privatpersonen und Institute, ergeht die dringende Bitte, das Unternehmen dureh freundliche Mittheilung zu fördern.
Ausgegeben aın 26. Juli.
Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei.
VERZEICHNISS »DER WISSENSCHAFTLICHEN MITTIIEILUNGEN« zu St. XXXVI und XAXVH.
Seite Musk: Über die Ausdehnung der Sinnessphären in der Grosshirninde. U. . . . 22 2... 770 W. Toskorr: Experimentelle Erzeugung von Doppelbildungen bei Triton . . .» 2» 2 .2.2.2.2...794 ee der Akademie. Abhandlungen aus dem Jahre 1898 . R i BE ET ee Daraus: Physikalische Khkendkungeg RATE SU Are r Philosophisch - historische einen: ee EN A Einzelne Abhandlungen aus den Jahren 1898, 1899, 1900. Weis#orp: Die Verehrung der Quellen in Deutschland . MI Vırenow: Über die ethnologische Stellung der Gekirtoriechen ur. pricistrichen Äeppter ah Bemerkungen über Entfärbung und Verfärbung der Haare... . De: Dinmıer: Gedächtnissrede auf Wıruzım WATTENBACH . . 2.0. nl. ne. 1 EngeLmann: Gedächtnissrede auf Esır ou Bors-Rermonn . . . . 2. ee 2 en nen teile Dauzs: Bodkchiamerede anf Enner Baraıca » u. sen 2 ein ar Bes Scauzze: Hexäctinelliden des Indischen Oceanes. II. . . . .. „22.2... 0 en de Rıcnarz und Krısar-Menzer: Bestimmung der Gravitationsconstante und der mittleren See der Erde durch Wägungen . . All SCHUMANN: Die Verbreitung der ee im ‚ Verhältniss zu iR ifinhnchen re 9. ScHAupinn: Untersuchungen über den Generationswechsel von Trichosphaerium sieboldi Sons. . » 7.—
Krause: Untersuchungen über den Bau des Oentralnervensystems der Affen . .» . 2 2.2...» 350
Sitzungsberichte der Akademie. Preis der einzelnen Jahrgänge, 1882 —189 . ... . 22. 2.,
Daraus besonders zusammengestellt: Mathematische und Naturwissenschaftliche Mittheilungen, 1882—1897. Preis des Jahrgangs . . A S—
” . We - * ” * “ AM.12.—
Geschiehte der Königlich Preussisehen Akademie der Wissenschaften.
Im Auftrage der Akademie bearbeitet von Aporr Harnack. Drei Bände. — Berlin 1900. —
Die Zweihundertjahrfeier der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften am 19. und 20. März 1900. Berlin 1900. V u.1718.,6Taf. M. 6—
Sonderabdrücke aus den Sitzungsberichten. I. Halbjahr 1900.
Harnack: die beiden Recensionen der Geschichte der Prisca und des Aquila in Act. Apost. 18, 1—27 L. Borc#arpr: Bericht über einen Einsturz im Amonstempel von Karnack am 3. October 1899 Fuchs: über eine besondere Gattung von rationalen Curven mit imaginären Doppelpunkten F. Körter: Stextrow’s und Liarunow’s Fälle der see in einer SE
Harnack: Bericht über die »Geschichte der Akademie KekuLe vos Stranoxıtz: Ausgrabungen in Milet Fiscuer: über aromatische Derivate der Harnsäure
Scherrer-Boicuorst: das Gesetz Kaiser Friedrich’s I. ‚De REN REN
Mösıvs: über die Grundlagen der aesthetischen Beurtheilung der Säugethiere
ExeLer: über die Vegetationsverhältnisse des Ulugurugebirges in Deutsch - Ostafrika s
A. Lapengure und Ü. KrücerL: über das Krypton
Harsack: Festrede zur Zweihundertjahrfeier in der Pastikiing ı am 20. März 1900 Tosgrer: der provenzalische Sirventes ‚Senher n’enfantz, f’il vos platz’ (Bartschs Grande 461, 219) Kırın: das Krystallpolymeter, ein Instrument für krystallographisch - Ke BRTREE
M. Krause: Differentialgleichungen mit elliptischen Integralen . ; a H. Varer: einige Versuche über die Bildung des marinen Anhydrits . . .
G. Lanpsgers: zur Theorie der aleebraischen Funetionen zweier Veränderlicher 8
C. Scaven#arpt: das Römercastell bei Haltern an der „ippe i Erman: die Flexion des aegyptischen Verbums .
vox BezorLo: zur Thermodynamik der Atmosphaere
Voser: Fortschritte der Bestimmung der Sternbewegung in en Gesichtslinie Quiscke: über Volumenänderungen durch magnetische Kräfte Zr vos Wıramowırz- Mori: kanokir: die sechste Rede des Adtipkan Harzıparıs: zur Betonung der griechischen Snap
E. Scumipr: deutsche Reimstudien. 5
F. Rısse: Beitrag zur Petrographie der RER in : Celsbes
O. Lumser: complementäre Interferenzerscheinungen im refleetirtem Lichte Frosextus: über die Charaktere der symmetrischen Gruppe.
Harsack: das Magnificat der Elisabet (Lue. 1, 46-55) nebst einigen Dicken zu Ze ı und 2 van’r Horr und E. F. Anustroxe: Bildungsverhältnisse der oceanischen Salzlager. X
H. Baumnaver: über die krystallographischen Verhältnisse des Jordanit Weser: Vedische Beiträge
C.F. Leumans: Ergebnisse der anne Frege Here. Lranins
G. Frirsch: vergleichende Untersuchungen menschlicher Augen
Sonderabdrücke aus den Sitzungsberichten. II. Halbjahr 1900.
Warsure: über die Bildung des Ozons bei der Spitzenentladung in Sauerstoff.
0. Karıscher: über Grosshirnexstirpationen bei Papageien .
A. Lapeneurs und C. Krüser: über das Krypton. II.
A. Sauer: geologische Beobachtungen im Aarmassiv .
Zwölf Briefe von Besser an OLeers .
A. Bıcxer, und P. Jacos: Bewertugst geilen Bas Hände:
Mvusk: über die Ausdehnung der Sinnessphären in der ER ERTG I. W.Toskorr: experimentelle Erzeugung von Doppelbildungen bei Triton .
SITZUNGSBERICHTE
KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN
XXXVIH.
26. Juzı 1900.
MIT TAFEL IV uno V.
BERLIN 1900.
VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
IN COMMISSION BEI GEORG REIMER.
Auszug aus dem Reglement für die Redaction der »Sitzungsberichte«.
81.
2. Diese erscheinen in einzelnen Stücken in Gross- Vetar regelmässig Donnerstags acht Tage nach itzu i mtlichen zu einem Kalender- jahr gehörigen Stücke bilden vorläufig einen Band mit fortlaufender Paginirung. Die einzelnen Stücke erhalten ausserdem eine durch den Band ohne Unterschied der Kategorien der Sitzungen fortlaufende römische Ordnungs-
Sitzungen der philosophisch - historischen Classe ungerade Nummern.
Jeden Sitzungsbericht eröffnet eine Übersicht über die in der Sitzung vorgetragenen wissenschaftlichen Mit- theilungen und über die zur Veröffentlichung geeigneten sig une Angelegenheiten
Darauf folgen die di Sitzungsberichten über- wiesenen wissensehaftlichen Arbeiten, und zwar in der
Sitzungen mitgetheilt, in den zu diesen ren gehö- rigen Stücken nieht erscheinen konnten
Den Bericht über jede des Sitzung stellt der r weleher darin den Vorsi atte.
der in dem gleichen Stück erschei- nenden wissenschaftlichen Arbeiten.
1. Für die Aufnahme einer wissenschaftlichen Mit- theilung in die Sitzungsberiehte gelten neben $41,2 der a und $ 28 dieses Reglements die folgenden beson-
ren Bestimmungen.
. Der Umfang der Mittheilung darf 32 Seiten in etav in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte Verfassern, welche der Akademie nicht angehören, sind auf die Hälfte dieses Umfanges beschränkt. Überschreitung dieser Grenzen ist nur nach ausdrücklicher Zustimmung der Gesammtaka- demie oder der betreffenden Classe stattha
3. Abgesehen von einfachen in den Te SR einzuschal-
tenden Holzschnitten sollen Abbildungen auf durchaus ränkt w yo ar Satz einer Mit- Sue der in den
Auflage eingeliefert ist.
; e für die Sitzungsberichte bestimmte wissen- ‘schaftliche Mittheilung darf in keinem Falle vor der Aus- gabe des betreffenden Stückes anderweitig, sei es auch
nur auszugsweise oder auch in weiterer Ausführung, in deutscher Sprache veröffentlicht sein oder werden . Wenn der Verfasser einer aufgenommenen wienieh
en Rechtsregeln zusteht, so willigung der Gesammtakademie er der betreffenden
5. Auswärts werden REDEN nur auf besonderes Verlangen verschickt. Die Verfasser verzichten damit auf Erscheinen ihrer Mittheilungen nach acht Tagen,
s1l.
1. Der Verfasser einer unter den » Wissensehaftlichen En abgedruckten Arbeit erhält unentgeltlich fünfzig Sonderabdrücke mit einem Umschlag, auf welchem